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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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und daß namentlich das Militärwcsen -- trotz der Bundcsinspcktion -- in
den vierziger Jahren in den kläglichsten Verfall gerathen war.

Uebrigens ist diese einseitige und willkürliche Verwendung der Staats¬
mittel durch den Landesfürsten ein Beweis, wie wenig tiefe Wurzeln das
constitutionelle System, das eine aufrichtige und ernste Controle der Finanzen
von Seiten der Stände voraussetzt, damals noch in Bayern geschlagen hatte.

Die Münchner freilich haben bis zu einem gewissen Grade Ursache, ihren
Fürsten zu preisen, ,daß er ihre Stadt so schön und groß, daß er sie zum
Sammelpunkt der kunstliebenden Welt gemacht hat, und daß sie, die früher
im Ruf standen, zwar eine seine Zunge für die Gabe des Gambrinus, aber
wenig Sinn für Kunst und Wissenschaft zu besitzen, in dem täglichen Verkehr
mit dem Schönen ein gutes Stück ihrer böotischen Natur ablegten. Dies
zeigt schon ein bloßer Gang auf den Münchner Gottesacker. Hier, auf dem
Felde des Todes, wo Jeder die Grabstätte der Seinen nach eigenem Gefallen
schmückt, findet sich so viel sinniges und Geschmackvolles, daß man kaum
einen zweiten Ort dieser Art so befriedigt verlassen wird.

Ich habe im Eingange dieses Aufsatzes gesagt, daß München gemacht
und nicht geworden erscheine. Der Charakter des Künstlicher, der nicht
wenigen der neuen Bau- und Kunstwerke anklebt, läßt uns dieselben nicht rein
genießen. Diese neuen Kirchen, die fast mehr von kunstliebenden Fremden
als von den Andächtigen der Gemeinde besucht scheinen, die überdies nur ganz
schmale Reihen Bänke an den Wänden haben, als ob hier das Verweilen im
Gottesdienste Nebensache sei, machen mehr den Eindruck von Schaustücken der
Architektur und Heiligenbildergallcrien, als von Gotteshäusern.

Den Charakter des Künstlicher trägt auch die neue Maximiliansstraße
an sich, welche der jetzt regierende König als Gegenstück zur Ludwigsstraße
baut, und zwar nicht blos in Folge des seltsamen Stils, der eigens für sie
erfunden und den Bauenden vorgeschrieben ist, sondern auch hinsichtlich der
Gebäude selber, die sie schmücken. Den Schluß derselben bildet das sogenannte
Maximilianeum, ein Palast, worin besonders befähigte Schüler für den höheren
Staatsdienst ausgebildet werden sollen -- eine Brüteanstalt für bayrische
Diplomaten, wie man spottweise gesagt hat.

Bei der Betrachtung der Münchner Bau- und Kunstwerke muß dem un¬
befangenen Fremden noch Eins auffallen: nämlich die Sucht Bayerns, eine
Großmacht vorzustellen, auf die ich schon oben deutete. Wenn ein Staat von
so geringem Umfang Siegesthore, Feldherrn- und Ruhmeshallen und Pro¬
pyläen baut; wenn er Männern, deren Ruf nicht über die Grenzen des kleinen
Landes hinausgeht, kolossale Standbilder setzt: so macht dies geradezu eine
komische Wirkung. In der Feldherrnhalle^) befinden sich nur zwei Figuren:



') Von dem Volke das Wcischtrockcnhaus genannt.

und daß namentlich das Militärwcsen — trotz der Bundcsinspcktion — in
den vierziger Jahren in den kläglichsten Verfall gerathen war.

Uebrigens ist diese einseitige und willkürliche Verwendung der Staats¬
mittel durch den Landesfürsten ein Beweis, wie wenig tiefe Wurzeln das
constitutionelle System, das eine aufrichtige und ernste Controle der Finanzen
von Seiten der Stände voraussetzt, damals noch in Bayern geschlagen hatte.

Die Münchner freilich haben bis zu einem gewissen Grade Ursache, ihren
Fürsten zu preisen, ,daß er ihre Stadt so schön und groß, daß er sie zum
Sammelpunkt der kunstliebenden Welt gemacht hat, und daß sie, die früher
im Ruf standen, zwar eine seine Zunge für die Gabe des Gambrinus, aber
wenig Sinn für Kunst und Wissenschaft zu besitzen, in dem täglichen Verkehr
mit dem Schönen ein gutes Stück ihrer böotischen Natur ablegten. Dies
zeigt schon ein bloßer Gang auf den Münchner Gottesacker. Hier, auf dem
Felde des Todes, wo Jeder die Grabstätte der Seinen nach eigenem Gefallen
schmückt, findet sich so viel sinniges und Geschmackvolles, daß man kaum
einen zweiten Ort dieser Art so befriedigt verlassen wird.

