Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.kommen. Zufällig sich Nahende werden angehalten und müssen entweder um Glaubt man sich gegen einen Ueberfall gesichert, so beginnt das Gericht. Ist die Verlesung zu Ende, so tritt in die Mitte des Vierecks, von Bis jetzt haben noch alle Untersuchungen ergeben, daß die Handhabung kommen. Zufällig sich Nahende werden angehalten und müssen entweder um Glaubt man sich gegen einen Ueberfall gesichert, so beginnt das Gericht. Ist die Verlesung zu Ende, so tritt in die Mitte des Vierecks, von Bis jetzt haben noch alle Untersuchungen ergeben, daß die Handhabung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0283" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110631"/> <p xml:id="ID_807" prev="#ID_806"> kommen. Zufällig sich Nahende werden angehalten und müssen entweder um<lb/> kehren »der ruhig den Verlauf der Execution mit abwarten. Die Theilnehmer<lb/> am Gericht sind alle mehr oder minder vermummt und haben die Gesichter<lb/> mit Nuß geschwärzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_808"> Glaubt man sich gegen einen Ueberfall gesichert, so beginnt das Gericht.<lb/> Der Schuldige wird geweckt. Man ruft ihm zu, sich anzukleiden, das Viel)<lb/> im Stall anzubinden und ans Fenster zu kommen, bei Lebensstrafe aber nicht<lb/> vor die Thür zu treten. Dann werden die Versammelten von einem der Meister<lb/> verlesen und zwar stets unter falschen Namen und Würden, als z. B. „der<lb/> gestrenge Herr Landrichter von Tegernsee, der hochwürdige Herr Pfarrer von<lb/> Gmünd" und so meist solche Personen, deren Anwesenheit ihrer Stellung oder<lb/> ihrer Entfernung vom Orte wegen am wenigsten vorauszusetzen ist. Auch der<lb/> bayerische Hiesel (der Schinderhamms des bajuvarischen Stammes) wird ge¬<lb/> wöhnlich mit ausgerufen. Fehlt auch nur eine der verlesenen Personen oder<lb/> antwortet sie nicht sofort mit einem lauten „Hier!" so entweichen alle unver-<lb/> richteter Dinge. Nach dem Volksglauben ist stets Einer mehr am Platz, als<lb/> verlesen werden, und zwar ist dies niemand geringeres als der böse Feind.</p><lb/> <p xml:id="ID_809"> Ist die Verlesung zu Ende, so tritt in die Mitte des Vierecks, von<lb/> einem Andern mit einer Laterne begleitet, einer der Theilnehmer des<lb/> Gerichts, um so laut als er irgend vermag ein in Knittelreune gebrachtes<lb/> Register vorzutragen, welches die einzelnen Schandthaten des Delinquenten<lb/> enthält. Nach jeder Strophe erhebt die ganze Versammlung, je nach dem<lb/> Inhalt derselben, ein furchtbares Geheul oder Gelächter und begleitet dies<lb/> mit einer Katzenmusik der entsetzlichsten Art, bei der Handmühlen, Kuhschellen,<lb/> Trommeln, Ketten und sogenannte Carsreitags-Ratschen als Instrumente dienen.<lb/> Mit der Absingung des gereimten Sündenregisters ist dem Volksunwillen ge¬<lb/> nügt und das Gericht beendigt. Ein Pfiff des Anführers, die Laternen<lb/> erlöschen und die Schaar zertheilt sich »ach allen vier Winden, ohne eine<lb/> Spur von sich zurückzulassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_810"> Bis jetzt haben noch alle Untersuchungen ergeben, daß die Handhabung<lb/> dieses Volksgerichts immer ohne Schädigung des betreffenden armen Sünders<lb/> an Leib und Gut abging. Wird an letzterem durch Zufall etwas zerstört,<lb/> so leisten die Haberfeldtreiber auf heimlichen Wege vollen Ersatz dafür. Für<lb/> mitgenommene Bretter und Pfähle legten sie Geld an Ort und Stelle, für<lb/> eine zerbrochene Scheibe warfen sie einen in Papier gewickelten Zwanziger zum<lb/> Fenster hinein. Der Bund sorgt aber auch dafür, daß seine Mitglieder kei¬<lb/> nen Schaden leiden, und als die Gemeinden Sachsenkam und Gmünd von<lb/> der Behörde mit 50 Gulden belegt wurden, weil in ihnen getrieben worden,<lb/> erhielten sie die Summe von unbekannter Hand noch vor Erlegung derselben<lb/> zugestellt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0283]
kommen. Zufällig sich Nahende werden angehalten und müssen entweder um
kehren »der ruhig den Verlauf der Execution mit abwarten. Die Theilnehmer
am Gericht sind alle mehr oder minder vermummt und haben die Gesichter
mit Nuß geschwärzt.
