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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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ist, eine Rolle zu spielen, so sei es gestattet, die Hauptabweichungen von der
Verfassungsurkunde von 1831 und die Hauptsähe überhaupt herauszuheben:

Zwei Kammern. In der I die volljährigen Prinzen facultativ; fünfzehn
große Grundbesitzer gewählt, zwölf andere Mitglieder vom Könige ernannt. In
der II Kammer dreißig Abgeordnete der Städte, 45 des Landes. Bei der
I directe, bei der II indirecte Wahlen. stimmberechtigt bei den Urwähler
zur II Kammer alle männlichen 25 Jahre alten Staatsangehörigen an dem
Orte, wo ihr wesentlicher Wohnsitz ist, dafern sie sich seit mindestens drei Jah¬
ren im Königreich Sachsen wesentlich aufhalten, mindestens 2'/-Thlr. an or¬
dentlichen directen Steuern jährlich entrichten, und ihnen nicht einer der durch
das Wahlgesetz bestimmten Ausschließungsgründe entgegensteht. Wählbar als
Wahlmann innerhalb der Wahlabtheilung und als Abgeordneter der II Kam¬
mer innerhalb des Bezirks, worin er seinen wesentlichen Wohnsitz hat, ist jeder
stimmberechtigte, dafern er das 30 Lebensjahr überschritten hat. nicht in aus¬
ländischen activen Diensten steht, und mindestens 10 Thlr. jährlich an ordent¬
lichen directen Steuern zahlt. stimmberechtigt bei den Wahlen zur I Kam¬
mern sind alle (siehe oben) Stimmberechtigten, welche im Königreich Sachsen
einen mit mindestens 1500 Steuereinheiten belasteten ländlichen Besitz haben.
Wählbar als Mitglied der I Kammer sind alle sächsischen Staatsangehörigen,
welche irgendwo im Königreich Sachsen sür die I Kammer stimmberechtigt sind,
dafern sie das 30. Lebensjahr überschritten haben, nicht in ausländischen activen
Diensten stehen, und im Königr. Sachsen einen mit mindestens 3000 Steuer¬
einheiten belasteten ländlichen Grundbesitz haben. Von den Abgeordneten schei¬
det nach jedem ordentlichen Landtage ein Drittheil aus. Freiwilliges Aus¬
scheiden ist den Mitgliedern der II Kammer nur wegen Krankheit oder häuslichen
und Familienverhältnissen und mit Genehmigung der Kammer erlaubt.

Dieser Entwurf enthielt unter den gegebenen Verhältnissen viel Beachtens-
und Anerkennenswerthes, aber grübe darum nahm ihn die Partei der Sachsen¬
zeitung, welche ja lieber für eine Zeitlang absolute Gewalt gesehen hätte, nicht
an. Die Deputation der I Kammer beantragte in ihrem Berichte: zur Zeit
eine vollständige Revision der Verfassungsurkunde in ihrem VII und VIII Ab¬
schnitte abzulehnen. Dieser Antrag stützte sich auf folgende Motive: a. daß in
der I Kammer der Grundbesitz überhaupt zu wenig vertreten ist (!) b. daß das
Maß, nach welchem man den Census des Grundbesitzes in der I Kammer be¬
messen hat, zu gering ist und daher namentlich der große Grundbesitz in die¬
ser Kammer zu wenig Berücksichtigung gefunden hat, e. daß es. so wie es dieser
Kammer überhaupt an der ihr so nothwendigen Unabhängigkeit fehlt, sehr
bedenklich ist, dem Könige eine so unbedingt freie Wahl und in einer so großen
Anzahl von Stellen zuzugestehn. (das war also der Dank sür "die Junithaten")
ä. daß auch in der II Kammer eine Sicherung für den größern Grundbesitz


ist, eine Rolle zu spielen, so sei es gestattet, die Hauptabweichungen von der
Verfassungsurkunde von 1831 und die Hauptsähe überhaupt herauszuheben:

Zwei Kammern. In der I die volljährigen Prinzen facultativ; fünfzehn
große Grundbesitzer gewählt, zwölf andere Mitglieder vom Könige ernannt. In
der II Kammer dreißig Abgeordnete der Städte, 45 des Landes. Bei der
I directe, bei der II indirecte Wahlen. stimmberechtigt bei den Urwähler
zur II Kammer alle männlichen 25 Jahre alten Staatsangehörigen an dem
Orte, wo ihr wesentlicher Wohnsitz ist, dafern sie sich seit mindestens drei Jah¬
ren im Königreich Sachsen wesentlich aufhalten, mindestens 2'/-Thlr. an or¬
dentlichen directen Steuern jährlich entrichten, und ihnen nicht einer der durch
das Wahlgesetz bestimmten Ausschließungsgründe entgegensteht. Wählbar als
Wahlmann innerhalb der Wahlabtheilung und als Abgeordneter der II Kam¬
mer innerhalb des Bezirks, worin er seinen wesentlichen Wohnsitz hat, ist jeder
stimmberechtigte, dafern er das 30 Lebensjahr überschritten hat. nicht in aus¬
ländischen activen Diensten steht, und mindestens 10 Thlr. jährlich an ordent¬
lichen directen Steuern zahlt. stimmberechtigt bei den Wahlen zur I Kam¬
mern sind alle (siehe oben) Stimmberechtigten, welche im Königreich Sachsen
einen mit mindestens 1500 Steuereinheiten belasteten ländlichen Besitz haben.
Wählbar als Mitglied der I Kammer sind alle sächsischen Staatsangehörigen,
welche irgendwo im Königreich Sachsen sür die I Kammer stimmberechtigt sind,
dafern sie das 30. Lebensjahr überschritten haben, nicht in ausländischen activen
Diensten stehen, und im Königr. Sachsen einen mit mindestens 3000 Steuer¬
einheiten belasteten ländlichen Grundbesitz haben. Von den Abgeordneten schei¬
det nach jedem ordentlichen Landtage ein Drittheil aus. Freiwilliges Aus¬
scheiden ist den Mitgliedern der II Kammer nur wegen Krankheit oder häuslichen
und Familienverhältnissen und mit Genehmigung der Kammer erlaubt.

Dieser Entwurf enthielt unter den gegebenen Verhältnissen viel Beachtens-
und Anerkennenswerthes, aber grübe darum nahm ihn die Partei der Sachsen¬
zeitung, welche ja lieber für eine Zeitlang absolute Gewalt gesehen hätte, nicht
an. Die Deputation der I Kammer beantragte in ihrem Berichte: zur Zeit
eine vollständige Revision der Verfassungsurkunde in ihrem VII und VIII Ab¬
schnitte abzulehnen. Dieser Antrag stützte sich auf folgende Motive: a. daß in
der I Kammer der Grundbesitz überhaupt zu wenig vertreten ist (!) b. daß das
Maß, nach welchem man den Census des Grundbesitzes in der I Kammer be¬
messen hat, zu gering ist und daher namentlich der große Grundbesitz in die¬
ser Kammer zu wenig Berücksichtigung gefunden hat, e. daß es. so wie es dieser
Kammer überhaupt an der ihr so nothwendigen Unabhängigkeit fehlt, sehr
bedenklich ist, dem Könige eine so unbedingt freie Wahl und in einer so großen
Anzahl von Stellen zuzugestehn. (das war also der Dank sür „die Junithaten")
ä. daß auch in der II Kammer eine Sicherung für den größern Grundbesitz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/350>, abgerufen am 15.01.2025.