Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.Italien brennen würde, und nicht am wenigsten in der Seele Victor Emanuels, Italien brennen würde, und nicht am wenigsten in der Seele Victor Emanuels, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0394" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110742"/> <p xml:id="ID_1182" prev="#ID_1181" next="#ID_1183"> Italien brennen würde, und nicht am wenigsten in der Seele Victor Emanuels,<lb/> das war schon bei dein Frieden von Villafranca nicht zu verkennen. Und als<lb/> vollends Garibaldi auftrat und den Franzosen offen trotzte, da wurde greif¬<lb/> bar, das; jetzt der Augenblick gekommen sei, wo Preußen activ in die Politik<lb/> Italiens einzugreifen hatte. Nur gezwungen durch die oppositionelle Haltung<lb/> Preußens und Englands, sowie durch die Sympathien seines Heeres und Vol¬<lb/> kes, räumte Napoleon der italienischen Bewegung für ihre vergrößerte» Di¬<lb/> mensionen Spielraum ein. Mehr als einmal, war seine Stellung zu Italien<lb/> nicht nur anscheinend zweideutig, und nnr die Rücksicht darauf, daß ihm nichts<lb/> Anderes übrig bleibe, als mit England und für Italien zu gehen, hat ihn fest¬<lb/> gehalten. Ebenso schließt den König von Sardinien der bittere Zwang, die offene<lb/> Kälte des gesammten Kontinents an Frankreich. Preußen aber hatte Veranlassung,<lb/> auch in seinem Innern, wie im übrigen Deutschland, die Wirkungen des italieni¬<lb/> schen Kanipfes zu beobachten. Die Noth des Papstes, die Gefahr der Kirche lähm¬<lb/> ten fast plötzlich den Muth der ultramontanen Partei. In den Grenzkrciscn Posens,<lb/> wo eben erst die Aufregung der Edelleute und Geistlichen eine so bedenkliche Höhe<lb/> erreicht hatte, wurde es durch einige Sommermonate plötzlich still, die polnischen<lb/> Geistlichen, die Hauptagitatoren, hatten allen Muth verloren. War dieser<lb/> Schrecken der Widersetzlichen nicht Zeichen genug, welche Politik für Preußen<lb/> vortheilhaft sei? Allerdings vermag Preußen nicht, für die Italiener an die<lb/> Stelle Frankreichs zu treten. Auch die sardinische Regierung, durch Frankreichs<lb/> Uebermacht von den Alpen und Rom her geknebelt, würde sehr thöricht han¬<lb/> deln, dies kaiserliche Bündniß sofort zu lösen, um ein neues mit Preußen zu<lb/> schließen, dem entfernteren, weniger gefährlichen Staat, der im Rathe der eu¬<lb/> ropäischen Mächte noch keine entscheidende Stimme hat. Aber darum handelt<lb/> es sich gegenwärtig gar noch nicht. Es ist auch für Preußen vortheilhaft, wenn<lb/> Sardinien die schwierige Stellung, in welche sich Kaiser Napoleon gebracht hat,<lb/> so lange als möglich ausnützt. Unterdes; gibt es kein besseres Mittel neuen<lb/> Annexversuchen desselben zu begegnen, als ein loyales freundliches Einvernehmen<lb/> zwischen Turin und Berlin. Sobald er weiß,.daß Italien im Nothfall einen<lb/> kriegerischen Rückhalt hat. wird er sich wohl hüten, dasselbe bis zum Aeußer-<lb/> sten zu treiben. Auch Oestreich gegenüber ist solche Politik Preußens weder<lb/> unehrlich, noch unvortheilhaft. Die Eventualitäten, für welche Preußen<lb/> zu Teplitz seinen Beistand in Aussicht gestellt hat, waren an Bedingungen<lb/> geknüpft. Diese Bedingungen waren Gegenvcrsprechungen Oestreichs. Sie sind<lb/> nicht gehalten worden: weder in seiner innern Organisation, noch gegenüber<lb/> seinen Protestanten, noch in deutschen Angelegenheiten, z. B. der Bundcsfeldhcrrn-<lb/> fragc ist das wiener Kabinet seinen Verheißungen vollständig nachgekommen. Trotz¬<lb/> dem soll jede Rücksicht auf einen Staat des deutschen Bundes genommen werden.<lb/> Wenn Preußen sich gegenüber Sardinien in der Hauptsache, der einheitlichen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0394]
