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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Glaubensartikel gebracht; 1. Einkammersystem; 2. directe Wahlen; 3. hin¬
sichtlich des Alters genügt Volljährigkeit (d. i, 21 Jahre) zur Stimmberech-
tigung und Wählbarkeit; Almosenpcrcipienten sind nicht ausgeschlossen; 4.
Staatsdiener und Hofbeamte nicht wählbar; 5. kein Zwnngsrecht für An¬
nahme der Wahl; 6. die Regierung hat sich aller Betheiligung bei der Wahl
zu enthalten; 7. Wahl für nur je einen Landtag; 8. alljährlich ein Land¬
tag. Dem Majoritätsgutachten stand das einer Minorität gegenüber (Schäffer
und Oehnngeii); dasselbe beantragte g,, die Bildung von 25 städtischen Wahlbe¬
zirken außer Dresden, Leipzig und Chemnitz und 45 ländlichen mit je einem
Abgeordneten; b. Beschränkung der ländlichen Bezirke in der Wahl von Ab¬
geordneten aus Personen ihres Bezirkes. -- Die Debatte entbrannte zunächst
heftig über das damals sehr beliebte Thema des Einkammersystems, die
Kammer entschied sich nach mehrtägiger Debatte für das Zweikammer¬
system, dagegen sprach sie sich mit sehr großer Majorität für directe Wahlen,
und mit 53 gegen 18 Stimmen gegen die Abgrenzung in städtische und
ländliche Bezirke aus. schwankender verhielt sich die Kammer gegenüber
dem von der Regierung angenommenen und von der Majorität der Deputa¬
tion bevorworteten Principe, daß die Wählbarkeit eines Abgeordneten an kei¬
nen Bezirk gebunden sein dürfe, indeß wurde dasselbe doch mit 39 gegen 23
Stimmen angenommen, sowie gegen nur 2 Stimmen das Princip, dre Wählbarkeit
nicht an ein Glaubensbekenntniß zu binden. Tie Negierung siegte gegen die
Majorität der Deputation in Betreff des zur Wählbarkeit erforderlichen Al¬
ters (30 Jahre), des Erfordernisses der Selbständigkeit !c. Dinge, die heut
zu Tage schwerlich zu solchen Discussionen Anlaß geben würden. Im
Betreff der Wählbarkeit der Staatsbeamten entschied man sich gleichfalls
gegen die Deputation, und es wurde außerdem noch der Antrag ange¬
nommen : daß die zu Abgeordneten gewählten Staatsdiener die Genehmi¬
gung der vorgesetzten Behörde nicht bedürfen sollten. Man lehnte ferner
Mit 41 gegen 22 Stimmen die alljährliche Wiederholung des Landtags ab.
nahm aber den Antrag der Deputation, daß die Wahl nur für einen Land¬
tag zu gelten habe, mit 53 gegen 10 an.

Ans Grund der gepflogenen Verhandlungen legte die Regierung im Sep¬
tember einen neuen Wahlgesetzentwurf vor. der die zweite Kammer anlangend
un Wesentlichen die Majoritätsbeschlüsse dieser Kammer adoptirte. Sach¬
sen wurde darnach in 76 Wahlbezirke getheilt, deren jeder einen Abgeordnete"
zur Kammer zu senden haben sollte. In Betreff der ersten Kaminer aber
to'ngcm die Vorlagen der Negierung dahin- Aus je zwei Bezirken sollte ein
Abgeordneter gewühlt werden; zur Stimmberechtigung sollte außer den betref¬
fenden Erfordernissen bei der zweiten Kammer noch Grundbesitz nöthig sein;
zur Wählbarkeit ein Census von zehn Thalern directer Steuern. Außerdem


Glaubensartikel gebracht; 1. Einkammersystem; 2. directe Wahlen; 3. hin¬
sichtlich des Alters genügt Volljährigkeit (d. i, 21 Jahre) zur Stimmberech-
tigung und Wählbarkeit; Almosenpcrcipienten sind nicht ausgeschlossen; 4.
Staatsdiener und Hofbeamte nicht wählbar; 5. kein Zwnngsrecht für An¬
nahme der Wahl; 6. die Regierung hat sich aller Betheiligung bei der Wahl
zu enthalten; 7. Wahl für nur je einen Landtag; 8. alljährlich ein Land¬
tag. Dem Majoritätsgutachten stand das einer Minorität gegenüber (Schäffer
und Oehnngeii); dasselbe beantragte g,, die Bildung von 25 städtischen Wahlbe¬
zirken außer Dresden, Leipzig und Chemnitz und 45 ländlichen mit je einem
Abgeordneten; b. Beschränkung der ländlichen Bezirke in der Wahl von Ab¬
geordneten aus Personen ihres Bezirkes. — Die Debatte entbrannte zunächst
heftig über das damals sehr beliebte Thema des Einkammersystems, die
Kammer entschied sich nach mehrtägiger Debatte für das Zweikammer¬
system, dagegen sprach sie sich mit sehr großer Majorität für directe Wahlen,
und mit 53 gegen 18 Stimmen gegen die Abgrenzung in städtische und
ländliche Bezirke aus. schwankender verhielt sich die Kammer gegenüber
dem von der Regierung angenommenen und von der Majorität der Deputa¬
tion bevorworteten Principe, daß die Wählbarkeit eines Abgeordneten an kei¬
nen Bezirk gebunden sein dürfe, indeß wurde dasselbe doch mit 39 gegen 23
Stimmen angenommen, sowie gegen nur 2 Stimmen das Princip, dre Wählbarkeit
nicht an ein Glaubensbekenntniß zu binden. Tie Negierung siegte gegen die
Majorität der Deputation in Betreff des zur Wählbarkeit erforderlichen Al¬
ters (30 Jahre), des Erfordernisses der Selbständigkeit !c. Dinge, die heut
zu Tage schwerlich zu solchen Discussionen Anlaß geben würden. Im
Betreff der Wählbarkeit der Staatsbeamten entschied man sich gleichfalls
gegen die Deputation, und es wurde außerdem noch der Antrag ange¬
nommen : daß die zu Abgeordneten gewählten Staatsdiener die Genehmi¬
gung der vorgesetzten Behörde nicht bedürfen sollten. Man lehnte ferner
Mit 41 gegen 22 Stimmen die alljährliche Wiederholung des Landtags ab.
nahm aber den Antrag der Deputation, daß die Wahl nur für einen Land¬
tag zu gelten habe, mit 53 gegen 10 an.

