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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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malungen selten oder sehr einfach roth und schwarz. Lentner, dessen Untersuchungen
die"Bavaria" hier folgt, erkennt in deu Ansiedlungen dieses Gaues die ältesteForm
des deutschen Bauernhofes. In dem Geviert, das die einzelnen Gebäude bil¬
den, steht mit der Breitseite gegen Norden das Wohnhaus, gegen Westen, fast
immer ein breiterer Flügel als das Wohnhaus selbst, der Kuhstall, gegen Osten,
von gleicher Lange, der Stall sür das Kleinvieh und darüber der Kornboden,
gegen Süden der Stadel mit zwei Tennen. Links neben dem Wohnhaus und
rechts neben dem Stadel öffnet sich el" breites Thor, die beiden andern Ecken
des Quadrats sind geschlossen. In der Mitte des Hofraum'-' befindet sich die
Düngerstätte, dicht dabei der Brunnen mit großem Trog, häusig auch ein
Taubenschlag. Unfern des Wohnhauses, im Obstgarten, steht das kleine Back¬
haus. Die Häuser sind alle sehr reinlich, die der Wohlhabenden groß und
stattlich. Die Fenster der Stuben gehn sämmtlich in den Hof, auf welchen
sich auch die Hausthür öffnet. Der Baustil ist schlicht, doch fehlen nicht die
Wetterkreuze an den Giebeln und über den Wohngebäuden die Thürmchen
mit der "Maierglocke". Dadurch, daß dieses Gehöft nach Außen hin wenig
Fenster hat. gewinnt das Ganze den Anblick eines geschlossnen Castells, was
zwar nicht freundlich aussieht, aber doch den Eindruck gesicherten reichlichen
Besitzes macht.

Das ebenerdige hochgiebeiige Haus des Flachlandes findet sich in seiner
alten Art noch am häufigsten an der untern Amper und Giou.' Es bestand
früher nur aus Holz und Lehm, und oft blieben die Balken sichtbar. Das
hohe Dach, dessen Flügel häufig fast bis auf den Boden reichten, war stets von
Stroh, wie noch jetzt das Haus des holsteiner Sachsen und hatte gleich die¬
sem keinen Rauchfang. Die größern Höfe bestanden aus Wohnhaus und
Pferdestall, Stadel mit Tenne und Kuhstall, Schuppen mit Schweine- und
Hühnerstall. Diese Eintheilung ist bis jetzt beibehalten, während die Bauart
vielfach verbessert worden ist. Man baut jetzt die Wände des Hauptgebäudes
überall von Feld- oder Backsteinen und deckt es mit Ziegeln. Dagegen wird
auch heute noch sehr selten und fast nur bei Wirths- und Müllerhäusern ein
zweites Gestock aufgesetzt. An den niedrigen Thüren, den kleinen Fenstern, den
Zäunen und sonst am Holzwerk der alten Gebäude bemerkt man die beliebte
Malerei in Roth mit weißem oder grünem Ornament; die meisten Mauern
der neuern werden ebenfalls durch allerlei bunte Architektonik sowie durch
grünen oder blauen Anstrich der Thüren und Laden verziert. An der Giou
trifft man fast an allen Häusern das sogenannte "Scheyrerkrcuz", einen per-
pendicularen Strich, der auf einen Fuß geht und von zwei Querstrichen, ei¬
nem kürzern und einem längern durchschnitten wird. Daneben befinden sich
die Namenschiffern von Bauer und Bäuerin und die Jahrzahl der Erbauung
des Hauses. Auch Heiligenbilder im Giebel, gewöhnlich die der nächsten


Grenzboten IV. 1860. 25

malungen selten oder sehr einfach roth und schwarz. Lentner, dessen Untersuchungen
die„Bavaria" hier folgt, erkennt in deu Ansiedlungen dieses Gaues die ältesteForm
des deutschen Bauernhofes. In dem Geviert, das die einzelnen Gebäude bil¬
den, steht mit der Breitseite gegen Norden das Wohnhaus, gegen Westen, fast
immer ein breiterer Flügel als das Wohnhaus selbst, der Kuhstall, gegen Osten,
von gleicher Lange, der Stall sür das Kleinvieh und darüber der Kornboden,
gegen Süden der Stadel mit zwei Tennen. Links neben dem Wohnhaus und
rechts neben dem Stadel öffnet sich el» breites Thor, die beiden andern Ecken
des Quadrats sind geschlossen. In der Mitte des Hofraum'-' befindet sich die
Düngerstätte, dicht dabei der Brunnen mit großem Trog, häusig auch ein
Taubenschlag. Unfern des Wohnhauses, im Obstgarten, steht das kleine Back¬
haus. Die Häuser sind alle sehr reinlich, die der Wohlhabenden groß und
stattlich. Die Fenster der Stuben gehn sämmtlich in den Hof, auf welchen
sich auch die Hausthür öffnet. Der Baustil ist schlicht, doch fehlen nicht die
Wetterkreuze an den Giebeln und über den Wohngebäuden die Thürmchen
mit der „Maierglocke". Dadurch, daß dieses Gehöft nach Außen hin wenig
Fenster hat. gewinnt das Ganze den Anblick eines geschlossnen Castells, was
zwar nicht freundlich aussieht, aber doch den Eindruck gesicherten reichlichen
Besitzes macht.

