Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.Verheerung ihrer Felder zu züchtigen, und da im Gebirge viel Hafer gebaut Ueber den gegenwärtigen Stand des Haberfeldtreibcns lassen wir zunächst In dem Gebiet der Landgerichte Tegernsee und Miesbach besteht oder be¬ So viel sich aus einzelnen Angaben über die Organisation dieser Vehme Dem Gerichte über einen Uebelthäter gehen stets Warnungen voran. Auch Verheerung ihrer Felder zu züchtigen, und da im Gebirge viel Hafer gebaut Ueber den gegenwärtigen Stand des Haberfeldtreibcns lassen wir zunächst In dem Gebiet der Landgerichte Tegernsee und Miesbach besteht oder be¬ So viel sich aus einzelnen Angaben über die Organisation dieser Vehme Dem Gerichte über einen Uebelthäter gehen stets Warnungen voran. Auch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0282" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110630"/> <p xml:id="ID_802" prev="#ID_801"> Verheerung ihrer Felder zu züchtigen, und da im Gebirge viel Hafer gebaut<lb/> wird, so hätte man den Namen Haberfeld auf das ganze Verfahren übertragen..<lb/> Wieder andere wollten wissen, es seien damals die Schuldigen, vorzüglich<lb/> gefallene Mädchen, von den heimlichen Teilnehmern des Gerichts mit Ruthen-<lb/> streicken durch ein Haferfeld getrieben worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_803"> Ueber den gegenwärtigen Stand des Haberfeldtreibcns lassen wir zunächst<lb/> die „Bavaria" sprechen, dann mag Steub Einiges aus seiner Erfahrung hin¬<lb/> zufügen.</p><lb/> <p xml:id="ID_804"> In dem Gebiet der Landgerichte Tegernsee und Miesbach besteht oder be¬<lb/> stand wenigstens bis 1850 ein Geheimbund unter den Bauern, welche für Ver¬<lb/> gehen, die außer des gerichtlichen und polizeilichen Ttrasrechts liegen, beson¬<lb/> ders an Sündern gegen die Volksmoral ein öffentliches Rügengericht übt. Am<lb/> häufigsten sind es geschlechtliche Sünden, gegen die sich das Verfahren richtet.<lb/> Dasselbe kennt kein Ansehen der Person. Vor seiner Anwendung schützt weder<lb/> die geistliche Weilic des Seelenhirten. noch die mächtige Herrseherwürde des<lb/> Landgerichtsbeamtcn. noch die gefährliche Tapferkeit des Forstmanns. Alle<lb/> erfahren, wenn es dem Bunde erforderlich scheint, wie das Volk über sie denkt.<lb/> Die Verbindung erstreckt sich nur über den Bezirk, den die Mangsall umgrenzt,<lb/> niemals wurde jenseits des Jnn oder gar jenseits der Isar getrieben, ja die<lb/> Treiber kamen noch in keinem Fall bis an letztern Fluß.</p><lb/> <p xml:id="ID_805"> So viel sich aus einzelnen Angaben über die Organisation dieser Vehme<lb/> erkennen läßt, gibt es im Gebirge zwölf Haberfeldmeister, von denen jeder nur<lb/> in seinem Bezirk die ihm Untergebnen kennt und sie nach einer Verabredung<lb/> mit seinen Mitmeistcrn in größter Heimlichkeit von einem beschloßnen Trieb in<lb/> Kenntniß zu setzen pflegt. Jeder in den Bund Eintretende leistet einen Bei¬<lb/> trag von drei Gulden und verpflichtet sich durch einen Eid zum tiefsten Still¬<lb/> schweigen, welches bis setzt, da der Verrüther vermuthlich hart bedroht ist, noch<lb/> nie gebrochen wurde. Wenigstens hat noch keiner von den zur Verantwor¬<lb/> tung Gezognen einen Mitschuldigen genannt oder mehr als schon längst Be¬<lb/> kanntes über die Organisation des Bundes gestanden.</p><lb/> <p xml:id="ID_806" next="#ID_807"> Dem Gerichte über einen Uebelthäter gehen stets Warnungen voran. Auch<lb/> briefliche Ermahnungen kommen vor. Fruchtet das nicht, so tritt plötzlich von<lb/> keiner Seele geahnt, die Strafe in Vollzug. Dabei erscheinen vor oder doch<lb/> ipcht fern von dem Hause des Heimgesuchten, die Treiber in der Zahl von<lb/> hundert bis zweihundert Mann. Sie tauchen, da zu Trieben besonders finstre<lb/> Nächte gewählt werden, so unversehens auf, daß sie, wie es in den Protokollen<lb/> heißt, gleichsam aus dem Byden gestiegen zu sein scheinen. Die Schaar schließt<lb/> sofort ein Viereck und stellt in etwas größrer Entfernung, namentlich an<lb/> Straßen und Wegen. Vorposten auf, die mit Gewehren bewaffnet sind, so<lb/> daß es nicht leicht jemand wagt, auch nur von Weitem in ihr Bereich zu</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0282]
Verheerung ihrer Felder zu züchtigen, und da im Gebirge viel Hafer gebaut
wird, so hätte man den Namen Haberfeld auf das ganze Verfahren übertragen..
