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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Nach Steub fügen wir dem hinzu, daß bei den schwarzen Schöffen die¬
ses Vvlksgerichts nicht nur das Sprichwort: kleine Diebe hängt man, große
läst man laufen, nichts gilt, sondern daß die Haberscldtreiber mit Vorliebe
auf die Reichen, die Vornehmen und die Amtsehrwürdigen losgehen. Ferner,
daß im Jahre 1852 noch zweimal, dann noch einmal 1 857 getrieben wurde.
Sodann, daß die Geistlichkeit früher für das Institut schwärmte und es für eine
wahre Tugendschule erklärte, jetzt aber, seit es auch ihresgleichen, z. B. den
hochmürdigen Nachfolger Sanct Mnrins und Anlauf zu Jrschenberg betroffen,
sich eine ganz andere Meinung beigelegt hat.

Ein Landmann endlich, der einer der Wissenden zu sein schien und mit
dem Steub erst vor Kurzem über die Sache sprach, wollte sich an die phan¬
tastischen Züge von Kaiser Karl nicht erinnern. Er meinte, das Treiben werde
in der Regel auf dem Jahrmarkt zu Miesbach ausgemacht, wo sich die Ver¬
trauten im Wirthshaus zusammensetzten und nach t'urzcr Berathung das Er¬
forderliche beschlossen. Die Namen der Hauptleute und Theilnehmer seien
übrigens unter den Bauern durchaus kein Geheimniß. Schade sei, daß man
in den Bund, der früher nur verheirathete Ehrenmänner zugelassen, in letzter
Zeit auch junge Bursche aufgenommen, denen selber ein Treiben gesund wäre.
Da bis jetzt keiner heimgesucht worden, der es nicht in die'Haut hinein ver¬
dient, so wäre es barbarisch, die Gemeinden art so schwerer und langer Ein¬
quartierung zu strafen (sie kriegten jede, als Geldbußen nicht verfingen, ein
Fähnlein Strafbayern in die Häuser), wie die hohe Obrigkeit beliebt habe.
Der Mann schloß mit den seltsamen Worten: "Die Treiber halten bei alle-
dem doch noch immer zusammen, und wenn es einmal das Vaterland gilt,
wird man schon sehen, daß sie die rechten Leute sind."

Die Haberscldtreiber hätten also auch eine gewisse politische Farbe, und
Pfarrer Grassinger von Aibling hätte vielleicht nicht ganz Unrecht, wenn er
den Bauernaufstand von 1705 als ein Werk "des seit uralten Zeiten bestehen¬
den Haberfeldbundes" betrachtet.




Nach Steub fügen wir dem hinzu, daß bei den schwarzen Schöffen die¬
ses Vvlksgerichts nicht nur das Sprichwort: kleine Diebe hängt man, große
läst man laufen, nichts gilt, sondern daß die Haberscldtreiber mit Vorliebe
auf die Reichen, die Vornehmen und die Amtsehrwürdigen losgehen. Ferner,
daß im Jahre 1852 noch zweimal, dann noch einmal 1 857 getrieben wurde.
Sodann, daß die Geistlichkeit früher für das Institut schwärmte und es für eine
wahre Tugendschule erklärte, jetzt aber, seit es auch ihresgleichen, z. B. den
hochmürdigen Nachfolger Sanct Mnrins und Anlauf zu Jrschenberg betroffen,
sich eine ganz andere Meinung beigelegt hat.

