Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.des Rechts und des öffentlichen Wohls. Wir glauben zwar nicht, daß solche des Rechts und des öffentlichen Wohls. Wir glauben zwar nicht, daß solche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0257" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110605"/> <p xml:id="ID_726" prev="#ID_725" next="#ID_727"> des Rechts und des öffentlichen Wohls. Wir glauben zwar nicht, daß solche<lb/> Leistungen, die zuletzt auf gute Benutzung der Hebel von Lohn und Strafe<lb/> hinauslaufen, die großen Angelegenheiten entscheiden, welche von den leiten¬<lb/> den Persönlichkeiten selbst behandelt werden. Aber es sind die Mittel der<lb/> untergeordneten, der ergänzenden, der Hilfsarbeit. Dabei handelt es sich nicht<lb/> mehr um Recht, um öffentliches Wohl, um allgemeine Interessen. Diese<lb/> Phrasen gehören in die Schriftstücke, welche aus dem Cabinet des Ministers<lb/> oder des Gesandten hervorgehn, aber zu dem Geflüster der persönlichen Unter¬<lb/> haltung sind sie nicht zu brauchen; man würde sich in der „Gesellschaft" damit<lb/> nur lächerlich machen, man würde bald als Schwachkopf erkannt und vernachläs¬<lb/> sigt sein, wenn man dergleichen Argumente gegen einen andern Menschen als gegen<lb/> einen notorischen, aber doch noch zu berücksichtigenden Schwachkopf geltend machen<lb/> wollte. Es handelt sich darum, die Anhänger anzufeuern, ihre Zahl zu verstär¬<lb/> ken, die Gegner zu gewinnen oder unschädlich zu machen, und dies ist das Feld,<lb/> auf welchem Orden, Stellen und üble Nachrede neben Küche, Keller und andern<lb/> Herrlichkeiten ihre Rolle spielen, die Aussichten aus persönliche Bordseite je nach<lb/> Umständen in die Nähe oder in die Ferne gerückt werden. Die Sache selbst<lb/> und ihre Bedeutung wird im heiligen Eifer aus dem Auge verloren; man<lb/> sieht nur noch Personen, die man zu benutzen, zu gewinnen, oder denen man<lb/> ein Bein zu stellen hat; die Nebenarbeit wird zur Hauptsache und diese<lb/> Hauptsache ist das Jntriguenspiel. Hier liegt die gefährliche Klippe für die<lb/> Ausbildung unserer jungen Diplomaten, und zugleich die Erklärung, warum<lb/> so manche von den älteren, welche nur durch diese und durch keine andere<lb/> Schule gegangen, der Behandlung der wichtigern Angelegenheiten und Aus¬<lb/> gaben, mit denen die Diplomatie betraut werden muß, nicht gewachsen sind.<lb/> Ueber dem äußern Schein geht ihnen das innere Wesen verloren; indem sie<lb/> zu ködern suchen, laufen sie Gefahr geködert zu werden; was sie bei Andern<lb/> als vorzugsweise begehrenswert!) vorauszusetzen angewiesen werden, das muß<lb/> ihnen am Ende auch für die eigene Person als das Höchste erscheinen. Wie<lb/> die genaue Kenntniß sämmtlicher auf dem Erdenrunde bestehender Orden un¬<lb/> erläßlich, so soll es Beispiele geben, daß das Dichten und Trachten Einzelner<lb/> vor Allem der Erwerb dieser oder jener Decoration ist. und ihr ganzes Ver¬<lb/> halten auf die Anwendung der geeigneten Mittel zu diesem Zwecke sich richtet.<lb/> Dieses Streben wird zur Leidenschaft, die nie vollständige Befriedigung findet.<lb/> Die Engländer wissen recht gut, warum sie mit ihren Orden haushalten.<lb/> Wenn gegenwärtig die Cabinetc so wenig geneigt sind, einen Congreß wegen<lb/> der italienischen Frage zu berufen, so darf man darin ja nicht die Hand<lb/> ihrer Agenten erblicken. Wer von diesen auch nur eine entfernte Aussicht<lb/> hat, in irgend welcher Weise zu einem Congresse entsendet oder mitgenommen<lb/> zu werden, der wird alles thun, um diese Himmelspforte offen zu halten,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0257]
