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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Nun das Letztere dachten allerdings viele Ehrenmänner, wenn auch aus
andern Gründen, und, wie man sich mit den rennenden College" abfinden solle,
das störte die idyllische Ruhe des Glaserklingens allerdings, und die Deputationen
mühten sich in der That "vergeblich den ersehnten Trichter zu finden." Man hatte
gegen die Nichtersehicnenen ein Einberufungsvcrsahren nach § l8 des Wahlgesetzes
eingeleitet und fortgesetzt; die Nichtcrschienenen sollten laut Kaimnerbeschlnsses
dreimal zum Eintritte aufgefordert werden und ihnen, im Fall auch ferner
fortgesetzter Weigerung die Wählbarkeit zum Landtage entzogen werden. In
der Sitzung vom 16. October. nachdem noch kurze Zeit zuvor zwei Demokra¬
ten in die Kammer eingetreten waren, schlug das Directorium einfach vor:
"die Stellen der Nichterschicnenen für erledigt zu erklären und soweit dies nicht
bereits geschehen, die Stellvertreter dieser Abgeordneten einzuberufen, zugleich
aber in denjenigen Füllen, wo ein Stellvertreter nicht mehr einzuberufen ist,
bei der Regierung eine Neuwahl für den betreffenden Bezirk anzuordnen."
Auf die Frage des Abgeordneten Habcrkorn:> ob das Präjudiz der Entziehung
der Wählbarkeit durch diesen Antrag von selbst in Wegfall kommen solle?
antwortete der Präsident Haase, daß das Directorium nach reiflicher Ueber-
legung gefunden have, wie § 18 des Wahlgesetzes nur auf die passe, welche
gewählt wurden und nicht in die Kammer eintreten wollten; die bisherige
analoge Anwendung des Paragraphen auf Abgeordnete, die bereits in der
Kammer thätig waren, könne man nicht bis zu einer analogen Anwendung der
Strafbestimmungen steigern. Die Kammer trat dem Vorschlage des Directo-
riums bei. Allein die Schatten der Ausgeschiedenen ließen viele Mitglieder
der zweiten Kammer nicht ruhig schlafen. Schon in der Sitzung vom 23.
October beantragte der Abgeordnete Rittner. es möge die erste Deputation
der Kammer darüber Bericht erstatten, ob für den Fall des Nichteintritts der
dreimal Geladenen die Wählbarkeit derselben ixi-v Mre als erloschen zu be¬
trachten, sei, oder ob es hierüber einer besondern Erklärung der Kammer be¬
dürfe. Das Präsidium erklärte: das Directorium habe in seiner am 16. Oc¬
tober ausgesprochenen Auffassung nicht gemeint, daß das Präjudiz des Ber-
lustes der Wählbarkeit überhaupt nicht eintreten solle. Es meine allerdings


