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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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vor ihnen! -- seien zu sehr an das Predigen gewöhnt. -- Frankreich, gleich¬
falls durch ultramontane Intriguen bedroht, habe die Aufgabe, zwischen
Deutschland und Italien zu vermitteln. -- Der Brief wurde durch Du H6ron
an den französischen Minister Torcy geschickt, und dieser gab ihn an einen,
für den er am wenigsten geschrieben war, an Bossuet, -- Der Prälat bewahrte
eine sehr gute Haltung (11. Jan. 1699): die Verhandlungen seien 1694 nur
durch den Krieg unterbrochen, er sei bereit, sie unter den von Leibnitz gestellten
Bedingungen, die er ganz zweckmäßig finde, wieder aufzunehmen. Anton Ul¬
rich sprach sich (25. Jan.) sehr glücklich darüber aus; Leibnitz selbst war nicht
ganz ohne Verlegenheit.

-- Um keinen Umstand auszulassen -- grade in dieser Periode fragte
Leibnitz, zum Mitglied der französischen Akademie der Wissenschaften ernannt,
nach allen Seiten darüber an, ob diese Stellung nicht mit einem Gehalt ver¬
bunden werden könne? -- (II. 239--40. 250.) --

Die Verlegenheit lag zum Theil darin, daß der französische Gesandte bei¬
läufig bemerkte, König Ludwig behalte sich vor, in die Papiere der zu er¬
öffnenden Verhandlungen selbst Einsicht zu nehmen: -- also eine Korrespon¬
denz mit Ludwig dem Vierzehnten! -- Molanus selbst fand doch für nöthig,
den Freund zu erinnern, ob er nicht erst bei seinem Landesherrn um Erlaub¬
niß einkommen wolle? -- Und in diesem Sinn beschied denn Leibnitz in der
That den französischen Prälaten, indem er hinzusetzte, es sei ihm übrigens
eine große Ehre, den Briefwechsel wieder aufzunehmen, und noch dazu unter
den Augen eines Monarchen, "der fast alles kann, was Menschen überhaupt
können". LumNrum xaueis vivit genus: zur pfeil noinbrs as ArarM xriness
eontisnt 6millöinm6ut pour ainsi airs tout 1s rssts du gsurs Kuman. --
Aber er zögerte, ehe er es wagte, sich an den Kurfürsten zu wenden: es sind
mehrere Brouillons da, eines französisch, das andere deutsch; die Gründe stim¬
men in beiden nicht überein. In dem einen (datirt 28. Febr. 1699) will
Leibnitz "nur dieses anführen, daß ob zwar wenig Hoffnung zur Wieder¬
vereinigung zu unserer Zeit, dennoch dienlich sein würde, zuvörderst seine gute
Neigung zu zeigen und alle Schuld der ferner anhaltenden Trennung von sich
zu wälzen . . . auch zu verhüten, daß die römische Partei künftig solche un¬
bedingte Ksumones, wie anjetzo geschieht, erhalten möge;" in dem andern
wird auf die Nothwendigkeit hingewiesen, dem Herzog Anton Ulrich den Vor¬
sprung bei Ludwig dem Vierzehnten abzugewinnen. Beide Schreiben enthal¬
ten die unrichtige Behauptung, die Unterhandlung sei von französischer Seite
aufgenommen. An den französischen Gesandten schreibt Leibnitz 24. März
1699: "ich darf die Erlaubniß, von Zeit zu Zeit dem Herzog Anton Ulrich
aufzuwarten, nicht mißbrauchen, weil man sie mir sonst ganz und gar ent¬
zieht. Mnnem Kurfürsten gegenüber bedarf es der größten Vorsicht. Schon


vor ihnen! — seien zu sehr an das Predigen gewöhnt. — Frankreich, gleich¬
falls durch ultramontane Intriguen bedroht, habe die Aufgabe, zwischen
Deutschland und Italien zu vermitteln. — Der Brief wurde durch Du H6ron
an den französischen Minister Torcy geschickt, und dieser gab ihn an einen,
für den er am wenigsten geschrieben war, an Bossuet, — Der Prälat bewahrte
eine sehr gute Haltung (11. Jan. 1699): die Verhandlungen seien 1694 nur
durch den Krieg unterbrochen, er sei bereit, sie unter den von Leibnitz gestellten
Bedingungen, die er ganz zweckmäßig finde, wieder aufzunehmen. Anton Ul¬
rich sprach sich (25. Jan.) sehr glücklich darüber aus; Leibnitz selbst war nicht
ganz ohne Verlegenheit.

— Um keinen Umstand auszulassen — grade in dieser Periode fragte
Leibnitz, zum Mitglied der französischen Akademie der Wissenschaften ernannt,
nach allen Seiten darüber an, ob diese Stellung nicht mit einem Gehalt ver¬
bunden werden könne? — (II. 239—40. 250.) —

Die Verlegenheit lag zum Theil darin, daß der französische Gesandte bei¬
läufig bemerkte, König Ludwig behalte sich vor, in die Papiere der zu er¬
öffnenden Verhandlungen selbst Einsicht zu nehmen: — also eine Korrespon¬
denz mit Ludwig dem Vierzehnten! — Molanus selbst fand doch für nöthig,
den Freund zu erinnern, ob er nicht erst bei seinem Landesherrn um Erlaub¬
niß einkommen wolle? — Und in diesem Sinn beschied denn Leibnitz in der
That den französischen Prälaten, indem er hinzusetzte, es sei ihm übrigens
eine große Ehre, den Briefwechsel wieder aufzunehmen, und noch dazu unter
den Augen eines Monarchen, „der fast alles kann, was Menschen überhaupt
können". LumNrum xaueis vivit genus: zur pfeil noinbrs as ArarM xriness
eontisnt 6millöinm6ut pour ainsi airs tout 1s rssts du gsurs Kuman. —
Aber er zögerte, ehe er es wagte, sich an den Kurfürsten zu wenden: es sind
mehrere Brouillons da, eines französisch, das andere deutsch; die Gründe stim¬
men in beiden nicht überein. In dem einen (datirt 28. Febr. 1699) will
Leibnitz „nur dieses anführen, daß ob zwar wenig Hoffnung zur Wieder¬
vereinigung zu unserer Zeit, dennoch dienlich sein würde, zuvörderst seine gute
Neigung zu zeigen und alle Schuld der ferner anhaltenden Trennung von sich
zu wälzen . . . auch zu verhüten, daß die römische Partei künftig solche un¬
bedingte Ksumones, wie anjetzo geschieht, erhalten möge;" in dem andern
wird auf die Nothwendigkeit hingewiesen, dem Herzog Anton Ulrich den Vor¬
sprung bei Ludwig dem Vierzehnten abzugewinnen. Beide Schreiben enthal¬
ten die unrichtige Behauptung, die Unterhandlung sei von französischer Seite
aufgenommen. An den französischen Gesandten schreibt Leibnitz 24. März
1699: „ich darf die Erlaubniß, von Zeit zu Zeit dem Herzog Anton Ulrich
aufzuwarten, nicht mißbrauchen, weil man sie mir sonst ganz und gar ent¬
zieht. Mnnem Kurfürsten gegenüber bedarf es der größten Vorsicht. Schon


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/224>, abgerufen am 15.01.2025.