Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.damit er durch sie eingehen Sonne. Gleichgültig, was dabei vor- oder heraus¬ Sieht man ab von einigen Spitzen der Diplomatie der Großmächte, Sehr weit verbreitet, aber sehr irrig ist die Meinung, es sei die Di¬ damit er durch sie eingehen Sonne. Gleichgültig, was dabei vor- oder heraus¬ Sieht man ab von einigen Spitzen der Diplomatie der Großmächte, Sehr weit verbreitet, aber sehr irrig ist die Meinung, es sei die Di¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0258" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110606"/> <p xml:id="ID_727" prev="#ID_726"> damit er durch sie eingehen Sonne. Gleichgültig, was dabei vor- oder heraus¬<lb/> komme, das Dabeigewesenscin kann nur nützen, niemals schaden. Wie in<lb/> so vielen Zweigen des öffentlichen Lebens und Dienstes, so ist in den letzten<lb/> vierzig Jahren auch in der Diplomatie, namentlich in Deutschland, d. h. in<lb/> den deutschen Staaten, manches faul geworden, und die schlimmen Folgen<lb/> werden erst zu Tage treten,-wenn die vorbeugende, beschränkende, ordnende<lb/> Thätigkeit der Diplomatie sich wieder an großen, in das Völkerleben und die<lb/> Staatenbildung tief eingreifenden Vorwürfen zu üben haben wird. Diese<lb/> Phase beginnt einzutreten, ist aber noch nicht zu ihrer vollen Entwicklung<lb/> gelangt; es ist hohe Zeit, daß die Diplomatie sich regenerire. Dazu gehört<lb/> aber vor Allem, daß neben dem Salon das Cabinet wieder zu Ehren ge¬<lb/> bracht wird in der Anschauung der Angehörigen des Faches.</p><lb/> <p xml:id="ID_728"> Sieht man ab von einigen Spitzen der Diplomatie der Großmächte,<lb/> welche bei Welt- und staatsmännischer wie streng wissenschaftlicher Bildung<lb/> durch alle Verlockungen auf ihrer Lebensbahn sittlichen Ernst und patriotische<lb/> Gesinnung bewahrt haben, so findet man unter dem seit einem Menschenalter<lb/> herangezogenen Nachwuchs nur eine Minderzahl solchen Vorbildern nach¬<lb/> strebend. Diese Wenigen tragen die Last der Geschäfte und sind nicht die<lb/> Lieblinge der Gunst. Ihnen fehlen die Connexionen, ihre Arbeitskraft wird<lb/> daher benutzt, aber sie arbeiten Andere, nicht sich selbst, empor. Sie eignen<lb/> sich in der Regel nicht zum Repräsentiren und Jntriguiren, häusig fehlen ihnen<lb/> auch eigne Mittel oder es fehlt ihnen eine gewisse Virtuosität im Schulden¬<lb/> machen, und sie müssen schon deshalb auf Stellungen verzichten, die einen<lb/> die Bezüge überschreitenden Aufwand erfordern. Grade diesen Personen ober<lb/> sollten die Minister und die Chefs der Gesandtschaften ihre Aufmerksamkeit<lb/> zuwenden, weil unter ihnen die tüchtigsten und bildungsfähigsten Kräfte vor¬<lb/> handen sind, weil man ihnen die wichtigsten Arbeiten übertragen muß, ihr<lb/> Charakter nicht selten auf schwere Proben gestellt wird, und weil eine größere<lb/> Zahl begabter, junger Männer von der Frivolität ab, dem Studium und<lb/> der strengen Arbeit zugeführt werden, wenn nicht die Erstere gehätschelt, die<lb/> Letzteren als Stiefkinder behandelt werden. Wir sind darauf gefaßt, daß ein<lb/> richtig geschulter junger Salon-Diplomat, falls ein eigener Zufall ihm diese<lb/> Zeilen vor die Augen bringen sollte, ausrufen wird: „Wer Teufel Hai das<lb/> Ding soufflirt; gewiß der Legationssekretär X., das . . Packroß!"</p><lb/> <p xml:id="ID_729" next="#ID_730"> Sehr weit verbreitet, aber sehr irrig ist die Meinung, es sei die Di¬<lb/> plomatie, welche die Politik mache. Es sollte dieser bedeutenden Klasse<lb/> von Staatsdienern selbst daran gelegen sein, daß diesem Irrthum begegnet<lb/> werde, denn er bringt ihr mehr Verdruß als Annehmlichkeit. Wenn wir<lb/> nicht fürchten müßten, in den vornehme» Cirkeln anzustoßen, so möchten wir<lb/> den Antheil der Diplomatie an der Politik mit der Rolle des Reisenden</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0258]
