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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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ein Spinnrad, das mit Flachs bedeckt und reichlich mit bunten Bändern, Tä¬
felchen und Amuleten geziert ist. Die Braut sitzt entweder auf den Betten
oder sie geht, den Röcken im Arm oder ein Milchfaß mit reinem Flachs auf
dem Kopfe neben dem Wagen her, hinter welchem eine Schwester oder Magd
die stattliche Kuh hertreibt, die der wohlhäbige Bauer seiner Tochter gern
mitgibt. Häufig folgt dem Wagen auch ein Zimmermann, der, gegen An¬
theil am Hvchzeitsschmaus, das Brautbett aufzuschlagen hat. Kinder und
Dorfarme pflegen dem Wagen den Weg zu sperren, "die Braut zu vermachen,"
die sich mit Nudeln yder kleiner Münze auflösen muß, was sie um so lieber
thut, als alles, was mau im Brautstand gibt, sich im Ehestand siebenfach ver¬
gilt. Punkt zwölf Uhr Mittags muß der Fedelmagen im Dorfe des Bräu¬
tigams eintreffen. Letzterer geht demselben ein Stück entgegen oder empfängt
die Braut an der Hausthür mit dem Bierkrug, wofür sie ihm die Schlüssel
zu den mitgebrachten Kasten und Truhen übergibt. Im Innern des Hau¬
ses läßt sie ihn? dann durch die Näherin ein selbstgesponnenes Hemd und ein
Paar Schuhe überreichen, während die übrigen Hausgenossen für ihre Hilfe
beim Abladen des Wagens mit Tüchern, Bändern u. a. belohnt werden.
Den Strohsack des Ehebettes muß der Hochzeiter selbst in die Kammer schaf¬
fen. Ist alles eingebracht, so spricht der Pfarrer darüber den Segen. Hier¬
auf wird ein Mahl eingenommen, und am Abend fährt die Braut auf dem
leeren Wagen wieder heim. Heirathet ein Bursch aus den Hof eines Mäd¬
chens, so schickt er ebenfalls einen Fedelmagen.

Die Hochzeit selbst wird regelmäßig an einem Dienstag, bisweilen auch
um einem Montag gefeiert. Die meisten Hochzeiten fallen in die Fastnachts¬
und die Adventszeit. Die Freuden des Festes werden mit der ,.Morgensuppe"
eröffnet, einem sehr crgibigen Frühstück, das sowol im Elternhaus der Braut
als in dem des Bräutigams eingenommen wird, und bei dein in den Ort¬
schaften des Isarwinkels der Bräutigam den ersten Laib Brod anzuschneiden
hat, während die unverheirateten Verwandten und Bekannten des Brautpaars
in weißen Schürzen die Bedienung besorgen. Nach Beendigung des Essens
wird die Braut "ausgednnkt", d. h. der Hochzeitlader nimmt für sie von den
Eltern in pathetischer Rede Abschied, worauf sie vom Kranzlherrcn in einem
buntgeschmückten Wagen, dem in andern Fuhrwerken die übrigen Gäste folgen,
unter Peitschenknallen, Pistolenschüssen und lautem Jauchzen nach der Woh¬
nung des Bräutigams gebracht wird. Wo, wie im Traungau, die Morgen¬
suppe im Wirthshaus genossen wird, läßt der Hochzeitslader vor dem Auf¬
bruch der Gäste "nach dem Ehrenzeichen langen", indem er ihnen ein Bündel
bunter Bänder reicht, aus denen jeder Mann sich eins am Hut, jede Frau
eins am Schürzenband befestigt. Zwischen Lech und Jsar geht die Braut
vor der Abfahrt auf den Hof. um die Pferde zu füttern. Sie trägt auf einem''-°-^>


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ein Spinnrad, das mit Flachs bedeckt und reichlich mit bunten Bändern, Tä¬
felchen und Amuleten geziert ist. Die Braut sitzt entweder auf den Betten
oder sie geht, den Röcken im Arm oder ein Milchfaß mit reinem Flachs auf
dem Kopfe neben dem Wagen her, hinter welchem eine Schwester oder Magd
die stattliche Kuh hertreibt, die der wohlhäbige Bauer seiner Tochter gern
mitgibt. Häufig folgt dem Wagen auch ein Zimmermann, der, gegen An¬
theil am Hvchzeitsschmaus, das Brautbett aufzuschlagen hat. Kinder und
Dorfarme pflegen dem Wagen den Weg zu sperren, „die Braut zu vermachen,"
die sich mit Nudeln yder kleiner Münze auflösen muß, was sie um so lieber
thut, als alles, was mau im Brautstand gibt, sich im Ehestand siebenfach ver¬
gilt. Punkt zwölf Uhr Mittags muß der Fedelmagen im Dorfe des Bräu¬
tigams eintreffen. Letzterer geht demselben ein Stück entgegen oder empfängt
die Braut an der Hausthür mit dem Bierkrug, wofür sie ihm die Schlüssel
zu den mitgebrachten Kasten und Truhen übergibt. Im Innern des Hau¬
ses läßt sie ihn? dann durch die Näherin ein selbstgesponnenes Hemd und ein
Paar Schuhe überreichen, während die übrigen Hausgenossen für ihre Hilfe
beim Abladen des Wagens mit Tüchern, Bändern u. a. belohnt werden.
Den Strohsack des Ehebettes muß der Hochzeiter selbst in die Kammer schaf¬
fen. Ist alles eingebracht, so spricht der Pfarrer darüber den Segen. Hier¬
auf wird ein Mahl eingenommen, und am Abend fährt die Braut auf dem
leeren Wagen wieder heim. Heirathet ein Bursch aus den Hof eines Mäd¬
chens, so schickt er ebenfalls einen Fedelmagen.

Die Hochzeit selbst wird regelmäßig an einem Dienstag, bisweilen auch
um einem Montag gefeiert. Die meisten Hochzeiten fallen in die Fastnachts¬
und die Adventszeit. Die Freuden des Festes werden mit der ,.Morgensuppe"
eröffnet, einem sehr crgibigen Frühstück, das sowol im Elternhaus der Braut
als in dem des Bräutigams eingenommen wird, und bei dein in den Ort¬
schaften des Isarwinkels der Bräutigam den ersten Laib Brod anzuschneiden
hat, während die unverheirateten Verwandten und Bekannten des Brautpaars
in weißen Schürzen die Bedienung besorgen. Nach Beendigung des Essens
wird die Braut „ausgednnkt", d. h. der Hochzeitlader nimmt für sie von den
Eltern in pathetischer Rede Abschied, worauf sie vom Kranzlherrcn in einem
buntgeschmückten Wagen, dem in andern Fuhrwerken die übrigen Gäste folgen,
unter Peitschenknallen, Pistolenschüssen und lautem Jauchzen nach der Woh¬
nung des Bräutigams gebracht wird. Wo, wie im Traungau, die Morgen¬
suppe im Wirthshaus genossen wird, läßt der Hochzeitslader vor dem Auf¬
bruch der Gäste „nach dem Ehrenzeichen langen", indem er ihnen ein Bündel
bunter Bänder reicht, aus denen jeder Mann sich eins am Hut, jede Frau
eins am Schürzenband befestigt. Zwischen Lech und Jsar geht die Braut
vor der Abfahrt auf den Hof. um die Pferde zu füttern. Sie trägt auf einem''-°-^>


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/271>, abgerufen am 15.01.2025.