Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.Es ist nicht nur für die Beurtheilung des damaligen Rechtszustandes, Die am 21. Mai 1848 zusammentretender Stande waren hauptsachlich Der Entwurf eines Wahlgesetzes, den die Regierung den Ständen vor¬ Es ist nicht nur für die Beurtheilung des damaligen Rechtszustandes, Die am 21. Mai 1848 zusammentretender Stande waren hauptsachlich Der Entwurf eines Wahlgesetzes, den die Regierung den Ständen vor¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0338" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110686"/> <p xml:id="ID_1002"> Es ist nicht nur für die Beurtheilung des damaligen Rechtszustandes,<lb/> sondern auch für die Orientirung in den vcrschiedenseitigen Wünschen und<lb/> Bestrebungen interessant, Borgängen, die sich an jene Agitation anknüpfen,<lb/> etwas naher zu folgen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1003"> Die am 21. Mai 1848 zusammentretender Stande waren hauptsachlich<lb/> zur Abänderung des Wahlgesetzes und der damit in Verbindung stehenden<lb/> Paragraphen der Verfassung zusammenberufen, und sie erklärten sich in ihren<lb/> Adressen an den König bereit, hieraus einzugehen. Namentlich sagte die erste<lb/> .Kammer in §. 12 ihrer Adresse: „Nicht minder werden wir bei der Berathung<lb/> eines neuen Wahlgesetzes bethätigen, daß die erste Kammer bereit ist. fern<lb/> von allen Standes- oder Sonderintercssen der Rittergüter, lediglich das wahre<lb/> Wohl der Gesammtheit des Volkes sich hierbei zum Zielpunkte dienen zu las¬<lb/> sen, getragen von der Idee, daß die Vorrechte der zeither bevorzugten Klas¬<lb/> sen fallen müssen, und nur durch Kräftigung des sittlichen Elements in allen<lb/> Schichten der Bevölkerung die Nationen der wahren Freiheit entgegengeführt<lb/> werden können."</p><lb/> <p xml:id="ID_1004" next="#ID_1005"> Der Entwurf eines Wahlgesetzes, den die Regierung den Ständen vor¬<lb/> legte, hatte zunächst nur die Umgestaltung der zweiten Kaminer im Auge,<lb/> indem man mit der nach dem neuen Wahlgesetze gewählten Kammer so¬<lb/> dann wegen der Umgestaltung der ersten Kammer berathen und beschlie¬<lb/> ßen wollte. Nach diesem Entwürfe sollte die zweite Kammer bestehen<lb/> aus 57 Abgeordneten der städtischen Bezirke, und 38 der ländlichen Bezirke,<lb/> in welchen letzteren alle Stimmberechtigten solcher Grundstücke Theil nehmen<lb/> sollten, welche einem städtischen Gcmeindebezirke nicht angehörten, also<lb/> namentlich auch die Rittergutsbesitzer. Daneben enthielt der Entwurf<lb/> auch Bestürmungen wegen der Wahl von Rittergutsbesitzern in die erste<lb/> Kammer, welche von Rittergutsbesitzern mit einem gewissen Census gewählt<lb/> werden sollten. — Allein die Woge des Unwillens gegen die erste Kammer<lb/> ging zu hoch, als daß man nicht sofort energischer Hand an deren Umgestal¬<lb/> tung hätte legen sollen. Diesem Unmuthe lieh Worte der Abg. Haase, der¬<lb/> selbe, welcher später den reactivirten Landtag als Präsident der zweiten Kam¬<lb/> iner inaugurirte. Er wünschte, daß die 22 Plätze der Rittergüter in der ersten<lb/> Kammer durch Kapacitäten des Fabriks- und Handelsstandcs, oder auch durch<lb/> Grundbesitzer, aus der Wahl des Volkes hervorgegangen, besetzt würden, und<lb/> stellte daher den Antrag, die Vorlage, insoweit sie die Wahlen der Ritterguts¬<lb/> besitzer in die erste Kammer, betreffe, abzulehnen. In Folge dieses Antrags,<lb/> der mit 41 gegen 32 Stimmen angenommen wurde, nahm die Regierung frei¬<lb/> willig ihren ganzen Entwurf zurück, nachdem derselbe zuvor jedoch auf ihren<lb/> Wunsch von der zweiten Kammer im Detail berathen worden war. Die<lb/> Majorität der Deputation (Referent Tzschirner) hatte ihren Bericht in acht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0338]
Es ist nicht nur für die Beurtheilung des damaligen Rechtszustandes,
sondern auch für die Orientirung in den vcrschiedenseitigen Wünschen und
Bestrebungen interessant, Borgängen, die sich an jene Agitation anknüpfen,
etwas naher zu folgen.