Glaubt man sich gegen einen Ueberfall gesichert, so beginnt das Gericht.
Der Schuldige wird geweckt. Man ruft ihm zu, sich anzukleiden, das Viel)
im Stall anzubinden und ans Fenster zu kommen, bei Lebensstrafe aber nicht
vor die Thür zu treten. Dann werden die Versammelten von einem der Meister
verlesen und zwar stets unter falschen Namen und Würden, als z. B. „der
gestrenge Herr Landrichter von Tegernsee, der hochwürdige Herr Pfarrer von
Gmünd" und so meist solche Personen, deren Anwesenheit ihrer Stellung oder
ihrer Entfernung vom Orte wegen am wenigsten vorauszusetzen ist. Auch der
bayerische Hiesel (der Schinderhamms des bajuvarischen Stammes) wird ge¬
wöhnlich mit ausgerufen. Fehlt auch nur eine der verlesenen Personen oder
antwortet sie nicht sofort mit einem lauten „Hier!" so entweichen alle unver-
richteter Dinge. Nach dem Volksglauben ist stets Einer mehr am Platz, als
verlesen werden, und zwar ist dies niemand geringeres als der böse Feind.
Ist die Verlesung zu Ende, so tritt in die Mitte des Vierecks, von
einem Andern mit einer Laterne begleitet, einer der Theilnehmer des
Gerichts, um so laut als er irgend vermag ein in Knittelreune gebrachtes
Register vorzutragen, welches die einzelnen Schandthaten des Delinquenten
enthält. Nach jeder Strophe erhebt die ganze Versammlung, je nach dem
Inhalt derselben, ein furchtbares Geheul oder Gelächter und begleitet dies
mit einer Katzenmusik der entsetzlichsten Art, bei der Handmühlen, Kuhschellen,
Trommeln, Ketten und sogenannte Carsreitags-Ratschen als Instrumente dienen.
Mit der Absingung des gereimten Sündenregisters ist dem Volksunwillen ge¬
nügt und das Gericht beendigt. Ein Pfiff des Anführers, die Laternen
erlöschen und die Schaar zertheilt sich »ach allen vier Winden, ohne eine
Spur von sich zurückzulassen.
Bis jetzt haben noch alle Untersuchungen ergeben, daß die Handhabung
dieses Volksgerichts immer ohne Schädigung des betreffenden armen Sünders
an Leib und Gut abging. Wird an letzterem durch Zufall etwas zerstört,
so leisten die Haberfeldtreiber auf heimlichen Wege vollen Ersatz dafür. Für
mitgenommene Bretter und Pfähle legten sie Geld an Ort und Stelle, für
eine zerbrochene Scheibe warfen sie einen in Papier gewickelten Zwanziger zum
Fenster hinein. Der Bund sorgt aber auch dafür, daß seine Mitglieder kei¬
nen Schaden leiden, und als die Gemeinden Sachsenkam und Gmünd von
der Behörde mit 50 Gulden belegt wurden, weil in ihnen getrieben worden,
erhielten sie die Summe von unbekannter Hand noch vor Erlegung derselben
zugestellt.
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