Ich habe im Eingange dieses Aufsatzes gesagt, daß München gemacht
und nicht geworden erscheine. Der Charakter des Künstlicher, der nicht
wenigen der neuen Bau- und Kunstwerke anklebt, läßt uns dieselben nicht rein
genießen. Diese neuen Kirchen, die fast mehr von kunstliebenden Fremden
als von den Andächtigen der Gemeinde besucht scheinen, die überdies nur ganz
schmale Reihen Bänke an den Wänden haben, als ob hier das Verweilen im
Gottesdienste Nebensache sei, machen mehr den Eindruck von Schaustücken der
Architektur und Heiligenbildergallcrien, als von Gotteshäusern.

Den Charakter des Künstlicher trägt auch die neue Maximiliansstraße
an sich, welche der jetzt regierende König als Gegenstück zur Ludwigsstraße
baut, und zwar nicht blos in Folge des seltsamen Stils, der eigens für sie
erfunden und den Bauenden vorgeschrieben ist, sondern auch hinsichtlich der
Gebäude selber, die sie schmücken. Den Schluß derselben bildet das sogenannte
Maximilianeum, ein Palast, worin besonders befähigte Schüler für den höheren
Staatsdienst ausgebildet werden sollen — eine Brüteanstalt für bayrische
Diplomaten, wie man spottweise gesagt hat.

Bei der Betrachtung der Münchner Bau- und Kunstwerke muß dem un¬
befangenen Fremden noch Eins auffallen: nämlich die Sucht Bayerns, eine
Großmacht vorzustellen, auf die ich schon oben deutete. Wenn ein Staat von
so geringem Umfang Siegesthore, Feldherrn- und Ruhmeshallen und Pro¬
pyläen baut; wenn er Männern, deren Ruf nicht über die Grenzen des kleinen
Landes hinausgeht, kolossale Standbilder setzt: so macht dies geradezu eine
komische Wirkung. In der Feldherrnhalle^) befinden sich nur zwei Figuren:



') Von dem Volke das Wcischtrockcnhaus genannt.
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[0314] und daß namentlich das Militärwcsen — trotz der Bundcsinspcktion — in den vierziger Jahren in den kläglichsten Verfall gerathen war. Uebrigens ist diese einseitige und willkürliche Verwendung der Staats¬ mittel durch den Landesfürsten ein Beweis, wie wenig tiefe Wurzeln das constitutionelle System, das eine aufrichtige und ernste Controle der Finanzen von Seiten der Stände voraussetzt, damals noch in Bayern geschlagen hatte. Die Münchner freilich haben bis zu einem gewissen Grade Ursache, ihren Fürsten zu preisen, ,daß er ihre Stadt so schön und groß, daß er sie zum Sammelpunkt der kunstliebenden Welt gemacht hat, und daß sie, die früher im Ruf standen, zwar eine seine Zunge für die Gabe des Gambrinus, aber wenig Sinn für Kunst und Wissenschaft zu besitzen, in dem täglichen Verkehr mit dem Schönen ein gutes Stück ihrer böotischen Natur ablegten. Dies zeigt schon ein bloßer Gang auf den Münchner Gottesacker. Hier, auf dem Felde des Todes, wo Jeder die Grabstätte der Seinen nach eigenem Gefallen schmückt, findet sich so viel sinniges und Geschmackvolles, daß man kaum einen zweiten Ort dieser Art so befriedigt verlassen wird. Ich habe im Eingange dieses Aufsatzes gesagt, daß München gemacht und nicht geworden erscheine. Der Charakter des Künstlicher, der nicht wenigen der neuen Bau- und Kunstwerke anklebt, läßt uns dieselben nicht rein genießen. Diese neuen Kirchen, die fast mehr von kunstliebenden Fremden als von den Andächtigen der Gemeinde besucht scheinen, die überdies nur ganz schmale Reihen Bänke an den Wänden haben, als ob hier das Verweilen im Gottesdienste Nebensache sei, machen mehr den Eindruck von Schaustücken der Architektur und Heiligenbildergallcrien, als von Gotteshäusern. Den Charakter des Künstlicher trägt auch die neue Maximiliansstraße an sich, welche der jetzt regierende König als Gegenstück zur Ludwigsstraße baut, und zwar nicht blos in Folge des seltsamen Stils, der eigens für sie erfunden und den Bauenden vorgeschrieben ist, sondern auch hinsichtlich der Gebäude selber, die sie schmücken. Den Schluß derselben bildet das sogenannte Maximilianeum, ein Palast, worin besonders befähigte Schüler für den höheren Staatsdienst ausgebildet werden sollen — eine Brüteanstalt für bayrische Diplomaten, wie man spottweise gesagt hat. Bei der Betrachtung der Münchner Bau- und Kunstwerke muß dem un¬ befangenen Fremden noch Eins auffallen: nämlich die Sucht Bayerns, eine Großmacht vorzustellen, auf die ich schon oben deutete. Wenn ein Staat von so geringem Umfang Siegesthore, Feldherrn- und Ruhmeshallen und Pro¬ pyläen baut; wenn er Männern, deren Ruf nicht über die Grenzen des kleinen Landes hinausgeht, kolossale Standbilder setzt: so macht dies geradezu eine komische Wirkung. In der Feldherrnhalle^) befinden sich nur zwei Figuren: ') Von dem Volke das Wcischtrockcnhaus genannt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/314>, abgerufen am 15.01.2025.