Das ebenerdige hochgiebeiige Haus des Flachlandes findet sich in seiner
alten Art noch am häufigsten an der untern Amper und Giou.' Es bestand
früher nur aus Holz und Lehm, und oft blieben die Balken sichtbar. Das
hohe Dach, dessen Flügel häufig fast bis auf den Boden reichten, war stets von
Stroh, wie noch jetzt das Haus des holsteiner Sachsen und hatte gleich die¬
sem keinen Rauchfang. Die größern Höfe bestanden aus Wohnhaus und
Pferdestall, Stadel mit Tenne und Kuhstall, Schuppen mit Schweine- und
Hühnerstall. Diese Eintheilung ist bis jetzt beibehalten, während die Bauart
vielfach verbessert worden ist. Man baut jetzt die Wände des Hauptgebäudes
überall von Feld- oder Backsteinen und deckt es mit Ziegeln. Dagegen wird
auch heute noch sehr selten und fast nur bei Wirths- und Müllerhäusern ein
zweites Gestock aufgesetzt. An den niedrigen Thüren, den kleinen Fenstern, den
Zäunen und sonst am Holzwerk der alten Gebäude bemerkt man die beliebte
Malerei in Roth mit weißem oder grünem Ornament; die meisten Mauern
der neuern werden ebenfalls durch allerlei bunte Architektonik sowie durch
grünen oder blauen Anstrich der Thüren und Laden verziert. An der Giou
trifft man fast an allen Häusern das sogenannte „Scheyrerkrcuz", einen per-
pendicularen Strich, der auf einen Fuß geht und von zwei Querstrichen, ei¬
nem kürzern und einem längern durchschnitten wird. Daneben befinden sich
die Namenschiffern von Bauer und Bäuerin und die Jahrzahl der Erbauung
des Hauses. Auch Heiligenbilder im Giebel, gewöhnlich die der nächsten


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[0205] malungen selten oder sehr einfach roth und schwarz. Lentner, dessen Untersuchungen die„Bavaria" hier folgt, erkennt in deu Ansiedlungen dieses Gaues die ältesteForm des deutschen Bauernhofes. In dem Geviert, das die einzelnen Gebäude bil¬ den, steht mit der Breitseite gegen Norden das Wohnhaus, gegen Westen, fast immer ein breiterer Flügel als das Wohnhaus selbst, der Kuhstall, gegen Osten, von gleicher Lange, der Stall sür das Kleinvieh und darüber der Kornboden, gegen Süden der Stadel mit zwei Tennen. Links neben dem Wohnhaus und rechts neben dem Stadel öffnet sich el» breites Thor, die beiden andern Ecken des Quadrats sind geschlossen. In der Mitte des Hofraum'-' befindet sich die Düngerstätte, dicht dabei der Brunnen mit großem Trog, häusig auch ein Taubenschlag. Unfern des Wohnhauses, im Obstgarten, steht das kleine Back¬ haus. Die Häuser sind alle sehr reinlich, die der Wohlhabenden groß und stattlich. Die Fenster der Stuben gehn sämmtlich in den Hof, auf welchen sich auch die Hausthür öffnet. Der Baustil ist schlicht, doch fehlen nicht die Wetterkreuze an den Giebeln und über den Wohngebäuden die Thürmchen mit der „Maierglocke". Dadurch, daß dieses Gehöft nach Außen hin wenig Fenster hat. gewinnt das Ganze den Anblick eines geschlossnen Castells, was zwar nicht freundlich aussieht, aber doch den Eindruck gesicherten reichlichen Besitzes macht. Das ebenerdige hochgiebeiige Haus des Flachlandes findet sich in seiner alten Art noch am häufigsten an der untern Amper und Giou.' Es bestand früher nur aus Holz und Lehm, und oft blieben die Balken sichtbar. Das hohe Dach, dessen Flügel häufig fast bis auf den Boden reichten, war stets von Stroh, wie noch jetzt das Haus des holsteiner Sachsen und hatte gleich die¬ sem keinen Rauchfang. Die größern Höfe bestanden aus Wohnhaus und Pferdestall, Stadel mit Tenne und Kuhstall, Schuppen mit Schweine- und Hühnerstall. Diese Eintheilung ist bis jetzt beibehalten, während die Bauart vielfach verbessert worden ist. Man baut jetzt die Wände des Hauptgebäudes überall von Feld- oder Backsteinen und deckt es mit Ziegeln. Dagegen wird auch heute noch sehr selten und fast nur bei Wirths- und Müllerhäusern ein zweites Gestock aufgesetzt. An den niedrigen Thüren, den kleinen Fenstern, den Zäunen und sonst am Holzwerk der alten Gebäude bemerkt man die beliebte Malerei in Roth mit weißem oder grünem Ornament; die meisten Mauern der neuern werden ebenfalls durch allerlei bunte Architektonik sowie durch grünen oder blauen Anstrich der Thüren und Laden verziert. An der Giou trifft man fast an allen Häusern das sogenannte „Scheyrerkrcuz", einen per- pendicularen Strich, der auf einen Fuß geht und von zwei Querstrichen, ei¬ nem kürzern und einem längern durchschnitten wird. Daneben befinden sich die Namenschiffern von Bauer und Bäuerin und die Jahrzahl der Erbauung des Hauses. Auch Heiligenbilder im Giebel, gewöhnlich die der nächsten Grenzboten IV. 1860. 25

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/205>, abgerufen am 15.01.2025.