Ein Landmann endlich, der einer der Wissenden zu sein schien und mit
dem Steub erst vor Kurzem über die Sache sprach, wollte sich an die phan¬
tastischen Züge von Kaiser Karl nicht erinnern. Er meinte, das Treiben werde
in der Regel auf dem Jahrmarkt zu Miesbach ausgemacht, wo sich die Ver¬
trauten im Wirthshaus zusammensetzten und nach t'urzcr Berathung das Er¬
forderliche beschlossen. Die Namen der Hauptleute und Theilnehmer seien
übrigens unter den Bauern durchaus kein Geheimniß. Schade sei, daß man
in den Bund, der früher nur verheirathete Ehrenmänner zugelassen, in letzter
Zeit auch junge Bursche aufgenommen, denen selber ein Treiben gesund wäre.
Da bis jetzt keiner heimgesucht worden, der es nicht in die'Haut hinein ver¬
dient, so wäre es barbarisch, die Gemeinden art so schwerer und langer Ein¬
quartierung zu strafen (sie kriegten jede, als Geldbußen nicht verfingen, ein
Fähnlein Strafbayern in die Häuser), wie die hohe Obrigkeit beliebt habe.
Der Mann schloß mit den seltsamen Worten: „Die Treiber halten bei alle-
dem doch noch immer zusammen, und wenn es einmal das Vaterland gilt,
wird man schon sehen, daß sie die rechten Leute sind."

Die Haberscldtreiber hätten also auch eine gewisse politische Farbe, und
Pfarrer Grassinger von Aibling hätte vielleicht nicht ganz Unrecht, wenn er
den Bauernaufstand von 1705 als ein Werk „des seit uralten Zeiten bestehen¬
den Haberfeldbundes" betrachtet.




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[0284] Nach Steub fügen wir dem hinzu, daß bei den schwarzen Schöffen die¬ ses Vvlksgerichts nicht nur das Sprichwort: kleine Diebe hängt man, große läst man laufen, nichts gilt, sondern daß die Haberscldtreiber mit Vorliebe auf die Reichen, die Vornehmen und die Amtsehrwürdigen losgehen. Ferner, daß im Jahre 1852 noch zweimal, dann noch einmal 1 857 getrieben wurde. Sodann, daß die Geistlichkeit früher für das Institut schwärmte und es für eine wahre Tugendschule erklärte, jetzt aber, seit es auch ihresgleichen, z. B. den hochmürdigen Nachfolger Sanct Mnrins und Anlauf zu Jrschenberg betroffen, sich eine ganz andere Meinung beigelegt hat. Ein Landmann endlich, der einer der Wissenden zu sein schien und mit dem Steub erst vor Kurzem über die Sache sprach, wollte sich an die phan¬ tastischen Züge von Kaiser Karl nicht erinnern. Er meinte, das Treiben werde in der Regel auf dem Jahrmarkt zu Miesbach ausgemacht, wo sich die Ver¬ trauten im Wirthshaus zusammensetzten und nach t'urzcr Berathung das Er¬ forderliche beschlossen. Die Namen der Hauptleute und Theilnehmer seien übrigens unter den Bauern durchaus kein Geheimniß. Schade sei, daß man in den Bund, der früher nur verheirathete Ehrenmänner zugelassen, in letzter Zeit auch junge Bursche aufgenommen, denen selber ein Treiben gesund wäre. Da bis jetzt keiner heimgesucht worden, der es nicht in die'Haut hinein ver¬ dient, so wäre es barbarisch, die Gemeinden art so schwerer und langer Ein¬ quartierung zu strafen (sie kriegten jede, als Geldbußen nicht verfingen, ein Fähnlein Strafbayern in die Häuser), wie die hohe Obrigkeit beliebt habe. Der Mann schloß mit den seltsamen Worten: „Die Treiber halten bei alle- dem doch noch immer zusammen, und wenn es einmal das Vaterland gilt, wird man schon sehen, daß sie die rechten Leute sind." Die Haberscldtreiber hätten also auch eine gewisse politische Farbe, und Pfarrer Grassinger von Aibling hätte vielleicht nicht ganz Unrecht, wenn er den Bauernaufstand von 1705 als ein Werk „des seit uralten Zeiten bestehen¬ den Haberfeldbundes" betrachtet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/284>, abgerufen am 15.01.2025.