Die am 21. Mai 1848 zusammentretender Stande waren hauptsachlich
zur Abänderung des Wahlgesetzes und der damit in Verbindung stehenden
Paragraphen der Verfassung zusammenberufen, und sie erklärten sich in ihren
Adressen an den König bereit, hieraus einzugehen. Namentlich sagte die erste
.Kammer in §. 12 ihrer Adresse: „Nicht minder werden wir bei der Berathung
eines neuen Wahlgesetzes bethätigen, daß die erste Kammer bereit ist. fern
von allen Standes- oder Sonderintercssen der Rittergüter, lediglich das wahre
Wohl der Gesammtheit des Volkes sich hierbei zum Zielpunkte dienen zu las¬
sen, getragen von der Idee, daß die Vorrechte der zeither bevorzugten Klas¬
sen fallen müssen, und nur durch Kräftigung des sittlichen Elements in allen
Schichten der Bevölkerung die Nationen der wahren Freiheit entgegengeführt
werden können."
Der Entwurf eines Wahlgesetzes, den die Regierung den Ständen vor¬
legte, hatte zunächst nur die Umgestaltung der zweiten Kaminer im Auge,
indem man mit der nach dem neuen Wahlgesetze gewählten Kammer so¬
dann wegen der Umgestaltung der ersten Kammer berathen und beschlie¬
ßen wollte. Nach diesem Entwürfe sollte die zweite Kammer bestehen
aus 57 Abgeordneten der städtischen Bezirke, und 38 der ländlichen Bezirke,
in welchen letzteren alle Stimmberechtigten solcher Grundstücke Theil nehmen
sollten, welche einem städtischen Gcmeindebezirke nicht angehörten, also
namentlich auch die Rittergutsbesitzer. Daneben enthielt der Entwurf
auch Bestürmungen wegen der Wahl von Rittergutsbesitzern in die erste
Kammer, welche von Rittergutsbesitzern mit einem gewissen Census gewählt
werden sollten. — Allein die Woge des Unwillens gegen die erste Kammer
ging zu hoch, als daß man nicht sofort energischer Hand an deren Umgestal¬
tung hätte legen sollen. Diesem Unmuthe lieh Worte der Abg. Haase, der¬
selbe, welcher später den reactivirten Landtag als Präsident der zweiten Kam¬
iner inaugurirte. Er wünschte, daß die 22 Plätze der Rittergüter in der ersten
Kammer durch Kapacitäten des Fabriks- und Handelsstandcs, oder auch durch
Grundbesitzer, aus der Wahl des Volkes hervorgegangen, besetzt würden, und
stellte daher den Antrag, die Vorlage, insoweit sie die Wahlen der Ritterguts¬
besitzer in die erste Kammer, betreffe, abzulehnen. In Folge dieses Antrags,
der mit 41 gegen 32 Stimmen angenommen wurde, nahm die Regierung frei¬
willig ihren ganzen Entwurf zurück, nachdem derselbe zuvor jedoch auf ihren
Wunsch von der zweiten Kammer im Detail berathen worden war. Die
Majorität der Deputation (Referent Tzschirner) hatte ihren Bericht in acht
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