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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Erinnerung aus der Heidenzeit des Volkes um. die Pcrchtfrau, einst eine
hohe lichte Göttin, die Personification hausmütterlichen Waltens, die Schütz¬
erin und Lohnerin fleißiger treuer Arbeit, später eine Unhvldin, die gespen¬
stisch umherschleichend faulen Spinnerinnen den nicht abgesponnenen Flachs am
Rocken verdarb, ihnen die saumseligen Finger verbrannte, ihnen des Nachts
den Bauch ausschnitt und Häckerling und Werg hineinstopfte, jetzt nur noch ein
Spuk für uugezogne Kinder, in welcher Gestalt sie gleich dem norddeutschen
Ruprecht häufig schon am Nikolaustag erscheint.

Endlich macht die Dreikönigsnacht auch den Schluß der offenen Zeit für
das "wilde Gejaid", das "wüthige Heer", welches vom Advent an und zu¬
meist in den zwölf Nächten auch hier neben den biblischen Hirten, Königen
und Weisen seinen unheimlich dahinbrausendcn Zug durch, die Lüfte hält. Un¬
vorsichtige mit fortführt, Spöttern die blutende Lende eines Menschen oder
Pferdes zuwirft. Von dem ursprünglichen Zusammenhang mit Wuotan, dem
göttlichen Führer des Todtenheeres, haben sich nur schwache Spuren erhalten.
Dagegen sagt man hier, daß der Teufel zu Weihnachten die Holzweiblein
jage.

Ein zweiter wichtiger Tag im Bauernkalender Altbayerns ist Mariä Licht¬
meß oder Kerzenweihe -- der 2. Februar. An diesem Tag wird überall das
Wachs geweiht, dessen die Kirche und das Vauernhaus im Lauf des Jahres
bedarf. "Die Kirche insbesondre weiht die Osterkerze, welche bei Taufen, zu
Ostern, zu Frohnleichnam angezündet wird, und die Wetterkerze, die man wäh¬
rend des Sommers bei den sogenannten Schauermessen anzündet, um Hagel¬
schlag und Wolkenbruch fern zu halten. Jeder Hausvater kauft von der
Kirche eine geweihte weiße Kerze für sich, für die Frau den rothen Machsstock.
Die Hauskerze wird das Jahr hindurch sorgsam aufbewahrt und nur bei
schwerem Unwetter in der Nacht angebrannt; ebenso wird sie am Sterbebett
angezündet, um den Teufel von der scheidenden armen Seele fern zu halten;
das rothe Wachs des Frauenwachsstocks pflegt besonders um Hand, Fuß und
Geräth der Wöchnerin gewunden zu werden, um allen Zauber von Mutter
und Kind abzuwehren. Ferner werden diese rothen Wachsstöcke von den Wei¬
bern in der Kirche angezündet, wenn sie um einen Verstorbenen in der Klage
sind, "zum Heil der armen Seele im Fegefeuer." Endlich macht man aus
diesem Wachs auch den Trudenfuß, der zum Schutz gegen die im Glauben
des Landvolks noch immer lebendigen Hexen und Trüben gebraucht wird.

Am 5. Februar, dem /Tage der heiligen Agathe, wird namentlich im
Jsarland das Brot geweiht, was jedoch in einigen Gegenden am grünen
Donnerstag geschieht, wieder in andern am Benedictcntag vorgenommen wird.

Der Fasching, der auf dem Lande mit dem letzten Donnerstag vor den
Fasten gipfelt, wird vorzüglich mit Maskcnlausen gefeiert, indeß ist die Ver-


Erinnerung aus der Heidenzeit des Volkes um. die Pcrchtfrau, einst eine
hohe lichte Göttin, die Personification hausmütterlichen Waltens, die Schütz¬
erin und Lohnerin fleißiger treuer Arbeit, später eine Unhvldin, die gespen¬
stisch umherschleichend faulen Spinnerinnen den nicht abgesponnenen Flachs am
Rocken verdarb, ihnen die saumseligen Finger verbrannte, ihnen des Nachts
den Bauch ausschnitt und Häckerling und Werg hineinstopfte, jetzt nur noch ein
Spuk für uugezogne Kinder, in welcher Gestalt sie gleich dem norddeutschen
Ruprecht häufig schon am Nikolaustag erscheint.

Endlich macht die Dreikönigsnacht auch den Schluß der offenen Zeit für
das „wilde Gejaid", das „wüthige Heer", welches vom Advent an und zu¬
meist in den zwölf Nächten auch hier neben den biblischen Hirten, Königen
und Weisen seinen unheimlich dahinbrausendcn Zug durch, die Lüfte hält. Un¬
vorsichtige mit fortführt, Spöttern die blutende Lende eines Menschen oder
Pferdes zuwirft. Von dem ursprünglichen Zusammenhang mit Wuotan, dem
göttlichen Führer des Todtenheeres, haben sich nur schwache Spuren erhalten.
Dagegen sagt man hier, daß der Teufel zu Weihnachten die Holzweiblein
jage.