damit er durch sie eingehen Sonne. Gleichgültig, was dabei vor- oder heraus¬
komme, das Dabeigewesenscin kann nur nützen, niemals schaden. Wie in
so vielen Zweigen des öffentlichen Lebens und Dienstes, so ist in den letzten
vierzig Jahren auch in der Diplomatie, namentlich in Deutschland, d. h. in
den deutschen Staaten, manches faul geworden, und die schlimmen Folgen
werden erst zu Tage treten,-wenn die vorbeugende, beschränkende, ordnende
Thätigkeit der Diplomatie sich wieder an großen, in das Völkerleben und die
Staatenbildung tief eingreifenden Vorwürfen zu üben haben wird. Diese
Phase beginnt einzutreten, ist aber noch nicht zu ihrer vollen Entwicklung
gelangt; es ist hohe Zeit, daß die Diplomatie sich regenerire. Dazu gehört
aber vor Allem, daß neben dem Salon das Cabinet wieder zu Ehren ge¬
bracht wird in der Anschauung der Angehörigen des Faches.
Sieht man ab von einigen Spitzen der Diplomatie der Großmächte,
welche bei Welt- und staatsmännischer wie streng wissenschaftlicher Bildung
durch alle Verlockungen auf ihrer Lebensbahn sittlichen Ernst und patriotische
Gesinnung bewahrt haben, so findet man unter dem seit einem Menschenalter
herangezogenen Nachwuchs nur eine Minderzahl solchen Vorbildern nach¬
strebend. Diese Wenigen tragen die Last der Geschäfte und sind nicht die
Lieblinge der Gunst. Ihnen fehlen die Connexionen, ihre Arbeitskraft wird
daher benutzt, aber sie arbeiten Andere, nicht sich selbst, empor. Sie eignen
sich in der Regel nicht zum Repräsentiren und Jntriguiren, häusig fehlen ihnen
auch eigne Mittel oder es fehlt ihnen eine gewisse Virtuosität im Schulden¬
machen, und sie müssen schon deshalb auf Stellungen verzichten, die einen
die Bezüge überschreitenden Aufwand erfordern. Grade diesen Personen ober
sollten die Minister und die Chefs der Gesandtschaften ihre Aufmerksamkeit
zuwenden, weil unter ihnen die tüchtigsten und bildungsfähigsten Kräfte vor¬
handen sind, weil man ihnen die wichtigsten Arbeiten übertragen muß, ihr
Charakter nicht selten auf schwere Proben gestellt wird, und weil eine größere
Zahl begabter, junger Männer von der Frivolität ab, dem Studium und
der strengen Arbeit zugeführt werden, wenn nicht die Erstere gehätschelt, die
Letzteren als Stiefkinder behandelt werden. Wir sind darauf gefaßt, daß ein
richtig geschulter junger Salon-Diplomat, falls ein eigener Zufall ihm diese
Zeilen vor die Augen bringen sollte, ausrufen wird: „Wer Teufel Hai das
Ding soufflirt; gewiß der Legationssekretär X., das . . Packroß!"
Sehr weit verbreitet, aber sehr irrig ist die Meinung, es sei die Di¬
plomatie, welche die Politik mache. Es sollte dieser bedeutenden Klasse
von Staatsdienern selbst daran gelegen sein, daß diesem Irrthum begegnet
werde, denn er bringt ihr mehr Verdruß als Annehmlichkeit. Wenn wir
nicht fürchten müßten, in den vornehme» Cirkeln anzustoßen, so möchten wir
den Antheil der Diplomatie an der Politik mit der Rolle des Reisenden
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |