Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gänzlich zu vermissen ist, indem es auch in dieser Kammer unumgänglich
nöthig scheint, dem größer" sowie dem minder großen ländlichen Besitzstand
eine gewisse verhältnismäßige Anzahl von Stellen zuzugestehn. damit jede Art
dieses Grundbesitzes ihre gehörige Vertretung finde und dem Grundbesitze nicht
der Vortheil und das Gewicht der Intelligenz entzogen werde, e. daß es end¬
lich rathsam und nothwendig erscheine, für die ländlichen Abgeordneten der
II Kammer, besonders für die Vertreter des kleinen Grundbesitzes diejenige Be¬
dingung der Wählbarkeit beizubehalten, welche §95 des Wahlgesetzes von 1831
aufstellt (ein jährliches Steuerquantum von mindestens 30 Thlrn, . . und Be¬
treibung des landwirtschaftlichen Gewerbes oder eines Fabrikgeschäftes auf dem
^ante als Hauptgewerbe). So sehr war also in dieser Kammer die Erinnerung an
ihre Worte und Handlungen im Jahre 1848 geschwunden, so wenig scheute
man sich, ihre damalige einstimmige Meinung über die Nothwendigkeit einer
Reform des Wahlgesetzes unter Aufhebung der Vorrechte bevorzugter Klassen
entweder als Faselei des Irrthums oder als Heuchelei darzustellen. Der An¬
trag der Deputation wurde natürlich angenommen, gegen zehn Stimmen. --

Der Deputationsbericht der II Kammer empfahl ein Eingehen auf den VII
Abschnitt des Entwurfs. Er schlug jedoch, um den Charaker einer landständischen
Verfassung zu wahren, die Beibehaltung der Ausdrücke: "Unterthanen und
Ständeversammlung" vor. Ferner kehrte er zum reinen Zweikammersystem in Be¬
zug auf das Vereinigungsverfahren zwischen beiden Kammern zurück. Er adop-
tirte die Trennung der Wahlbezirke für die II Kammer nach Stadt und Land, ohne
besondere Ausscheidung der Rittergüter. Von den zwölf vom Könige Ernannten
sollen sechs mit Grundstücken angesessen sein, aus denen mindestens 5000 Steuer¬
einheiten haften. Bei der Stimmberechtigung machte die Deputation die Aende¬
rung, daß auch der Besitz eines mit Wohnung versehenen Grundstückes die¬
selbe verschaffen solle; ferner: wählbar als Wahlmann innerhalb der Wahl¬
abtheilung, worin er seinen wesentlichen Wohnsitz hat, ist jeder stimmberech¬
tigte, dafern er a.. 30 Jahre alt, b. . . . auf dem platten Lande mindestens
10 Thlr., in großen Städten mindestens 12 Thlr. in mittlen mindestens 8
Thlr. und in kleinen mindestens 5 Thlr. jährlich an ordentlichen directen
Stnatsabgaben gibt. Zur Wahl eines Abgeordneten sür die zweite Kammer
aus einem ständischen Wahlbezirk befähigen die K 8 namhaft gemachten
Eigenschaften.dz, Auf dem Lande ist eine Steuer von 30 Thlr. erforderlich. Für
Stadt und Land wird dabei der wesentliche Wohnsitz innerhalb des Landes
erfordert. Diese Deputationsantrüge wurden sämmtlich, angenommen, allein
bei der Abstimmung über den ganzen Gesetzentwurf erhielt derselbe eben nicht
die nöthige Zweidrittelmajorität, und war deshalb abgelehnt.

So war denn der Stein von Neuem zurückgerollt, und noch harrt er der
Hände, die ihn abermals, und hoffentlich nicht abermals vergeblich, in Be-


43*

gänzlich zu vermissen ist, indem es auch in dieser Kammer unumgänglich
nöthig scheint, dem größer« sowie dem minder großen ländlichen Besitzstand
eine gewisse verhältnismäßige Anzahl von Stellen zuzugestehn. damit jede Art
dieses Grundbesitzes ihre gehörige Vertretung finde und dem Grundbesitze nicht
der Vortheil und das Gewicht der Intelligenz entzogen werde, e. daß es end¬
lich rathsam und nothwendig erscheine, für die ländlichen Abgeordneten der
II Kammer, besonders für die Vertreter des kleinen Grundbesitzes diejenige Be¬
dingung der Wählbarkeit beizubehalten, welche §95 des Wahlgesetzes von 1831
aufstellt (ein jährliches Steuerquantum von mindestens 30 Thlrn, . . und Be¬
treibung des landwirtschaftlichen Gewerbes oder eines Fabrikgeschäftes auf dem
^ante als Hauptgewerbe). So sehr war also in dieser Kammer die Erinnerung an
ihre Worte und Handlungen im Jahre 1848 geschwunden, so wenig scheute
man sich, ihre damalige einstimmige Meinung über die Nothwendigkeit einer
Reform des Wahlgesetzes unter Aufhebung der Vorrechte bevorzugter Klassen
entweder als Faselei des Irrthums oder als Heuchelei darzustellen. Der An¬
trag der Deputation wurde natürlich angenommen, gegen zehn Stimmen. —

