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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Teller für jeden Gaul ein Stück Brot, das mit geweihtem Salz und soge¬
nannten Palmkätzchen bestreut ist. Haben die Thiere das Brot verzehrt, so
schreitet sie dreimal um den Wagen und zerschlägt endlich an einem der
Hinterräder den Teller, worauf sofort eingestiegen und unter Pfeifen- und
Trompetenschall abgefahren wird.

Im Hochzeitsdorf angelangt, wird der Zug mit Musik und Böllerschüssen
empfangen, und der Kranzlhcn hat die Braut zierlich vom Wagen zu schwin¬
gen. Dann setzt sich der Hochzeitszug vom Hause des Bräutigams nach der
Kirche in Bewegung.

"Die Ordnung, die hierbei eingehalten wird, ist durch die Ortssitte über¬
all genau vorgezeichnet und der Hochzcitlader hat über die Einhaltung der¬
selben zu wachen. In der Regel eröffnen die Männer, voran die Ehrenper¬
sonen des Tages, häufig mit dem Favor, d. h. weiß und rothen Arm¬
schleifen*), geziert, der Bräutigam -- am Hut den Rosmarin mit violettem
Band. -- Kranzhcrr, Ehrvater und Hochzeitladcr (die häufig in eine Person
zusammengezogen werden) und Hennenklemmcr -- den Zug, dessen Schluß die
Weiber bilden, geführt von der Braut und ihren Kranzljungfern (früher ge¬
nügte immer Eine, jetzt sieht man oft 4--6 Kranzljungfern) und den Ehren¬
müttern und sämmtlichen weiblichen Verwandten und Gästen nach strenger
Etiquette in umgekehrter Folge der Anciennität geordnet. Manchmal wird
die Braut von einem besonderen, degenbewaffnetcn Brautführer geleitet. Al¬
len voraus zieht die Musik, Hüte und Instrumente mit langen Bändern ge¬
ziert, mit schallendem Spiel bis zur Kirche, an deren Eingang sie die Voll¬
ziehung des Sakramentes abwartet, um dann vom Kirchhof aus den Zug
wieder zurück in's Wirthshaus zu geleiten."

Schmuck und Tracht der Brautleute sind von der "Bavaria"
in dem Kapitel "Volks-Tracht" geschildert; hier möge nur bemerkt wer¬
den, "daß in den Gegenden, in welchem der breite Gürtel um die Hüften
zum Ehrenschinuck der Braut gehört, die in geschlechtlichen Dingen jonst
ziemlich laxe Moral des Landvolks dieses Ehrenzeichen jeder unjung¬
fräulichen Braut mit großer Strenge verweigert. Neben dem Rosmarin-
zweig ist besonders die gelbe Citrone in der linken Hand das meist ver¬
breitete Abzeichen hochzeitlicher Feier, von jedem Gast mit höchster Gravität
getragen. Meist hat die erste Kranzjungfer all diese Zier von Rosmarin,
Kränzchen, Schleifen und Citronen herbeizuschaffen; neben dem Rosmarin wird
besonders das sogenannte Kranzlkraut -- seäum 8exa.vMlg,rö -- als wesent¬
licher Theil des Hochzeitskranzes verwendet.

In der Kirche hat der Hochzeitslader den Kavalier der Braut zu machen
und derselben bei jedem Schritt an den Altar und an ihren Platz zurück so-



*> vgl. Schmclln I. x, 579.

Teller für jeden Gaul ein Stück Brot, das mit geweihtem Salz und soge¬
nannten Palmkätzchen bestreut ist. Haben die Thiere das Brot verzehrt, so
schreitet sie dreimal um den Wagen und zerschlägt endlich an einem der
Hinterräder den Teller, worauf sofort eingestiegen und unter Pfeifen- und
Trompetenschall abgefahren wird.

Im Hochzeitsdorf angelangt, wird der Zug mit Musik und Böllerschüssen
empfangen, und der Kranzlhcn hat die Braut zierlich vom Wagen zu schwin¬
gen. Dann setzt sich der Hochzeitszug vom Hause des Bräutigams nach der
Kirche in Bewegung.

„Die Ordnung, die hierbei eingehalten wird, ist durch die Ortssitte über¬
all genau vorgezeichnet und der Hochzcitlader hat über die Einhaltung der¬
selben zu wachen. In der Regel eröffnen die Männer, voran die Ehrenper¬
sonen des Tages, häufig mit dem Favor, d. h. weiß und rothen Arm¬
schleifen*), geziert, der Bräutigam — am Hut den Rosmarin mit violettem
Band. — Kranzhcrr, Ehrvater und Hochzeitladcr (die häufig in eine Person
zusammengezogen werden) und Hennenklemmcr — den Zug, dessen Schluß die
Weiber bilden, geführt von der Braut und ihren Kranzljungfern (früher ge¬
nügte immer Eine, jetzt sieht man oft 4—6 Kranzljungfern) und den Ehren¬
müttern und sämmtlichen weiblichen Verwandten und Gästen nach strenger
Etiquette in umgekehrter Folge der Anciennität geordnet. Manchmal wird
die Braut von einem besonderen, degenbewaffnetcn Brautführer geleitet. Al¬
len voraus zieht die Musik, Hüte und Instrumente mit langen Bändern ge¬
ziert, mit schallendem Spiel bis zur Kirche, an deren Eingang sie die Voll¬
ziehung des Sakramentes abwartet, um dann vom Kirchhof aus den Zug
wieder zurück in's Wirthshaus zu geleiten."