Wieder andere wollten wissen, es seien damals die Schuldigen, vorzüglich
gefallene Mädchen, von den heimlichen Teilnehmern des Gerichts mit Ruthen-
streicken durch ein Haferfeld getrieben worden.
Ueber den gegenwärtigen Stand des Haberfeldtreibcns lassen wir zunächst
die „Bavaria" sprechen, dann mag Steub Einiges aus seiner Erfahrung hin¬
zufügen.
In dem Gebiet der Landgerichte Tegernsee und Miesbach besteht oder be¬
stand wenigstens bis 1850 ein Geheimbund unter den Bauern, welche für Ver¬
gehen, die außer des gerichtlichen und polizeilichen Ttrasrechts liegen, beson¬
ders an Sündern gegen die Volksmoral ein öffentliches Rügengericht übt. Am
häufigsten sind es geschlechtliche Sünden, gegen die sich das Verfahren richtet.
Dasselbe kennt kein Ansehen der Person. Vor seiner Anwendung schützt weder
die geistliche Weilic des Seelenhirten. noch die mächtige Herrseherwürde des
Landgerichtsbeamtcn. noch die gefährliche Tapferkeit des Forstmanns. Alle
erfahren, wenn es dem Bunde erforderlich scheint, wie das Volk über sie denkt.
Die Verbindung erstreckt sich nur über den Bezirk, den die Mangsall umgrenzt,
niemals wurde jenseits des Jnn oder gar jenseits der Isar getrieben, ja die
Treiber kamen noch in keinem Fall bis an letztern Fluß.
So viel sich aus einzelnen Angaben über die Organisation dieser Vehme
erkennen läßt, gibt es im Gebirge zwölf Haberfeldmeister, von denen jeder nur
in seinem Bezirk die ihm Untergebnen kennt und sie nach einer Verabredung
mit seinen Mitmeistcrn in größter Heimlichkeit von einem beschloßnen Trieb in
Kenntniß zu setzen pflegt. Jeder in den Bund Eintretende leistet einen Bei¬
trag von drei Gulden und verpflichtet sich durch einen Eid zum tiefsten Still¬
schweigen, welches bis setzt, da der Verrüther vermuthlich hart bedroht ist, noch
nie gebrochen wurde. Wenigstens hat noch keiner von den zur Verantwor¬
tung Gezognen einen Mitschuldigen genannt oder mehr als schon längst Be¬
kanntes über die Organisation des Bundes gestanden.
Dem Gerichte über einen Uebelthäter gehen stets Warnungen voran. Auch
briefliche Ermahnungen kommen vor. Fruchtet das nicht, so tritt plötzlich von
keiner Seele geahnt, die Strafe in Vollzug. Dabei erscheinen vor oder doch
ipcht fern von dem Hause des Heimgesuchten, die Treiber in der Zahl von
hundert bis zweihundert Mann. Sie tauchen, da zu Trieben besonders finstre
Nächte gewählt werden, so unversehens auf, daß sie, wie es in den Protokollen
heißt, gleichsam aus dem Byden gestiegen zu sein scheinen. Die Schaar schließt
sofort ein Viereck und stellt in etwas größrer Entfernung, namentlich an
Straßen und Wegen. Vorposten auf, die mit Gewehren bewaffnet sind, so
daß es nicht leicht jemand wagt, auch nur von Weitem in ihr Bereich zu
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