Nun das Letztere dachten allerdings viele Ehrenmänner, wenn auch aus
andern Gründen, und, wie man sich mit den rennenden College» abfinden solle,
das störte die idyllische Ruhe des Glaserklingens allerdings, und die Deputationen
mühten sich in der That „vergeblich den ersehnten Trichter zu finden." Man hatte
gegen die Nichtersehicnenen ein Einberufungsvcrsahren nach § l8 des Wahlgesetzes
eingeleitet und fortgesetzt; die Nichtcrschienenen sollten laut Kaimnerbeschlnsses
dreimal zum Eintritte aufgefordert werden und ihnen, im Fall auch ferner
fortgesetzter Weigerung die Wählbarkeit zum Landtage entzogen werden. In
der Sitzung vom 16. October. nachdem noch kurze Zeit zuvor zwei Demokra¬
ten in die Kammer eingetreten waren, schlug das Directorium einfach vor:
„die Stellen der Nichterschicnenen für erledigt zu erklären und soweit dies nicht
bereits geschehen, die Stellvertreter dieser Abgeordneten einzuberufen, zugleich
aber in denjenigen Füllen, wo ein Stellvertreter nicht mehr einzuberufen ist,
bei der Regierung eine Neuwahl für den betreffenden Bezirk anzuordnen."
Auf die Frage des Abgeordneten Habcrkorn:> ob das Präjudiz der Entziehung
der Wählbarkeit durch diesen Antrag von selbst in Wegfall kommen solle?
antwortete der Präsident Haase, daß das Directorium nach reiflicher Ueber-
legung gefunden have, wie § 18 des Wahlgesetzes nur auf die passe, welche
gewählt wurden und nicht in die Kammer eintreten wollten; die bisherige
analoge Anwendung des Paragraphen auf Abgeordnete, die bereits in der
Kammer thätig waren, könne man nicht bis zu einer analogen Anwendung der
Strafbestimmungen steigern. Die Kammer trat dem Vorschlage des Directo-
riums bei. Allein die Schatten der Ausgeschiedenen ließen viele Mitglieder
der zweiten Kammer nicht ruhig schlafen. Schon in der Sitzung vom 23.
October beantragte der Abgeordnete Rittner. es möge die erste Deputation
der Kammer darüber Bericht erstatten, ob für den Fall des Nichteintritts der
dreimal Geladenen die Wählbarkeit derselben ixi-v Mre als erloschen zu be¬
trachten, sei, oder ob es hierüber einer besondern Erklärung der Kammer be¬
dürfe. Das Präsidium erklärte: das Directorium habe in seiner am 16. Oc¬
tober ausgesprochenen Auffassung nicht gemeint, daß das Präjudiz des Ber-
lustes der Wählbarkeit überhaupt nicht eintreten solle. Es meine allerdings


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[0348] Nun das Letztere dachten allerdings viele Ehrenmänner, wenn auch aus andern Gründen, und, wie man sich mit den rennenden College» abfinden solle, das störte die idyllische Ruhe des Glaserklingens allerdings, und die Deputationen mühten sich in der That „vergeblich den ersehnten Trichter zu finden." Man hatte gegen die Nichtersehicnenen ein Einberufungsvcrsahren nach § l8 des Wahlgesetzes eingeleitet und fortgesetzt; die Nichtcrschienenen sollten laut Kaimnerbeschlnsses dreimal zum Eintritte aufgefordert werden und ihnen, im Fall auch ferner fortgesetzter Weigerung die Wählbarkeit zum Landtage entzogen werden. In der Sitzung vom 16. October. nachdem noch kurze Zeit zuvor zwei Demokra¬ ten in die Kammer eingetreten waren, schlug das Directorium einfach vor: „die Stellen der Nichterschicnenen für erledigt zu erklären und soweit dies nicht bereits geschehen, die Stellvertreter dieser Abgeordneten einzuberufen, zugleich aber in denjenigen Füllen, wo ein Stellvertreter nicht mehr einzuberufen ist, bei der Regierung eine Neuwahl für den betreffenden Bezirk anzuordnen." Auf die Frage des Abgeordneten Habcrkorn:> ob das Präjudiz der Entziehung der Wählbarkeit durch diesen Antrag von selbst in Wegfall kommen solle? antwortete der Präsident Haase, daß das Directorium nach reiflicher Ueber- legung gefunden have, wie § 18 des Wahlgesetzes nur auf die passe, welche gewählt wurden und nicht in die Kammer eintreten wollten; die bisherige analoge Anwendung des Paragraphen auf Abgeordnete, die bereits in der Kammer thätig waren, könne man nicht bis zu einer analogen Anwendung der Strafbestimmungen steigern. Die Kammer trat dem Vorschlage des Directo- riums bei. Allein die Schatten der Ausgeschiedenen ließen viele Mitglieder der zweiten Kammer nicht ruhig schlafen. Schon in der Sitzung vom 23. October beantragte der Abgeordnete Rittner. es möge die erste Deputation der Kammer darüber Bericht erstatten, ob für den Fall des Nichteintritts der dreimal Geladenen die Wählbarkeit derselben ixi-v Mre als erloschen zu be¬ trachten, sei, oder ob es hierüber einer besondern Erklärung der Kammer be¬ dürfe. Das Präsidium erklärte: das Directorium habe in seiner am 16. Oc¬ tober ausgesprochenen Auffassung nicht gemeint, daß das Präjudiz des Ber- lustes der Wählbarkeit überhaupt nicht eintreten solle. Es meine allerdings

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/348>, abgerufen am 15.01.2025.