Schmuck und Tracht der Brautleute sind von der „Bavaria"
in dem Kapitel „Volks-Tracht" geschildert; hier möge nur bemerkt wer¬
den, „daß in den Gegenden, in welchem der breite Gürtel um die Hüften
zum Ehrenschinuck der Braut gehört, die in geschlechtlichen Dingen jonst
ziemlich laxe Moral des Landvolks dieses Ehrenzeichen jeder unjung¬
fräulichen Braut mit großer Strenge verweigert. Neben dem Rosmarin-
zweig ist besonders die gelbe Citrone in der linken Hand das meist ver¬
breitete Abzeichen hochzeitlicher Feier, von jedem Gast mit höchster Gravität
getragen. Meist hat die erste Kranzjungfer all diese Zier von Rosmarin,
Kränzchen, Schleifen und Citronen herbeizuschaffen; neben dem Rosmarin wird
besonders das sogenannte Kranzlkraut — seäum 8exa.vMlg,rö — als wesent¬
licher Theil des Hochzeitskranzes verwendet.

In der Kirche hat der Hochzeitslader den Kavalier der Braut zu machen
und derselben bei jedem Schritt an den Altar und an ihren Platz zurück so-



*> vgl. Schmclln I. x, 579.
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[0272] Teller für jeden Gaul ein Stück Brot, das mit geweihtem Salz und soge¬ nannten Palmkätzchen bestreut ist. Haben die Thiere das Brot verzehrt, so schreitet sie dreimal um den Wagen und zerschlägt endlich an einem der Hinterräder den Teller, worauf sofort eingestiegen und unter Pfeifen- und Trompetenschall abgefahren wird. Im Hochzeitsdorf angelangt, wird der Zug mit Musik und Böllerschüssen empfangen, und der Kranzlhcn hat die Braut zierlich vom Wagen zu schwin¬ gen. Dann setzt sich der Hochzeitszug vom Hause des Bräutigams nach der Kirche in Bewegung. „Die Ordnung, die hierbei eingehalten wird, ist durch die Ortssitte über¬ all genau vorgezeichnet und der Hochzcitlader hat über die Einhaltung der¬ selben zu wachen. In der Regel eröffnen die Männer, voran die Ehrenper¬ sonen des Tages, häufig mit dem Favor, d. h. weiß und rothen Arm¬ schleifen*), geziert, der Bräutigam — am Hut den Rosmarin mit violettem Band. — Kranzhcrr, Ehrvater und Hochzeitladcr (die häufig in eine Person zusammengezogen werden) und Hennenklemmcr — den Zug, dessen Schluß die Weiber bilden, geführt von der Braut und ihren Kranzljungfern (früher ge¬ nügte immer Eine, jetzt sieht man oft 4—6 Kranzljungfern) und den Ehren¬ müttern und sämmtlichen weiblichen Verwandten und Gästen nach strenger Etiquette in umgekehrter Folge der Anciennität geordnet. Manchmal wird die Braut von einem besonderen, degenbewaffnetcn Brautführer geleitet. Al¬ len voraus zieht die Musik, Hüte und Instrumente mit langen Bändern ge¬ ziert, mit schallendem Spiel bis zur Kirche, an deren Eingang sie die Voll¬ ziehung des Sakramentes abwartet, um dann vom Kirchhof aus den Zug wieder zurück in's Wirthshaus zu geleiten." Schmuck und Tracht der Brautleute sind von der „Bavaria" in dem Kapitel „Volks-Tracht" geschildert; hier möge nur bemerkt wer¬ den, „daß in den Gegenden, in welchem der breite Gürtel um die Hüften zum Ehrenschinuck der Braut gehört, die in geschlechtlichen Dingen jonst ziemlich laxe Moral des Landvolks dieses Ehrenzeichen jeder unjung¬ fräulichen Braut mit großer Strenge verweigert. Neben dem Rosmarin- zweig ist besonders die gelbe Citrone in der linken Hand das meist ver¬ breitete Abzeichen hochzeitlicher Feier, von jedem Gast mit höchster Gravität getragen. Meist hat die erste Kranzjungfer all diese Zier von Rosmarin, Kränzchen, Schleifen und Citronen herbeizuschaffen; neben dem Rosmarin wird besonders das sogenannte Kranzlkraut — seäum 8exa.vMlg,rö — als wesent¬ licher Theil des Hochzeitskranzes verwendet. In der Kirche hat der Hochzeitslader den Kavalier der Braut zu machen und derselben bei jedem Schritt an den Altar und an ihren Platz zurück so- *> vgl. Schmclln I. x, 579.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/272>, abgerufen am 15.01.2025.