Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.verdummten und verwilderten Völker. Wir würden uns freuen, wenn die Aber diese Bewegung trat zugleich als eine französische auf, unedel, aben¬ verdummten und verwilderten Völker. Wir würden uns freuen, wenn die Aber diese Bewegung trat zugleich als eine französische auf, unedel, aben¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0393" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110741"/> <p xml:id="ID_1180" prev="#ID_1179"> verdummten und verwilderten Völker. Wir würden uns freuen, wenn die<lb/> Minister Sr. Königlichen Hoheit so viel protestantischen Sinn und so viel<lb/> liberale Wurme hätten, daß ihnen die altheidnischen Greuel am Feste des<lb/> heiligen Januarius und der heiligen Rosalie lebhaften Widerwillen einflößten,<lb/> und daß ihnen die Handhabung der Rechtspflege im Mvrtara-Fall und in den<lb/> Kerkern Neapels als schändlich und ruchlos erschienen wäre. Aber, wie gesagt,<lb/> auf die Kälte und Wärme der Empfindung kommt es für den preußischen<lb/> Politiker bei den großen italienischen Fragen gar nicht an. Er hat keine<lb/> Verpflichtung, in Italien politische Moral zu predigen, ja er hat vielleicht<lb/> gar kein Recht, den Italienern seine Moral, die ihm aus. ganz anderen Cultur¬<lb/> verhältnissen erblüht ist, aufzudrängen. Er hat den dortigen Kampf zu<lb/> betrachten, etwa wie ein Naturereignis;, und nur zu fragen: welcher Nutzen<lb/> oder Schaden kann hieraus für Preußen kommen? Die Antwort auf diese<lb/> Frage, kalt und unbefangen gestellt, darf keinen Augenblick zweifelhaft sein.<lb/> Preuße» ist in seinem Wesen ein protestantischer Staat, seine ältesten und<lb/> gefährlichsten Gegner sind Frankreich, Oestreich und die römische Hierarchie,<lb/> sie, der Alp aller deutschen Konfessionen, zumeist des Katholicismus selbst.<lb/> Eine Bewegung, welche dem Papstthum die Wurzeln seiner hierarchischen<lb/> Existenz abschneidet, eine Bewegung, welche das Ziel hat, das alte Jagd¬<lb/> gebiet von Frankreich und Oestreich in einen großen Staat umzugestalten, der<lb/> die Interessen von 20 bis 25 Millionen Menschen umfaßt, eine solche Be¬<lb/> wegung war, moralisch oder nicht, lcgitimistisch oder republikanisch, so sehr<lb/> im höchsten Interesse Preußens, daß sie vielleicht auf die warmen Sympathien<lb/> der Regierung, in jedem Falle ans ein stilles wohlgeneigtes Urtheil zu rechnen<lb/> hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1181" next="#ID_1182"> Aber diese Bewegung trat zugleich als eine französische auf, unedel, aben¬<lb/> teuerlich erkaufte sich die sardinische Negierung die eigennützige Hilfe eines<lb/> Stärkern durch Abtretung ihrer ältesten Territorien; und grade diese Abtretung<lb/> hat die Spannung zwischen Frankreich und Preußen hervorgerufen, sie hat in<lb/> unerhörter Weise alte Verträge verletzt, die Existenz der Schweiz gefährdet, einer<lb/> frechen Willkür momentaner Macht Thor und Thür geöffnet. Nun wir meinen,<lb/> ein Preuße sollte auf solchen Einwurf antworten: Um so besser für uns.<lb/> Denn die Freundschaft zwischen Sardinien und Frankreich, welche durch so un¬<lb/> erhörte Verletzung der italienischen und europäischen Interessen zusammengekittet<lb/> wurde, hat eine sehr unsichere Grundlage. Daß Sardinien nicht ohne einen<lb/> Beisatz von Unehre zu so großer Erhebung kommen konnte, gibt diesen Staat<lb/> bei geschickter Behandlung in unsere Hand. Daß Napoleon die größte Thorheit<lb/> seines Lebens beging, als er Savoyen und Nizza annahm, legt uns einen Hebel<lb/> in die Hand, womit wir seinen Einfluß in Italien zu lockern, einst vielleicht in die<lb/> Luft zu schleudern haben. Daß aber die Wunde Savoyen und Nizza durch ganz</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0393]