des Rechts und des öffentlichen Wohls. Wir glauben zwar nicht, daß solche
Leistungen, die zuletzt auf gute Benutzung der Hebel von Lohn und Strafe
hinauslaufen, die großen Angelegenheiten entscheiden, welche von den leiten¬
den Persönlichkeiten selbst behandelt werden. Aber es sind die Mittel der
untergeordneten, der ergänzenden, der Hilfsarbeit. Dabei handelt es sich nicht
mehr um Recht, um öffentliches Wohl, um allgemeine Interessen. Diese
Phrasen gehören in die Schriftstücke, welche aus dem Cabinet des Ministers
oder des Gesandten hervorgehn, aber zu dem Geflüster der persönlichen Unter¬
haltung sind sie nicht zu brauchen; man würde sich in der „Gesellschaft" damit
nur lächerlich machen, man würde bald als Schwachkopf erkannt und vernachläs¬
sigt sein, wenn man dergleichen Argumente gegen einen andern Menschen als gegen
einen notorischen, aber doch noch zu berücksichtigenden Schwachkopf geltend machen
wollte. Es handelt sich darum, die Anhänger anzufeuern, ihre Zahl zu verstär¬
ken, die Gegner zu gewinnen oder unschädlich zu machen, und dies ist das Feld,
auf welchem Orden, Stellen und üble Nachrede neben Küche, Keller und andern
Herrlichkeiten ihre Rolle spielen, die Aussichten aus persönliche Bordseite je nach
Umständen in die Nähe oder in die Ferne gerückt werden. Die Sache selbst
und ihre Bedeutung wird im heiligen Eifer aus dem Auge verloren; man
sieht nur noch Personen, die man zu benutzen, zu gewinnen, oder denen man
ein Bein zu stellen hat; die Nebenarbeit wird zur Hauptsache und diese
Hauptsache ist das Jntriguenspiel. Hier liegt die gefährliche Klippe für die
Ausbildung unserer jungen Diplomaten, und zugleich die Erklärung, warum
so manche von den älteren, welche nur durch diese und durch keine andere
Schule gegangen, der Behandlung der wichtigern Angelegenheiten und Aus¬
gaben, mit denen die Diplomatie betraut werden muß, nicht gewachsen sind.
Ueber dem äußern Schein geht ihnen das innere Wesen verloren; indem sie
zu ködern suchen, laufen sie Gefahr geködert zu werden; was sie bei Andern
als vorzugsweise begehrenswert!) vorauszusetzen angewiesen werden, das muß
ihnen am Ende auch für die eigene Person als das Höchste erscheinen. Wie
die genaue Kenntniß sämmtlicher auf dem Erdenrunde bestehender Orden un¬
erläßlich, so soll es Beispiele geben, daß das Dichten und Trachten Einzelner
vor Allem der Erwerb dieser oder jener Decoration ist. und ihr ganzes Ver¬
halten auf die Anwendung der geeigneten Mittel zu diesem Zwecke sich richtet.
Dieses Streben wird zur Leidenschaft, die nie vollständige Befriedigung findet.
Die Engländer wissen recht gut, warum sie mit ihren Orden haushalten.
Wenn gegenwärtig die Cabinetc so wenig geneigt sind, einen Congreß wegen
der italienischen Frage zu berufen, so darf man darin ja nicht die Hand
ihrer Agenten erblicken. Wer von diesen auch nur eine entfernte Aussicht
hat, in irgend welcher Weise zu einem Congresse entsendet oder mitgenommen
zu werden, der wird alles thun, um diese Himmelspforte offen zu halten,
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