Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.Rücksicht genommen, und die intelligenteren, strebsameren Deutschen brachen Die Disciplin war äußerst locker. Obgleich jeder Corporal nach fran¬ Was also die päpstliche Armee vor General Lamoriciöre hätte leisten Als Pius der Neunte und seine Kardinäle die Nothwendigkeit einsahen, Rücksicht genommen, und die intelligenteren, strebsameren Deutschen brachen Die Disciplin war äußerst locker. Obgleich jeder Corporal nach fran¬ Was also die päpstliche Armee vor General Lamoriciöre hätte leisten Als Pius der Neunte und seine Kardinäle die Nothwendigkeit einsahen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0387" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110735"/> <p xml:id="ID_1158" prev="#ID_1157"> Rücksicht genommen, und die intelligenteren, strebsameren Deutschen brachen<lb/> sich höchstens zu solchen Plätzen Bahn, wo sie vermöge ihrer rasch erworbenen<lb/> Sprachkenntniß und ihrer sonstigen Fähigkeiten unentbehrlich waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1159"> Die Disciplin war äußerst locker. Obgleich jeder Corporal nach fran¬<lb/> zösischem Reglement das Recht hatte, den Gemeinen bei Dienstvergehen zu<lb/> bestrafen, der Sergeant seinerseits den Corporal u, s. w., so wurden diese<lb/> kleineren Disciplinarstrafen doch, da sie vollkommen willkürlich und oft an der<lb/> unrechten Stelle angewendet wurden, wenig beachtet. Das gewöhnlichste<lb/> Laster gewordener Heere, die Trunksucht, herrschte hier in Italien bei billigem<lb/> Weine und gutem Solde ganz besonders. Trunk an und sür sich wurde nicht<lb/> bestraft, wenn derselbe nicht Anlaß zu andern Vergehen gab. Das provi¬<lb/> sorische Militär-Gesetzbuch, welches im Jahre 1852 von einer Commission<lb/> Päpstlicher Offiziere ausgearbeitet wurde, hat bis zu Ende bestanden und ist<lb/> nie durch ein besseres, auf das Recht vasirtes, ersetzt worden. Man sprach<lb/> darin nur von Tod und Galeere; der erstere kam nie zur Ausführung, und<lb/> die letztere, welche oft auf menschenrechtschänderische Weise an jungen Men¬<lb/> schen einer Uebereilung wegen angewendet wurde, verfehlte ihren Zweck;<lb/> denn ein Bagno war wie im Neapolitanischen so auch im Römischen niemals<lb/> ein Vesserungshaus, sondern eine Berkümmcrungsanstalt für Leib und Seele.</p><lb/> <p xml:id="ID_1160"> Was also die päpstliche Armee vor General Lamoriciöre hätte leisten<lb/> können,, in wie weit sie ihrem Zwecke entsprochen hätte, falls die italienische<lb/> Bewegung ein Jahr früher sie erreicht hätte, ist aus dem Gesagten sür den<lb/> Leser leicht ersichtlich.</p><lb/> <p xml:id="ID_1161" next="#ID_1162"> Als Pius der Neunte und seine Kardinäle die Nothwendigkeit einsahen,<lb/> der um sich greifenden italienischen Einheitspartei gegenüber sich besser zu rü¬<lb/> sten, als bisher, fehlten dazu die beiden wichtigsten Erfordernisse, erstens das<lb/> Geld und zweitens ein Mann, der gleich Wallenstein im Stande gewesen<lb/> wäre, im Nu ein Heer zu schaffen und zu organisiren. Für Geld sorgte die<lb/> katholische Christenheit, welche aus Deutschland, Irland, Spanien und Frank¬<lb/> reich nicht unbeträchtliche Summen nach Rom spendete. Den Feldherrn schaffte<lb/> der damalige Pro-Minister des Krieges, de Merode, welcher in der Person<lb/> seines früheren Freundes und Kampfgenossen, des in Belgien lebenden ehe¬<lb/> maligen französischen, Generals I. de Lamoriciöre ganz den Mann gefunden<lb/> hatte, welcher jener schwierigen Aufgabe gewachsen schien. Er führte ihn,<lb/> nachdem es den vereinten Bitten des Freundes und des Papstes gelungen,<lb/> ihn für den Plan zu gewinnen, aus Belgien, wo der General bisher im<lb/> Schooß seiner Familie gelebt, wie im Triumphe nach Rom. — General La-<lb/> moriciöre, ein kleiner, untersetzter Mann von einigen fünfzig Jahren, mit einem<lb/> Ziemlich martialischen Gesicht, aus welchem aber trotz des französischen Knebel¬<lb/> bartes mehr Güte als Strenge spricht, trat in allen Dingen kurz und ent-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0387]
Rücksicht genommen, und die intelligenteren, strebsameren Deutschen brachen
sich höchstens zu solchen Plätzen Bahn, wo sie vermöge ihrer rasch erworbenen
Sprachkenntniß und ihrer sonstigen Fähigkeiten unentbehrlich waren.