Der Deputationsbericht der II Kammer empfahl ein Eingehen auf den VII
Abschnitt des Entwurfs. Er schlug jedoch, um den Charaker einer landständischen
Verfassung zu wahren, die Beibehaltung der Ausdrücke: „Unterthanen und
Ständeversammlung" vor. Ferner kehrte er zum reinen Zweikammersystem in Be¬
zug auf das Vereinigungsverfahren zwischen beiden Kammern zurück. Er adop-
tirte die Trennung der Wahlbezirke für die II Kammer nach Stadt und Land, ohne
besondere Ausscheidung der Rittergüter. Von den zwölf vom Könige Ernannten
sollen sechs mit Grundstücken angesessen sein, aus denen mindestens 5000 Steuer¬
einheiten haften. Bei der Stimmberechtigung machte die Deputation die Aende¬
rung, daß auch der Besitz eines mit Wohnung versehenen Grundstückes die¬
selbe verschaffen solle; ferner: wählbar als Wahlmann innerhalb der Wahl¬
abtheilung, worin er seinen wesentlichen Wohnsitz hat, ist jeder stimmberech¬
tigte, dafern er a.. 30 Jahre alt, b. . . . auf dem platten Lande mindestens
10 Thlr., in großen Städten mindestens 12 Thlr. in mittlen mindestens 8
Thlr. und in kleinen mindestens 5 Thlr. jährlich an ordentlichen directen
Stnatsabgaben gibt. Zur Wahl eines Abgeordneten sür die zweite Kammer
aus einem ständischen Wahlbezirk befähigen die K 8 namhaft gemachten
Eigenschaften.dz, Auf dem Lande ist eine Steuer von 30 Thlr. erforderlich. Für
Stadt und Land wird dabei der wesentliche Wohnsitz innerhalb des Landes
erfordert. Diese Deputationsantrüge wurden sämmtlich, angenommen, allein
bei der Abstimmung über den ganzen Gesetzentwurf erhielt derselbe eben nicht
die nöthige Zweidrittelmajorität, und war deshalb abgelehnt.

So war denn der Stein von Neuem zurückgerollt, und noch harrt er der
Hände, die ihn abermals, und hoffentlich nicht abermals vergeblich, in Be-


