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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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schieden auf. Bisweilen aufbrausend, liebenswürdig im Umgänge mit Jeder¬
mann, kurz und gerecht, wie sich's für den Militär gebührt, ergab er sich mit
wärmsten Eifer der Sache, welcher zu dienen er sich einmal verpflichtet hatte.
Leider leidet er hin und wieder an der Gicht, die wohl eine Folge seines
afrikanischen Soldatenlebens ist. Er übernahm ungesäumt das Obcrcommando
über sämmtliche päpstliche Truppen und verpflichtete sich gegenüber der Regie¬
rung, im Zeitraums eines Jahres ein Heer zu gründen, welches, der Große
des Staates angemessen, 30000 Mann stark und hinreichend ausgebildet sein
sollte, um die Bürgschaft für die innere Ruhe und Sicherheit des Landes
übernehmen, sowie auch revolutionäre Stöße von Außen abschlagen zu können.
Dagegen übernahm die Negierung ihrerseits die Verpflichtung, jede dazu er¬
forderliche Geldauögabe ohne Weiters zu bewilligen. Sofort wurden im
östreichischen Kaiserstaat außer Wien, wo bereits vorher ein Werbedepüt ge¬
gründet worden war, noch in Prag und Trieft Depbts eröffnet. Lcnnoriciörcs
Ruf zog verschiedene der damals nach dem italienischen Feldzug entlassenen
östreichischen und französischen Militärs an. Ferner stellten sich manche sei¬
ner ehemaligen Zuaven bei ihrem alten Scipio Afrikanus ein; dann traten
von den kurz vorher ausgelösten neapolitanischen 4 Schweizerregimcntcrn viele
Soldaten in den Dienst des Papstes. Endlich meldete sich auch eine nicht
unbedeutende Schaar irischer Rekruten, denen später andere Trupps folgten.
Der neue General vbel entwickelte eine Thätigkeit, wie sie bis jetzt im
Kirchenstaat ungekannt war. Mit fast unumschränkter Vollmacht versehen,
hatte er nur ein Wort zu sagen, so folgte auf dem Fuße die Ausführung,
während bei den frühern eingerosteten Zuständen das kleinste Project Jahre
zu seiner Verwirklichung bedürfte. -- Sein erstes Werk war, die bereits be¬
stehenden Truppen zu inspiciren, und hierbei traf er sofort große Verände¬
rungen. Alte, unfähige Offiziere wurden ohne Weiters fortgeschafft, und an
deren Stelle traten junge Leute, welche in seiner Gegenwart eine Art Dienst-
examen prnctisch ablegen mußten. Er bestimmte, daß alle neu zu ernennen¬
den Offiziere aus dnir Unterofsiziersiande der Regimenter hervorgehen sollten,
und verwarf das alte System als unmilitärisch und verächtlich. Da er die
neu zu organisirende Armee der afrikanischen nachzubilden gesonnen war, be¬
fahl er, daß ohne Verzug die Czako's. Wafsenröcke und JMntcrieseitengcwehre
abgegeben würden, so wie auch einige sonstige überflüssige Kleinigkeiten, welche
die Tornister unnütz beschwerten; statt der Tuchhosen wurden für den Sommer
leinene eingeführt, und die ganze Armee mit tragbaren Zelten versehen.

Ancona. Viterbo und Perugia waren die eigentlichen Formations-Garni-
sonen für die neu zu errichtenden Corps, und es entstanden neu: 5 Bataillone
Bersaglieri, die wir deutsch: östreichische Jäger nennen wollen, 1 Bataillon
Carabinieri oder Schwcizerjäger, 1 neues Bataillon einheimischer Jäger (Can-


schieden auf. Bisweilen aufbrausend, liebenswürdig im Umgänge mit Jeder¬
mann, kurz und gerecht, wie sich's für den Militär gebührt, ergab er sich mit
wärmsten Eifer der Sache, welcher zu dienen er sich einmal verpflichtet hatte.
Leider leidet er hin und wieder an der Gicht, die wohl eine Folge seines
afrikanischen Soldatenlebens ist. Er übernahm ungesäumt das Obcrcommando
über sämmtliche päpstliche Truppen und verpflichtete sich gegenüber der Regie¬
rung, im Zeitraums eines Jahres ein Heer zu gründen, welches, der Große
des Staates angemessen, 30000 Mann stark und hinreichend ausgebildet sein
sollte, um die Bürgschaft für die innere Ruhe und Sicherheit des Landes
übernehmen, sowie auch revolutionäre Stöße von Außen abschlagen zu können.
Dagegen übernahm die Negierung ihrerseits die Verpflichtung, jede dazu er¬
forderliche Geldauögabe ohne Weiters zu bewilligen. Sofort wurden im
östreichischen Kaiserstaat außer Wien, wo bereits vorher ein Werbedepüt ge¬
gründet worden war, noch in Prag und Trieft Depbts eröffnet. Lcnnoriciörcs
Ruf zog verschiedene der damals nach dem italienischen Feldzug entlassenen
östreichischen und französischen Militärs an. Ferner stellten sich manche sei¬
ner ehemaligen Zuaven bei ihrem alten Scipio Afrikanus ein; dann traten
von den kurz vorher ausgelösten neapolitanischen 4 Schweizerregimcntcrn viele
Soldaten in den Dienst des Papstes. Endlich meldete sich auch eine nicht
unbedeutende Schaar irischer Rekruten, denen später andere Trupps folgten.
Der neue General vbel entwickelte eine Thätigkeit, wie sie bis jetzt im
Kirchenstaat ungekannt war. Mit fast unumschränkter Vollmacht versehen,
hatte er nur ein Wort zu sagen, so folgte auf dem Fuße die Ausführung,
während bei den frühern eingerosteten Zuständen das kleinste Project Jahre
zu seiner Verwirklichung bedürfte. — Sein erstes Werk war, die bereits be¬
stehenden Truppen zu inspiciren, und hierbei traf er sofort große Verände¬
rungen. Alte, unfähige Offiziere wurden ohne Weiters fortgeschafft, und an
deren Stelle traten junge Leute, welche in seiner Gegenwart eine Art Dienst-
examen prnctisch ablegen mußten. Er bestimmte, daß alle neu zu ernennen¬
den Offiziere aus dnir Unterofsiziersiande der Regimenter hervorgehen sollten,
und verwarf das alte System als unmilitärisch und verächtlich. Da er die
neu zu organisirende Armee der afrikanischen nachzubilden gesonnen war, be¬
fahl er, daß ohne Verzug die Czako's. Wafsenröcke und JMntcrieseitengcwehre
abgegeben würden, so wie auch einige sonstige überflüssige Kleinigkeiten, welche
die Tornister unnütz beschwerten; statt der Tuchhosen wurden für den Sommer
leinene eingeführt, und die ganze Armee mit tragbaren Zelten versehen.