Ein zweiter wichtiger Tag im Bauernkalender Altbayerns ist Mariä Licht¬
meß oder Kerzenweihe — der 2. Februar. An diesem Tag wird überall das
Wachs geweiht, dessen die Kirche und das Vauernhaus im Lauf des Jahres
bedarf. „Die Kirche insbesondre weiht die Osterkerze, welche bei Taufen, zu
Ostern, zu Frohnleichnam angezündet wird, und die Wetterkerze, die man wäh¬
rend des Sommers bei den sogenannten Schauermessen anzündet, um Hagel¬
schlag und Wolkenbruch fern zu halten. Jeder Hausvater kauft von der
Kirche eine geweihte weiße Kerze für sich, für die Frau den rothen Machsstock.
Die Hauskerze wird das Jahr hindurch sorgsam aufbewahrt und nur bei
schwerem Unwetter in der Nacht angebrannt; ebenso wird sie am Sterbebett
angezündet, um den Teufel von der scheidenden armen Seele fern zu halten;
das rothe Wachs des Frauenwachsstocks pflegt besonders um Hand, Fuß und
Geräth der Wöchnerin gewunden zu werden, um allen Zauber von Mutter
und Kind abzuwehren. Ferner werden diese rothen Wachsstöcke von den Wei¬
bern in der Kirche angezündet, wenn sie um einen Verstorbenen in der Klage
sind, „zum Heil der armen Seele im Fegefeuer." Endlich macht man aus
diesem Wachs auch den Trudenfuß, der zum Schutz gegen die im Glauben
des Landvolks noch immer lebendigen Hexen und Trüben gebraucht wird.

Am 5. Februar, dem /Tage der heiligen Agathe, wird namentlich im
Jsarland das Brot geweiht, was jedoch in einigen Gegenden am grünen
Donnerstag geschieht, wieder in andern am Benedictcntag vorgenommen wird.

Der Fasching, der auf dem Lande mit dem letzten Donnerstag vor den
Fasten gipfelt, wird vorzüglich mit Maskcnlausen gefeiert, indeß ist die Ver-


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[0235] Erinnerung aus der Heidenzeit des Volkes um. die Pcrchtfrau, einst eine hohe lichte Göttin, die Personification hausmütterlichen Waltens, die Schütz¬ erin und Lohnerin fleißiger treuer Arbeit, später eine Unhvldin, die gespen¬ stisch umherschleichend faulen Spinnerinnen den nicht abgesponnenen Flachs am Rocken verdarb, ihnen die saumseligen Finger verbrannte, ihnen des Nachts den Bauch ausschnitt und Häckerling und Werg hineinstopfte, jetzt nur noch ein Spuk für uugezogne Kinder, in welcher Gestalt sie gleich dem norddeutschen Ruprecht häufig schon am Nikolaustag erscheint. Endlich macht die Dreikönigsnacht auch den Schluß der offenen Zeit für das „wilde Gejaid", das „wüthige Heer", welches vom Advent an und zu¬ meist in den zwölf Nächten auch hier neben den biblischen Hirten, Königen und Weisen seinen unheimlich dahinbrausendcn Zug durch, die Lüfte hält. Un¬ vorsichtige mit fortführt, Spöttern die blutende Lende eines Menschen oder Pferdes zuwirft. Von dem ursprünglichen Zusammenhang mit Wuotan, dem göttlichen Führer des Todtenheeres, haben sich nur schwache Spuren erhalten. Dagegen sagt man hier, daß der Teufel zu Weihnachten die Holzweiblein jage. Ein zweiter wichtiger Tag im Bauernkalender Altbayerns ist Mariä Licht¬ meß oder Kerzenweihe — der 2. Februar. An diesem Tag wird überall das Wachs geweiht, dessen die Kirche und das Vauernhaus im Lauf des Jahres bedarf. „Die Kirche insbesondre weiht die Osterkerze, welche bei Taufen, zu Ostern, zu Frohnleichnam angezündet wird, und die Wetterkerze, die man wäh¬ rend des Sommers bei den sogenannten Schauermessen anzündet, um Hagel¬ schlag und Wolkenbruch fern zu halten. Jeder Hausvater kauft von der Kirche eine geweihte weiße Kerze für sich, für die Frau den rothen Machsstock. Die Hauskerze wird das Jahr hindurch sorgsam aufbewahrt und nur bei schwerem Unwetter in der Nacht angebrannt; ebenso wird sie am Sterbebett angezündet, um den Teufel von der scheidenden armen Seele fern zu halten; das rothe Wachs des Frauenwachsstocks pflegt besonders um Hand, Fuß und Geräth der Wöchnerin gewunden zu werden, um allen Zauber von Mutter und Kind abzuwehren. Ferner werden diese rothen Wachsstöcke von den Wei¬ bern in der Kirche angezündet, wenn sie um einen Verstorbenen in der Klage sind, „zum Heil der armen Seele im Fegefeuer." Endlich macht man aus diesem Wachs auch den Trudenfuß, der zum Schutz gegen die im Glauben des Landvolks noch immer lebendigen Hexen und Trüben gebraucht wird. Am 5. Februar, dem /Tage der heiligen Agathe, wird namentlich im Jsarland das Brot geweiht, was jedoch in einigen Gegenden am grünen Donnerstag geschieht, wieder in andern am Benedictcntag vorgenommen wird. Der Fasching, der auf dem Lande mit dem letzten Donnerstag vor den Fasten gipfelt, wird vorzüglich mit Maskcnlausen gefeiert, indeß ist die Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/235>, abgerufen am 15.01.2025.