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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Lincolns vorzüglich auf ihre Fahne schrieb, besonders verhängnisvolle für das
Bestehen der Union, werden von diesem Siege nur die erwarten, welche die
Sprache der amerikanischen Parteiblättcr für die Sprache der Wahrheit halten,
die transatlantischen Verhältnisse nickt kennen und namentlich sick die Stellung
und die Befugniß eines Präsidenten der Union nicht klar gemacht haben.

Wer im verflossenen Sommer und Herbst die Expectorationen der demo¬
kratischen Zeitungen las, der mußte glauben, daß die Wahl Lincolns gleich¬
bedeutend mit dem sofortigen Zerfall der Union in eine südliche und eine
nördliche Hülste sein würde. Wer sich dann die republikanischen Blätter an¬
sah, der konnte diese Befürchtung nur bestätigt finden. Die Sclaverei be¬
schränken, aufheben, unser wohlerworbenes Eigenthum uns nehmen lassen!
rief der Süden, theils in aufrichtiger, theils in geheuchelter Entrüstung dem
Norden zu--Lieber Lostrennung, gewaltsamer Widerstand, Bürgerkrieg ! -- Bie¬
gen oder brechen! antwortete es von Norden hinab. Wer diese Sprache
von früher kannte, schüttelte lächelnd den Kopf und zuckte mit den Achseln.
Es war wenig mehr Ah das gewöhnliche Feuer der Wahlkampagne, etwas
Eifer, einiger Taumel ehrlicher "Grüner" und sehr viel Schwindel von Seiten
der "Grauen". Wirklich aufrichtig meinten es mit dem Sturm auf die Scla¬
verei nur die strengen Abolitionisten, eine Secte von Phantasten, die in der
großen republikanische" Partei keineswegs die Mehrheit bildet. Die Uebrigen
bestehen aus solchen, die sich, eingedenk des Wortes, daß Rom nicht an einem
Tage erbaut worden ist, zu bescheiden wissen, und aus der großen Masse derer,
die gar keinem Prinzip folgen, sondern nur ihren Vortheil, ein Amt, einen
Gönner u. s. w. im Auge haben. Auf das Feldgeschrei, das erhoben wird,
ist wenig zu geben. Der Norden bedarf den Süden, dieser noch weit mehr
jenen, also wird man sich wenigstens so weit vertragen, daß die Union be¬
stehen bleibt. Mit der Wahl wird auch die Leidenschaft verrauchen. Das
kleine Sprühteufelchen Südcarolina wird noch ein menig Entrüstungsfeuer
speien, einige Zeitungen diesseits und jenseits von Dixons und Masons
Linie, einige Stumpredncr werden noch für oder gegen die Sclaverei mit
Colofoniumsblitzen wettern, einer und der andere ehrenwerthe Volksvertreter
wird vielleicht wieder den Versuch machen, einen oder den andern College"
mit dem Rohrstock oder dem Pistol zu überzeugen, daß er in Betreff der Ne¬
ger sich nicht die richtige Meinung angeeignet habe. Im Wesentlichen aber
wird der Kampf ein Ende haben -- aus Mangel an Kämpfern, wie es im
Cid heißt.

Natürlich ist damit nur der Kampf gemeint, bei dem die eine Partei Auf¬
hebung, die andere Verbreitung der Sclaverei über die ganze Union zum Wahl-
spruck genommen zu haben schien. Der wirkliche und verständige Kampf der
Republikaner für Beschränkung des "eigenthümlichen Instituts" und Milderungdcr


Lincolns vorzüglich auf ihre Fahne schrieb, besonders verhängnisvolle für das
Bestehen der Union, werden von diesem Siege nur die erwarten, welche die
Sprache der amerikanischen Parteiblättcr für die Sprache der Wahrheit halten,
die transatlantischen Verhältnisse nickt kennen und namentlich sick die Stellung
und die Befugniß eines Präsidenten der Union nicht klar gemacht haben.