43*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0351" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110699"/>
          <p xml:id="ID_1028" prev="#ID_1027"> gänzlich zu vermissen ist, indem es auch in dieser Kammer unumgänglich<lb/>
nöthig scheint, dem größer« sowie dem minder großen ländlichen Besitzstand<lb/>
eine gewisse verhältnismäßige Anzahl von Stellen zuzugestehn. damit jede Art<lb/>
dieses Grundbesitzes ihre gehörige Vertretung finde und dem Grundbesitze nicht<lb/>
der Vortheil und das Gewicht der Intelligenz entzogen werde, e. daß es end¬<lb/>
lich rathsam und nothwendig erscheine, für die ländlichen Abgeordneten der<lb/>
II Kammer, besonders für die Vertreter des kleinen Grundbesitzes diejenige Be¬<lb/>
dingung der Wählbarkeit beizubehalten, welche §95 des Wahlgesetzes von 1831<lb/>
aufstellt (ein jährliches Steuerquantum von mindestens 30 Thlrn, . . und Be¬<lb/>
treibung des landwirtschaftlichen Gewerbes oder eines Fabrikgeschäftes auf dem<lb/>
^ante als Hauptgewerbe). So sehr war also in dieser Kammer die Erinnerung an<lb/>
ihre Worte und Handlungen im Jahre 1848 geschwunden, so wenig scheute<lb/>
man sich, ihre damalige einstimmige Meinung über die Nothwendigkeit einer<lb/>
Reform des Wahlgesetzes unter Aufhebung der Vorrechte bevorzugter Klassen<lb/>
entweder als Faselei des Irrthums oder als Heuchelei darzustellen. Der An¬<lb/>
trag der Deputation wurde natürlich angenommen, gegen zehn Stimmen. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1029"> Der Deputationsbericht der II Kammer empfahl ein Eingehen auf den VII<lb/>
Abschnitt des Entwurfs. Er schlug jedoch, um den Charaker einer landständischen<lb/>
Verfassung zu wahren, die Beibehaltung der Ausdrücke: &#x201E;Unterthanen und<lb/>
Ständeversammlung" vor. Ferner kehrte er zum reinen Zweikammersystem in Be¬<lb/>
zug auf das Vereinigungsverfahren zwischen beiden Kammern zurück. Er adop-<lb/>
tirte die Trennung der Wahlbezirke für die II Kammer nach Stadt und Land, ohne<lb/>
besondere Ausscheidung der Rittergüter. Von den zwölf vom Könige Ernannten<lb/>
sollen sechs mit Grundstücken angesessen sein, aus denen mindestens 5000 Steuer¬<lb/>
einheiten haften. Bei der Stimmberechtigung machte die Deputation die Aende¬<lb/>
rung, daß auch der Besitz eines mit Wohnung versehenen Grundstückes die¬<lb/>
selbe verschaffen solle; ferner: wählbar als Wahlmann innerhalb der Wahl¬<lb/>
abtheilung, worin er seinen wesentlichen Wohnsitz hat, ist jeder stimmberech¬<lb/>
tigte, dafern er a.. 30 Jahre alt, b. . . . auf dem platten Lande mindestens<lb/>
10 Thlr., in großen Städten mindestens 12 Thlr. in mittlen mindestens 8<lb/>
Thlr. und in kleinen mindestens 5 Thlr. jährlich an ordentlichen directen<lb/>
Stnatsabgaben gibt. Zur Wahl eines Abgeordneten sür die zweite Kammer<lb/>
aus einem ständischen Wahlbezirk befähigen die K 8 namhaft gemachten<lb/>
Eigenschaften.dz, Auf dem Lande ist eine Steuer von 30 Thlr. erforderlich. Für<lb/>
Stadt und Land wird dabei der wesentliche Wohnsitz innerhalb des Landes<lb/>
erfordert. Diese Deputationsantrüge wurden sämmtlich, angenommen, allein<lb/>
bei der Abstimmung über den ganzen Gesetzentwurf erhielt derselbe eben nicht<lb/>
die nöthige Zweidrittelmajorität, und war deshalb abgelehnt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1030" next="#ID_1031"> So war denn der Stein von Neuem zurückgerollt, und noch harrt er der<lb/>
Hände, die ihn abermals, und hoffentlich nicht abermals vergeblich, in Be-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 43*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0351] gänzlich zu vermissen ist, indem es auch in dieser Kammer unumgänglich nöthig scheint, dem größer« sowie dem minder großen ländlichen Besitzstand eine gewisse verhältnismäßige Anzahl von Stellen zuzugestehn. damit jede Art dieses Grundbesitzes ihre gehörige Vertretung finde und dem Grundbesitze nicht der Vortheil und das Gewicht der Intelligenz entzogen werde, e. daß es end¬ lich rathsam und nothwendig erscheine, für die ländlichen Abgeordneten der II Kammer, besonders für die Vertreter des kleinen Grundbesitzes diejenige Be¬ dingung der Wählbarkeit beizubehalten, welche §95 des Wahlgesetzes von 1831 aufstellt (ein jährliches Steuerquantum von mindestens 30 Thlrn, . . und Be¬ treibung des landwirtschaftlichen Gewerbes oder eines Fabrikgeschäftes auf dem ^ante als Hauptgewerbe). So sehr war also in dieser Kammer die Erinnerung an ihre Worte und Handlungen im Jahre 1848 geschwunden, so wenig scheute man sich, ihre damalige einstimmige Meinung über die Nothwendigkeit einer Reform des Wahlgesetzes unter Aufhebung der Vorrechte bevorzugter Klassen entweder als Faselei des Irrthums oder als Heuchelei darzustellen. Der An¬ trag der Deputation wurde natürlich angenommen, gegen zehn Stimmen. — Der Deputationsbericht der II Kammer empfahl ein Eingehen auf den VII Abschnitt des Entwurfs. Er schlug jedoch, um den Charaker einer landständischen Verfassung zu wahren, die Beibehaltung der Ausdrücke: „Unterthanen und Ständeversammlung" vor. Ferner kehrte er zum reinen Zweikammersystem in Be¬ zug auf das Vereinigungsverfahren zwischen beiden Kammern zurück. Er adop- tirte die Trennung der Wahlbezirke für die II Kammer nach Stadt und Land, ohne besondere Ausscheidung der Rittergüter. Von den zwölf vom Könige Ernannten sollen sechs mit Grundstücken angesessen sein, aus denen mindestens 5000 Steuer¬ einheiten haften. Bei der Stimmberechtigung machte die Deputation die Aende¬ rung, daß auch der Besitz eines mit Wohnung versehenen Grundstückes die¬ selbe verschaffen solle; ferner: wählbar als Wahlmann innerhalb der Wahl¬ abtheilung, worin er seinen wesentlichen Wohnsitz hat, ist jeder stimmberech¬ tigte, dafern er a.. 30 Jahre alt, b. . . . auf dem platten Lande mindestens 10 Thlr., in großen Städten mindestens 12 Thlr. in mittlen mindestens 8 Thlr. und in kleinen mindestens 5 Thlr. jährlich an ordentlichen directen Stnatsabgaben gibt. Zur Wahl eines Abgeordneten sür die zweite Kammer aus einem ständischen Wahlbezirk befähigen die K 8 namhaft gemachten Eigenschaften.dz, Auf dem Lande ist eine Steuer von 30 Thlr. erforderlich. Für Stadt und Land wird dabei der wesentliche Wohnsitz innerhalb des Landes erfordert. Diese Deputationsantrüge wurden sämmtlich, angenommen, allein bei der Abstimmung über den ganzen Gesetzentwurf erhielt derselbe eben nicht die nöthige Zweidrittelmajorität, und war deshalb abgelehnt. So war denn der Stein von Neuem zurückgerollt, und noch harrt er der Hände, die ihn abermals, und hoffentlich nicht abermals vergeblich, in Be- 43*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/351
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/351>, abgerufen am 15.01.2025.