Ans Grund der gepflogenen Verhandlungen legte die Regierung im Sep¬
tember einen neuen Wahlgesetzentwurf vor. der die zweite Kammer anlangend
un Wesentlichen die Majoritätsbeschlüsse dieser Kammer adoptirte. Sach¬
sen wurde darnach in 76 Wahlbezirke getheilt, deren jeder einen Abgeordnete»
zur Kammer zu senden haben sollte. In Betreff der ersten Kaminer aber
to'ngcm die Vorlagen der Negierung dahin- Aus je zwei Bezirken sollte ein
Abgeordneter gewühlt werden; zur Stimmberechtigung sollte außer den betref¬
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zur Wählbarkeit ein Census von zehn Thalern directer Steuern. Außerdem


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[0339] Glaubensartikel gebracht; 1. Einkammersystem; 2. directe Wahlen; 3. hin¬ sichtlich des Alters genügt Volljährigkeit (d. i, 21 Jahre) zur Stimmberech- tigung und Wählbarkeit; Almosenpcrcipienten sind nicht ausgeschlossen; 4. Staatsdiener und Hofbeamte nicht wählbar; 5. kein Zwnngsrecht für An¬ nahme der Wahl; 6. die Regierung hat sich aller Betheiligung bei der Wahl zu enthalten; 7. Wahl für nur je einen Landtag; 8. alljährlich ein Land¬ tag. Dem Majoritätsgutachten stand das einer Minorität gegenüber (Schäffer und Oehnngeii); dasselbe beantragte g,, die Bildung von 25 städtischen Wahlbe¬ zirken außer Dresden, Leipzig und Chemnitz und 45 ländlichen mit je einem Abgeordneten; b. Beschränkung der ländlichen Bezirke in der Wahl von Ab¬ geordneten aus Personen ihres Bezirkes. — Die Debatte entbrannte zunächst heftig über das damals sehr beliebte Thema des Einkammersystems, die Kammer entschied sich nach mehrtägiger Debatte für das Zweikammer¬ system, dagegen sprach sie sich mit sehr großer Majorität für directe Wahlen, und mit 53 gegen 18 Stimmen gegen die Abgrenzung in städtische und ländliche Bezirke aus. schwankender verhielt sich die Kammer gegenüber dem von der Regierung angenommenen und von der Majorität der Deputa¬ tion bevorworteten Principe, daß die Wählbarkeit eines Abgeordneten an kei¬ nen Bezirk gebunden sein dürfe, indeß wurde dasselbe doch mit 39 gegen 23 Stimmen angenommen, sowie gegen nur 2 Stimmen das Princip, dre Wählbarkeit nicht an ein Glaubensbekenntniß zu binden. Tie Negierung siegte gegen die Majorität der Deputation in Betreff des zur Wählbarkeit erforderlichen Al¬ ters (30 Jahre), des Erfordernisses der Selbständigkeit !c. Dinge, die heut zu Tage schwerlich zu solchen Discussionen Anlaß geben würden. Im Betreff der Wählbarkeit der Staatsbeamten entschied man sich gleichfalls gegen die Deputation, und es wurde außerdem noch der Antrag ange¬ nommen : daß die zu Abgeordneten gewählten Staatsdiener die Genehmi¬ gung der vorgesetzten Behörde nicht bedürfen sollten. Man lehnte ferner Mit 41 gegen 22 Stimmen die alljährliche Wiederholung des Landtags ab. nahm aber den Antrag der Deputation, daß die Wahl nur für einen Land¬ tag zu gelten habe, mit 53 gegen 10 an. Ans Grund der gepflogenen Verhandlungen legte die Regierung im Sep¬ tember einen neuen Wahlgesetzentwurf vor. der die zweite Kammer anlangend un Wesentlichen die Majoritätsbeschlüsse dieser Kammer adoptirte. Sach¬ sen wurde darnach in 76 Wahlbezirke getheilt, deren jeder einen Abgeordnete» zur Kammer zu senden haben sollte. In Betreff der ersten Kaminer aber to'ngcm die Vorlagen der Negierung dahin- Aus je zwei Bezirken sollte ein Abgeordneter gewühlt werden; zur Stimmberechtigung sollte außer den betref¬ fenden Erfordernissen bei der zweiten Kammer noch Grundbesitz nöthig sein; zur Wählbarkeit ein Census von zehn Thalern directer Steuern. Außerdem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/339>, abgerufen am 16.01.2025.