Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.so gibt es doch Unzählige, die man niemals davon überzeugen wird. Ich Inzwischen hatte Leibnitz schon 26. Nov. 1697 im Auftrag des Kur¬ *) Auch mit Peter dem Großen war er Juli 1697 in Berührung gekommen, und baute auf ihn große Hoffnungen in Bezug auf die Organisation naturwissenschaftlicher Beobachtun¬ gen in Asien; seine Briefe an Fabricius und Schmidt sind voll davon, z, B. II S. 116. 123, 125, Grenzboten IV. 1860, 27
so gibt es doch Unzählige, die man niemals davon überzeugen wird. Ich Inzwischen hatte Leibnitz schon 26. Nov. 1697 im Auftrag des Kur¬ *) Auch mit Peter dem Großen war er Juli 1697 in Berührung gekommen, und baute auf ihn große Hoffnungen in Bezug auf die Organisation naturwissenschaftlicher Beobachtun¬ gen in Asien; seine Briefe an Fabricius und Schmidt sind voll davon, z, B. II S. 116. 123, 125, Grenzboten IV. 1860, 27
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so gibt es doch Unzählige, die man niemals davon überzeugen wird. Ich
glaube aber, daß diese Verschiedenheit in den Meinungen diejenige Einheit,
welche man wünscht, nicht hindert. Doch soll man den aufgeklärtesten Geist¬
lichen zu verstehn geben, daß der Unterschied im Wesen nicht so groß ist, als
er in den Formen äußerlich erscheint. Die Politiker müssen den Anstoß geben,
aber man braucht der Theologen, um auf das Volk zu wirken und auf die
Vorurtheilsvollen, die auch in den höhern Kreisen nicht selten sind." Aber in
Berlin wollte man weiter gehn. Hier, wo der Hof reformirt und das Volk
lutherisch war, hatte man ein lebendigeres Interesse an der Union, und
der Kurfürst beauftragte seinen Hofprediger Jablonski, sofort die Prälimi¬
narien einer vollständigen Union aufzusetzen. Jablonski's Gutachten ging da¬
hin, daß in den wichtigsten und nöthigsten Grundwahrheiten der christlichen
Religion zwischen beiden Kirchen kein Unterschied und keine Ursache zur Tren¬
nung sei; dies Gutachten brachte der große Gelehrte Ezechiel von Span¬
heim, der als brandenburgischer Gesandter nach Paris ging, noch im
Dec. 1697 nach Hannover. „Ich glaube nicht, schreibt Leibnitz 17. Dec. nach
Berlin, daß man auf diese Art anfangen müsse, die Sache in Gang zu brin¬
gen." Doch übernahm er, mit Molanus, Fabricius und Schmidt, die berliner
Denkschrift zu überlegen und sich darüber vernehmen zu lassen. Die Helm¬
städter theologische Fucultät erklärte sie in einem Gutachten 16. März 1699
für eine „fromme, orthodoxe, genaue, gründliche, müßige und für den Zweck
des Kirchenfriedens geeignete Schrift".
Inzwischen hatte Leibnitz schon 26. Nov. 1697 im Auftrag des Kur¬
fürsten Ernst August und des Herzogs Anton Ulrich den helmstädter Abt
Calixt aufgefordert, die Abhandlung seines Vaters as tolsi-artig, rötorina»
eorum ecelesiastioa mit einer Vorrede in gleichem Sinn neu herauszugeben,
und brachte diese Schrift 10. Dec. fertig aus Wolfenbüttel mit. Molanus,
dem er sie mittheilte, war ebensowenig damit zufrieden als Leibnitz, beiden
lag im Stillen noch immer die allgemeine Union vor Augen. Er trieb
fortwährend die Helmstädter an, ausführlicher einzugehn, und beschwichtigte
jeden theologischen Zweifel durch die Autorität des Hofes oder vielmehr der
beiden Höfe, denen er diente.*) Denn seit 1691 hatte er auch die Bibliothek
in Wolfenbüttel erhalten. Seine Stellung war nicht ganz klar: Anton
Ulrich intriguirte mit den jüngeren Söhnen Ernst August's gegen die hannö-
versche Primogenitur, und mit andern Fürsten gegen die Kurwürde des jün-
gern Hauses. Es war so weit gekommen, daß Ernst August, der, wo es
*) Auch mit Peter dem Großen war er Juli 1697 in Berührung gekommen, und baute
auf ihn große Hoffnungen in Bezug auf die Organisation naturwissenschaftlicher Beobachtun¬
gen in Asien; seine Briefe an Fabricius und Schmidt sind voll davon, z, B. II S. 116.
123, 125,
Grenzboten IV. 1860, 27
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