Italien brennen würde, und nicht am wenigsten in der Seele Victor Emanuels,
das war schon bei dein Frieden von Villafranca nicht zu verkennen. Und als
vollends Garibaldi auftrat und den Franzosen offen trotzte, da wurde greif¬
bar, das; jetzt der Augenblick gekommen sei, wo Preußen activ in die Politik
Italiens einzugreifen hatte. Nur gezwungen durch die oppositionelle Haltung
Preußens und Englands, sowie durch die Sympathien seines Heeres und Vol¬
kes, räumte Napoleon der italienischen Bewegung für ihre vergrößerte» Di¬
mensionen Spielraum ein. Mehr als einmal, war seine Stellung zu Italien
nicht nur anscheinend zweideutig, und nnr die Rücksicht darauf, daß ihm nichts
Anderes übrig bleibe, als mit England und für Italien zu gehen, hat ihn fest¬
gehalten. Ebenso schließt den König von Sardinien der bittere Zwang, die offene
Kälte des gesammten Kontinents an Frankreich. Preußen aber hatte Veranlassung,
auch in seinem Innern, wie im übrigen Deutschland, die Wirkungen des italieni¬
schen Kanipfes zu beobachten. Die Noth des Papstes, die Gefahr der Kirche lähm¬
ten fast plötzlich den Muth der ultramontanen Partei. In den Grenzkrciscn Posens,
wo eben erst die Aufregung der Edelleute und Geistlichen eine so bedenkliche Höhe
erreicht hatte, wurde es durch einige Sommermonate plötzlich still, die polnischen
Geistlichen, die Hauptagitatoren, hatten allen Muth verloren. War dieser
Schrecken der Widersetzlichen nicht Zeichen genug, welche Politik für Preußen
vortheilhaft sei? Allerdings vermag Preußen nicht, für die Italiener an die
Stelle Frankreichs zu treten. Auch die sardinische Regierung, durch Frankreichs
Uebermacht von den Alpen und Rom her geknebelt, würde sehr thöricht han¬
deln, dies kaiserliche Bündniß sofort zu lösen, um ein neues mit Preußen zu
schließen, dem entfernteren, weniger gefährlichen Staat, der im Rathe der eu¬
ropäischen Mächte noch keine entscheidende Stimme hat. Aber darum handelt
es sich gegenwärtig gar noch nicht. Es ist auch für Preußen vortheilhaft, wenn
Sardinien die schwierige Stellung, in welche sich Kaiser Napoleon gebracht hat,
so lange als möglich ausnützt. Unterdes; gibt es kein besseres Mittel neuen
Annexversuchen desselben zu begegnen, als ein loyales freundliches Einvernehmen
zwischen Turin und Berlin. Sobald er weiß,.daß Italien im Nothfall einen
kriegerischen Rückhalt hat. wird er sich wohl hüten, dasselbe bis zum Aeußer-
sten zu treiben. Auch Oestreich gegenüber ist solche Politik Preußens weder
unehrlich, noch unvortheilhaft. Die Eventualitäten, für welche Preußen
zu Teplitz seinen Beistand in Aussicht gestellt hat, waren an Bedingungen
geknüpft. Diese Bedingungen waren Gegenvcrsprechungen Oestreichs. Sie sind
nicht gehalten worden: weder in seiner innern Organisation, noch gegenüber
seinen Protestanten, noch in deutschen Angelegenheiten, z. B. der Bundcsfeldhcrrn-
fragc ist das wiener Kabinet seinen Verheißungen vollständig nachgekommen. Trotz¬
dem soll jede Rücksicht auf einen Staat des deutschen Bundes genommen werden.
Wenn Preußen sich gegenüber Sardinien in der Hauptsache, der einheitlichen
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