verdummten und verwilderten Völker. Wir würden uns freuen, wenn die
Minister Sr. Königlichen Hoheit so viel protestantischen Sinn und so viel
liberale Wurme hätten, daß ihnen die altheidnischen Greuel am Feste des
heiligen Januarius und der heiligen Rosalie lebhaften Widerwillen einflößten,
und daß ihnen die Handhabung der Rechtspflege im Mvrtara-Fall und in den
Kerkern Neapels als schändlich und ruchlos erschienen wäre. Aber, wie gesagt,
auf die Kälte und Wärme der Empfindung kommt es für den preußischen
Politiker bei den großen italienischen Fragen gar nicht an. Er hat keine
Verpflichtung, in Italien politische Moral zu predigen, ja er hat vielleicht
gar kein Recht, den Italienern seine Moral, die ihm aus. ganz anderen Cultur¬
verhältnissen erblüht ist, aufzudrängen. Er hat den dortigen Kampf zu
betrachten, etwa wie ein Naturereignis;, und nur zu fragen: welcher Nutzen
oder Schaden kann hieraus für Preußen kommen? Die Antwort auf diese
Frage, kalt und unbefangen gestellt, darf keinen Augenblick zweifelhaft sein.
Preuße» ist in seinem Wesen ein protestantischer Staat, seine ältesten und
gefährlichsten Gegner sind Frankreich, Oestreich und die römische Hierarchie,
sie, der Alp aller deutschen Konfessionen, zumeist des Katholicismus selbst.
Eine Bewegung, welche dem Papstthum die Wurzeln seiner hierarchischen
Existenz abschneidet, eine Bewegung, welche das Ziel hat, das alte Jagd¬
gebiet von Frankreich und Oestreich in einen großen Staat umzugestalten, der
die Interessen von 20 bis 25 Millionen Menschen umfaßt, eine solche Be¬
wegung war, moralisch oder nicht, lcgitimistisch oder republikanisch, so sehr
im höchsten Interesse Preußens, daß sie vielleicht auf die warmen Sympathien
der Regierung, in jedem Falle ans ein stilles wohlgeneigtes Urtheil zu rechnen
hatte.
Aber diese Bewegung trat zugleich als eine französische auf, unedel, aben¬
teuerlich erkaufte sich die sardinische Negierung die eigennützige Hilfe eines
Stärkern durch Abtretung ihrer ältesten Territorien; und grade diese Abtretung
hat die Spannung zwischen Frankreich und Preußen hervorgerufen, sie hat in
unerhörter Weise alte Verträge verletzt, die Existenz der Schweiz gefährdet, einer
frechen Willkür momentaner Macht Thor und Thür geöffnet. Nun wir meinen,
ein Preuße sollte auf solchen Einwurf antworten: Um so besser für uns.
Denn die Freundschaft zwischen Sardinien und Frankreich, welche durch so un¬
erhörte Verletzung der italienischen und europäischen Interessen zusammengekittet
wurde, hat eine sehr unsichere Grundlage. Daß Sardinien nicht ohne einen
Beisatz von Unehre zu so großer Erhebung kommen konnte, gibt diesen Staat
bei geschickter Behandlung in unsere Hand. Daß Napoleon die größte Thorheit
seines Lebens beging, als er Savoyen und Nizza annahm, legt uns einen Hebel
in die Hand, womit wir seinen Einfluß in Italien zu lockern, einst vielleicht in die
Luft zu schleudern haben. Daß aber die Wunde Savoyen und Nizza durch ganz
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