Wer im verflossenen Sommer und Herbst die Expectorationen der demo¬
kratischen Zeitungen las, der mußte glauben, daß die Wahl Lincolns gleich¬
bedeutend mit dem sofortigen Zerfall der Union in eine südliche und eine
nördliche Hülste sein würde. Wer sich dann die republikanischen Blätter an¬
sah, der konnte diese Befürchtung nur bestätigt finden. Die Sclaverei be¬
schränken, aufheben, unser wohlerworbenes Eigenthum uns nehmen lassen!
rief der Süden, theils in aufrichtiger, theils in geheuchelter Entrüstung dem
Norden zu—Lieber Lostrennung, gewaltsamer Widerstand, Bürgerkrieg ! — Bie¬
gen oder brechen! antwortete es von Norden hinab. Wer diese Sprache
von früher kannte, schüttelte lächelnd den Kopf und zuckte mit den Achseln.
Es war wenig mehr Ah das gewöhnliche Feuer der Wahlkampagne, etwas
Eifer, einiger Taumel ehrlicher „Grüner" und sehr viel Schwindel von Seiten
der „Grauen". Wirklich aufrichtig meinten es mit dem Sturm auf die Scla¬
verei nur die strengen Abolitionisten, eine Secte von Phantasten, die in der
großen republikanische» Partei keineswegs die Mehrheit bildet. Die Uebrigen
bestehen aus solchen, die sich, eingedenk des Wortes, daß Rom nicht an einem
Tage erbaut worden ist, zu bescheiden wissen, und aus der großen Masse derer,
die gar keinem Prinzip folgen, sondern nur ihren Vortheil, ein Amt, einen
Gönner u. s. w. im Auge haben. Auf das Feldgeschrei, das erhoben wird,
ist wenig zu geben. Der Norden bedarf den Süden, dieser noch weit mehr
jenen, also wird man sich wenigstens so weit vertragen, daß die Union be¬
stehen bleibt. Mit der Wahl wird auch die Leidenschaft verrauchen. Das
kleine Sprühteufelchen Südcarolina wird noch ein menig Entrüstungsfeuer
speien, einige Zeitungen diesseits und jenseits von Dixons und Masons
Linie, einige Stumpredncr werden noch für oder gegen die Sclaverei mit
Colofoniumsblitzen wettern, einer und der andere ehrenwerthe Volksvertreter
wird vielleicht wieder den Versuch machen, einen oder den andern College»
mit dem Rohrstock oder dem Pistol zu überzeugen, daß er in Betreff der Ne¬
ger sich nicht die richtige Meinung angeeignet habe. Im Wesentlichen aber
wird der Kampf ein Ende haben — aus Mangel an Kämpfern, wie es im
Cid heißt.

Natürlich ist damit nur der Kampf gemeint, bei dem die eine Partei Auf¬
hebung, die andere Verbreitung der Sclaverei über die ganze Union zum Wahl-
spruck genommen zu haben schien. Der wirkliche und verständige Kampf der
Republikaner für Beschränkung des „eigenthümlichen Instituts" und Milderungdcr


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[0403] Lincolns vorzüglich auf ihre Fahne schrieb, besonders verhängnisvolle für das Bestehen der Union, werden von diesem Siege nur die erwarten, welche die Sprache der amerikanischen Parteiblättcr für die Sprache der Wahrheit halten, die transatlantischen Verhältnisse nickt kennen und namentlich sick die Stellung und die Befugniß eines Präsidenten der Union nicht klar gemacht haben. Wer im verflossenen Sommer und Herbst die Expectorationen der demo¬ kratischen Zeitungen las, der mußte glauben, daß die Wahl Lincolns gleich¬ bedeutend mit dem sofortigen Zerfall der Union in eine südliche und eine nördliche Hülste sein würde. Wer sich dann die republikanischen Blätter an¬ sah, der konnte diese Befürchtung nur bestätigt finden. Die Sclaverei be¬ schränken, aufheben, unser wohlerworbenes Eigenthum uns nehmen lassen! rief der Süden, theils in aufrichtiger, theils in geheuchelter Entrüstung dem Norden zu—Lieber Lostrennung, gewaltsamer Widerstand, Bürgerkrieg ! — Bie¬ gen oder brechen! antwortete es von Norden hinab. Wer diese Sprache von früher kannte, schüttelte lächelnd den Kopf und zuckte mit den Achseln. Es war wenig mehr Ah das gewöhnliche Feuer der Wahlkampagne, etwas Eifer, einiger Taumel ehrlicher „Grüner" und sehr viel Schwindel von Seiten der „Grauen". Wirklich aufrichtig meinten es mit dem Sturm auf die Scla¬ verei nur die strengen Abolitionisten, eine Secte von Phantasten, die in der großen republikanische» Partei keineswegs die Mehrheit bildet. Die Uebrigen bestehen aus solchen, die sich, eingedenk des Wortes, daß Rom nicht an einem Tage erbaut worden ist, zu bescheiden wissen, und aus der großen Masse derer, die gar keinem Prinzip folgen, sondern nur ihren Vortheil, ein Amt, einen Gönner u. s. w. im Auge haben. Auf das Feldgeschrei, das erhoben wird, ist wenig zu geben. Der Norden bedarf den Süden, dieser noch weit mehr jenen, also wird man sich wenigstens so weit vertragen, daß die Union be¬ stehen bleibt. Mit der Wahl wird auch die Leidenschaft verrauchen. Das kleine Sprühteufelchen Südcarolina wird noch ein menig Entrüstungsfeuer speien, einige Zeitungen diesseits und jenseits von Dixons und Masons Linie, einige Stumpredncr werden noch für oder gegen die Sclaverei mit Colofoniumsblitzen wettern, einer und der andere ehrenwerthe Volksvertreter wird vielleicht wieder den Versuch machen, einen oder den andern College» mit dem Rohrstock oder dem Pistol zu überzeugen, daß er in Betreff der Ne¬ ger sich nicht die richtige Meinung angeeignet habe. Im Wesentlichen aber wird der Kampf ein Ende haben — aus Mangel an Kämpfern, wie es im Cid heißt. Natürlich ist damit nur der Kampf gemeint, bei dem die eine Partei Auf¬ hebung, die andere Verbreitung der Sclaverei über die ganze Union zum Wahl- spruck genommen zu haben schien. Der wirkliche und verständige Kampf der Republikaner für Beschränkung des „eigenthümlichen Instituts" und Milderungdcr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/403>, abgerufen am 15.01.2025.