Die Disciplin war äußerst locker. Obgleich jeder Corporal nach fran¬
zösischem Reglement das Recht hatte, den Gemeinen bei Dienstvergehen zu
bestrafen, der Sergeant seinerseits den Corporal u, s. w., so wurden diese
kleineren Disciplinarstrafen doch, da sie vollkommen willkürlich und oft an der
unrechten Stelle angewendet wurden, wenig beachtet. Das gewöhnlichste
Laster gewordener Heere, die Trunksucht, herrschte hier in Italien bei billigem
Weine und gutem Solde ganz besonders. Trunk an und sür sich wurde nicht
bestraft, wenn derselbe nicht Anlaß zu andern Vergehen gab. Das provi¬
sorische Militär-Gesetzbuch, welches im Jahre 1852 von einer Commission
Päpstlicher Offiziere ausgearbeitet wurde, hat bis zu Ende bestanden und ist
nie durch ein besseres, auf das Recht vasirtes, ersetzt worden. Man sprach
darin nur von Tod und Galeere; der erstere kam nie zur Ausführung, und
die letztere, welche oft auf menschenrechtschänderische Weise an jungen Men¬
schen einer Uebereilung wegen angewendet wurde, verfehlte ihren Zweck;
denn ein Bagno war wie im Neapolitanischen so auch im Römischen niemals
ein Vesserungshaus, sondern eine Berkümmcrungsanstalt für Leib und Seele.
Was also die päpstliche Armee vor General Lamoriciöre hätte leisten
können,, in wie weit sie ihrem Zwecke entsprochen hätte, falls die italienische
Bewegung ein Jahr früher sie erreicht hätte, ist aus dem Gesagten sür den
Leser leicht ersichtlich.
Als Pius der Neunte und seine Kardinäle die Nothwendigkeit einsahen,
der um sich greifenden italienischen Einheitspartei gegenüber sich besser zu rü¬
sten, als bisher, fehlten dazu die beiden wichtigsten Erfordernisse, erstens das
Geld und zweitens ein Mann, der gleich Wallenstein im Stande gewesen
wäre, im Nu ein Heer zu schaffen und zu organisiren. Für Geld sorgte die
katholische Christenheit, welche aus Deutschland, Irland, Spanien und Frank¬
reich nicht unbeträchtliche Summen nach Rom spendete. Den Feldherrn schaffte
der damalige Pro-Minister des Krieges, de Merode, welcher in der Person
seines früheren Freundes und Kampfgenossen, des in Belgien lebenden ehe¬
maligen französischen, Generals I. de Lamoriciöre ganz den Mann gefunden
hatte, welcher jener schwierigen Aufgabe gewachsen schien. Er führte ihn,
nachdem es den vereinten Bitten des Freundes und des Papstes gelungen,
ihn für den Plan zu gewinnen, aus Belgien, wo der General bisher im
Schooß seiner Familie gelebt, wie im Triumphe nach Rom. — General La-
moriciöre, ein kleiner, untersetzter Mann von einigen fünfzig Jahren, mit einem
Ziemlich martialischen Gesicht, aus welchem aber trotz des französischen Knebel¬
bartes mehr Güte als Strenge spricht, trat in allen Dingen kurz und ent-
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