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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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lente Weisungen hatte, wissen wir nicht. Sicher ist, das, er so handelte. Es
gelang ihm. die Stämme gegen einander zu Hetzen. Unter den Christen schürte
er Unzufriedenheit mit ihren Häuptern an, während er diese doch schließlich
aufrecht hielt. Dir Drusen regte er durch seine Unterbeamten gegen ihre ma-
rvnitischen Nachbarn auf. Nach den neuesten Berichten ist kein Zweisel, dnß
die türkischen Behörden im Libanon Mitschuldige bei der Verfolgung der Christen
waren. Achwed Pascha in Damaskus, Osman Bey und manche andere haben
zu offen gehandelt, als daß ihr böser Wille hätte verkannt werden können, und
so sind sie zum großen Theil schon bestraft worden. Mit Churschid Pascha,
dem Hauptschuldigen, stand es anders, da er vorsichtiger verfahren war.

Die Schritte, welche zu thun sind, um das Geschehene gut zu machen,
sind nur zum Theil klar vorgezeichnet. Man hat Massen von christlichen Frauen
entführt, Städte niedergebrannt, ganze Dörfer zur Annahme des Islam ge¬
zwungen, Kirchen geschändet und weite Pflanzungen verwüstet. Die Frauen
müssen zurückgeschafft, die Städte auf Kosten der Mordbrenner wieder aufge¬
baut, die zum Islam gcnöthigtcu Dörfer dem Christenthum wiedergegeben,
alles geraubte Eigenthum muß den Betreffenden zurückerstattet werden. Man
kaun die Todten nicht aufwecken, aber man muß die Ueberlebenden vor einer
ähnlichen Katastrophe schützen, ihnen Bürgschaften für ihr Leben und ihren
Besitz ertheilen. In letzterer Beziehung wirb die Pforte ihren alten Plan einer
directen Herrschaft über Drüsen und Maroniten wieder geltend machen. Aber
darein wird Frankreich niemals willigen. Französisches Geld setzte die Ma¬
roniten in den Stand, sich den Grad von Cultur und Wohlstand anzueignen,
dem der Ueberfall dieses Jahres plötzlich ein Ende nackte. Ais Tausch für
das französische Kapital, das ihnen vorgestreckt worden, verkauften sie ihre
Seide, das Hauptproduet des Libanon, zu festgesetzten Preisen um die Kaufleute
von Marseille und Lyon. Jetzt ist die Mehrzahl ihrer Döcfer und ihrer Maul-
beerbäume zerstört, und wenigstens vierzig Millionen Francs französischen Ka¬
pitals, die auf diese Weise' angelegt waren, sind verloren gegangen. Kaiser
Napoleon wird sorgen, daß eine stärkere Hand und ein besserer Wille, als bis¬
her eine Wiederkehr dieses Bandalismus unmöglich macht. Wir glauben nicht,
daß er Abdelkader dazu ersehen hat. Wahrscheinlicher ist, daß er zuletzt den
Antrag stellen wird, den Vicekönig von Aegypten mit dem Paschalik von Sy¬
rien wieder zu belehren, so daß vorläufig die Hauptläuder der arabisch reden¬
den Hälfte des ottomanischen Reichs unter dessen Botmäßigkeit kämen, womit
einerseits ein Freund Frankreichs, ein künftiger Basalt gestärkt, andrerseits der
Anfang mit der Anwendung des Nationalitätsprincips auf den Orient gemacht
wäre. Später ließe sich dann das Werk vollenden, die Türkenherrschaft aus
Kleinasien beschränken, die Grenzen des Königreichs Hellas erweitern und in,
Norden der europäischen Türkei die Entstehung eines serbischen Reichs begün-


lente Weisungen hatte, wissen wir nicht. Sicher ist, das, er so handelte. Es
gelang ihm. die Stämme gegen einander zu Hetzen. Unter den Christen schürte
er Unzufriedenheit mit ihren Häuptern an, während er diese doch schließlich
aufrecht hielt. Dir Drusen regte er durch seine Unterbeamten gegen ihre ma-
rvnitischen Nachbarn auf. Nach den neuesten Berichten ist kein Zweisel, dnß
die türkischen Behörden im Libanon Mitschuldige bei der Verfolgung der Christen
waren. Achwed Pascha in Damaskus, Osman Bey und manche andere haben
zu offen gehandelt, als daß ihr böser Wille hätte verkannt werden können, und
so sind sie zum großen Theil schon bestraft worden. Mit Churschid Pascha,
dem Hauptschuldigen, stand es anders, da er vorsichtiger verfahren war.

Die Schritte, welche zu thun sind, um das Geschehene gut zu machen,
sind nur zum Theil klar vorgezeichnet. Man hat Massen von christlichen Frauen
entführt, Städte niedergebrannt, ganze Dörfer zur Annahme des Islam ge¬
zwungen, Kirchen geschändet und weite Pflanzungen verwüstet. Die Frauen
müssen zurückgeschafft, die Städte auf Kosten der Mordbrenner wieder aufge¬
baut, die zum Islam gcnöthigtcu Dörfer dem Christenthum wiedergegeben,
alles geraubte Eigenthum muß den Betreffenden zurückerstattet werden. Man
kaun die Todten nicht aufwecken, aber man muß die Ueberlebenden vor einer
ähnlichen Katastrophe schützen, ihnen Bürgschaften für ihr Leben und ihren
Besitz ertheilen. In letzterer Beziehung wirb die Pforte ihren alten Plan einer
directen Herrschaft über Drüsen und Maroniten wieder geltend machen. Aber
darein wird Frankreich niemals willigen. Französisches Geld setzte die Ma¬
roniten in den Stand, sich den Grad von Cultur und Wohlstand anzueignen,
dem der Ueberfall dieses Jahres plötzlich ein Ende nackte. Ais Tausch für
das französische Kapital, das ihnen vorgestreckt worden, verkauften sie ihre
Seide, das Hauptproduet des Libanon, zu festgesetzten Preisen um die Kaufleute
von Marseille und Lyon. Jetzt ist die Mehrzahl ihrer Döcfer und ihrer Maul-
beerbäume zerstört, und wenigstens vierzig Millionen Francs französischen Ka¬
pitals, die auf diese Weise' angelegt waren, sind verloren gegangen. Kaiser
Napoleon wird sorgen, daß eine stärkere Hand und ein besserer Wille, als bis¬
her eine Wiederkehr dieses Bandalismus unmöglich macht. Wir glauben nicht,
daß er Abdelkader dazu ersehen hat. Wahrscheinlicher ist, daß er zuletzt den
Antrag stellen wird, den Vicekönig von Aegypten mit dem Paschalik von Sy¬
rien wieder zu belehren, so daß vorläufig die Hauptläuder der arabisch reden¬
den Hälfte des ottomanischen Reichs unter dessen Botmäßigkeit kämen, womit
einerseits ein Freund Frankreichs, ein künftiger Basalt gestärkt, andrerseits der
Anfang mit der Anwendung des Nationalitätsprincips auf den Orient gemacht
wäre. Später ließe sich dann das Werk vollenden, die Türkenherrschaft aus
Kleinasien beschränken, die Grenzen des Königreichs Hellas erweitern und in,
Norden der europäischen Türkei die Entstehung eines serbischen Reichs begün-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/297>, abgerufen am 15.01.2025.