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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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gegenwärtig geltenden Bestimmungen desselben wird fortdauern und mit der
Zeit zum Siege führen.

Aber auch in dieser Hinsicht darf man von dem neuen Präsidenten
und seiner Partei nicht zu viel erwarten. Der Präsident der Vereinigten
Stande" ist wenig mehr als was in einem parlamentarisch regierten
Staat wie England oder Belgien der Ministerpräsident ist. und wie dies-
seit des Oceans die Zeiten vorüber sind, wo ein Ministerwechsel die Politik
einer großen Nation wesentlich zu ändern vermochte, so konnte jenseits
selbst ein neuer Jackson kaum noch mit seiner persönlichen Meinung
überall durchdringen. Präsident Lincoln wird versuchen, das eine und das
andere Gute zu fördern, und. der übliche Beamtcnwechsel wird ihm dabei
passende Werkzeuge liefern. Er wird manches Ueble verhüten, wenigstens
aufhalten; denn er besitzt das Recht des Veto. Er wird Vieles thun können,
um die Herrschaft der Partei, der er angehört, dauernd zu begründen. Der
Theil dieser Partei, welcher die Sklaverei beschränkt wissen will, wird aus
dem jetzigen Triumph derselben neuen Muth und den Entschluß, auf größer"
Gewinn hinzuarbeiten, schöpfen. Der Norden und namentlich der Westen,
dessen Entwicklung einst in der Frage der Sklaverei den Aus¬
schlag zu geben bestimmt ist. wird sich von jetzt ab mehr als bisher
fühlen. Auf legislativen Gebiet aber wird zunächst Bedeutendes nicht er¬
reicht werden, schon deshalb nicht, weil im nächsten Kongreß, der im Dezember
1861 zusammentritt und zu dem jetzt in den wichtigsten Staaten die Wahlen
stattgefunden haben, die republikanische Partei so wenig wie im jetzigen die
absolute Majorität besitzen wird. Der demokratischen Partei bleibt noch hin¬
reichend viel Spielraum. Sie hat starke Streitkräfte im Repräsentantenhause,
und sie erfreut sich der Mehrheit im Senat. Nicht leicht wieder wird sie die
Macht zur Offensive erlangen, die sie in den letzten vier Decennien entwickelte,
aber in der Defensive, in der Erhaltung und Vertheidigung ihrer Stellung
wird sie stärker sein, als mancher ihrer Gegner in dem Rausch über den eben
erlangten Erfolg glauben mag.

Weit mehr als die berechnete Arbeit der Menschen wird für die allmä-
liche Erledigung der Sklavenfrage die Entwicklung der Dinge in den Sklaven¬
staaten selbst wie in den freien Staaten thun. Wir folgen in der Ausführung
dieses Gedankens den Erörterungen Kappst, denen wir das Wesentlichste
in gedrängtem Auszug entnehmen. Der Süden kann sich vom Norden nicht



') Geschichte der Sklaverei in den Vereinigten Staaten von Amerika von
Friedrich Kapp, Hamburg. Otto Meißner, 1S61, ein sehr gründliches, auch sonst für die
Beurtheilung amerikanischer Zustände werthvolles Werk, welches indeß gewonnen haben würde,
wenn der Verfasser sich mehr von leidenschaftlichen Ausdrücken und gelegentlichen Uebertrei¬
bungen fern gehalten hätte.

gegenwärtig geltenden Bestimmungen desselben wird fortdauern und mit der
Zeit zum Siege führen.

Aber auch in dieser Hinsicht darf man von dem neuen Präsidenten
und seiner Partei nicht zu viel erwarten. Der Präsident der Vereinigten
Stande» ist wenig mehr als was in einem parlamentarisch regierten
Staat wie England oder Belgien der Ministerpräsident ist. und wie dies-
seit des Oceans die Zeiten vorüber sind, wo ein Ministerwechsel die Politik
einer großen Nation wesentlich zu ändern vermochte, so konnte jenseits
selbst ein neuer Jackson kaum noch mit seiner persönlichen Meinung
überall durchdringen. Präsident Lincoln wird versuchen, das eine und das
andere Gute zu fördern, und. der übliche Beamtcnwechsel wird ihm dabei
passende Werkzeuge liefern. Er wird manches Ueble verhüten, wenigstens
aufhalten; denn er besitzt das Recht des Veto. Er wird Vieles thun können,
um die Herrschaft der Partei, der er angehört, dauernd zu begründen. Der
Theil dieser Partei, welcher die Sklaverei beschränkt wissen will, wird aus
dem jetzigen Triumph derselben neuen Muth und den Entschluß, auf größer«
Gewinn hinzuarbeiten, schöpfen. Der Norden und namentlich der Westen,
dessen Entwicklung einst in der Frage der Sklaverei den Aus¬
schlag zu geben bestimmt ist. wird sich von jetzt ab mehr als bisher
fühlen. Auf legislativen Gebiet aber wird zunächst Bedeutendes nicht er¬
reicht werden, schon deshalb nicht, weil im nächsten Kongreß, der im Dezember
1861 zusammentritt und zu dem jetzt in den wichtigsten Staaten die Wahlen
stattgefunden haben, die republikanische Partei so wenig wie im jetzigen die
absolute Majorität besitzen wird. Der demokratischen Partei bleibt noch hin¬
reichend viel Spielraum. Sie hat starke Streitkräfte im Repräsentantenhause,
und sie erfreut sich der Mehrheit im Senat. Nicht leicht wieder wird sie die
Macht zur Offensive erlangen, die sie in den letzten vier Decennien entwickelte,
aber in der Defensive, in der Erhaltung und Vertheidigung ihrer Stellung
wird sie stärker sein, als mancher ihrer Gegner in dem Rausch über den eben
erlangten Erfolg glauben mag.

Weit mehr als die berechnete Arbeit der Menschen wird für die allmä-
liche Erledigung der Sklavenfrage die Entwicklung der Dinge in den Sklaven¬
staaten selbst wie in den freien Staaten thun. Wir folgen in der Ausführung
dieses Gedankens den Erörterungen Kappst, denen wir das Wesentlichste
in gedrängtem Auszug entnehmen. Der Süden kann sich vom Norden nicht



') Geschichte der Sklaverei in den Vereinigten Staaten von Amerika von
Friedrich Kapp, Hamburg. Otto Meißner, 1S61, ein sehr gründliches, auch sonst für die
Beurtheilung amerikanischer Zustände werthvolles Werk, welches indeß gewonnen haben würde,
wenn der Verfasser sich mehr von leidenschaftlichen Ausdrücken und gelegentlichen Uebertrei¬
bungen fern gehalten hätte.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/404>, abgerufen am 15.01.2025.