Ancona. Viterbo und Perugia waren die eigentlichen Formations-Garni-
sonen für die neu zu errichtenden Corps, und es entstanden neu: 5 Bataillone
Bersaglieri, die wir deutsch: östreichische Jäger nennen wollen, 1 Bataillon
Carabinieri oder Schwcizerjäger, 1 neues Bataillon einheimischer Jäger (Can-


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[0388] schieden auf. Bisweilen aufbrausend, liebenswürdig im Umgänge mit Jeder¬ mann, kurz und gerecht, wie sich's für den Militär gebührt, ergab er sich mit wärmsten Eifer der Sache, welcher zu dienen er sich einmal verpflichtet hatte. Leider leidet er hin und wieder an der Gicht, die wohl eine Folge seines afrikanischen Soldatenlebens ist. Er übernahm ungesäumt das Obcrcommando über sämmtliche päpstliche Truppen und verpflichtete sich gegenüber der Regie¬ rung, im Zeitraums eines Jahres ein Heer zu gründen, welches, der Große des Staates angemessen, 30000 Mann stark und hinreichend ausgebildet sein sollte, um die Bürgschaft für die innere Ruhe und Sicherheit des Landes übernehmen, sowie auch revolutionäre Stöße von Außen abschlagen zu können. Dagegen übernahm die Negierung ihrerseits die Verpflichtung, jede dazu er¬ forderliche Geldauögabe ohne Weiters zu bewilligen. Sofort wurden im östreichischen Kaiserstaat außer Wien, wo bereits vorher ein Werbedepüt ge¬ gründet worden war, noch in Prag und Trieft Depbts eröffnet. Lcnnoriciörcs Ruf zog verschiedene der damals nach dem italienischen Feldzug entlassenen östreichischen und französischen Militärs an. Ferner stellten sich manche sei¬ ner ehemaligen Zuaven bei ihrem alten Scipio Afrikanus ein; dann traten von den kurz vorher ausgelösten neapolitanischen 4 Schweizerregimcntcrn viele Soldaten in den Dienst des Papstes. Endlich meldete sich auch eine nicht unbedeutende Schaar irischer Rekruten, denen später andere Trupps folgten. Der neue General vbel entwickelte eine Thätigkeit, wie sie bis jetzt im Kirchenstaat ungekannt war. Mit fast unumschränkter Vollmacht versehen, hatte er nur ein Wort zu sagen, so folgte auf dem Fuße die Ausführung, während bei den frühern eingerosteten Zuständen das kleinste Project Jahre zu seiner Verwirklichung bedürfte. — Sein erstes Werk war, die bereits be¬ stehenden Truppen zu inspiciren, und hierbei traf er sofort große Verände¬ rungen. Alte, unfähige Offiziere wurden ohne Weiters fortgeschafft, und an deren Stelle traten junge Leute, welche in seiner Gegenwart eine Art Dienst- examen prnctisch ablegen mußten. Er bestimmte, daß alle neu zu ernennen¬ den Offiziere aus dnir Unterofsiziersiande der Regimenter hervorgehen sollten, und verwarf das alte System als unmilitärisch und verächtlich. Da er die neu zu organisirende Armee der afrikanischen nachzubilden gesonnen war, be¬ fahl er, daß ohne Verzug die Czako's. Wafsenröcke und JMntcrieseitengcwehre abgegeben würden, so wie auch einige sonstige überflüssige Kleinigkeiten, welche die Tornister unnütz beschwerten; statt der Tuchhosen wurden für den Sommer leinene eingeführt, und die ganze Armee mit tragbaren Zelten versehen. Ancona. Viterbo und Perugia waren die eigentlichen Formations-Garni- sonen für die neu zu errichtenden Corps, und es entstanden neu: 5 Bataillone Bersaglieri, die wir deutsch: östreichische Jäger nennen wollen, 1 Bataillon Carabinieri oder Schwcizerjäger, 1 neues Bataillon einheimischer Jäger (Can-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/388>, abgerufen am 15.01.2025.