Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.Uebrigens herrscht in den meisten Beziehungen ein großer Unterschied zwi¬ Ferner hat der Hochländer mehr Geschmack und Phantasie als sein Nach¬ Auch die Sitten sind im Oberland besser als im Flachland. Diebstahl Von der Volkstracht und dem Häuserbau wollen wir etwas ausführlicher Uebrigens herrscht in den meisten Beziehungen ein großer Unterschied zwi¬ Ferner hat der Hochländer mehr Geschmack und Phantasie als sein Nach¬ Auch die Sitten sind im Oberland besser als im Flachland. Diebstahl Von der Volkstracht und dem Häuserbau wollen wir etwas ausführlicher <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0201" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110549"/> <p xml:id="ID_542"> Uebrigens herrscht in den meisten Beziehungen ein großer Unterschied zwi¬<lb/> schen dem Altbayer des Gebirgs und dem der Ebne, Ersterer hat, was die<lb/> allgemeine Physiognomie des Volks betrifft, vor letzterem mancherlei voraus.<lb/> Schon seine Gestalt ist größer und schlanker. Das Landgericht Tvlz liefert<lb/> dem Heere die größten Rekruten, und auch die andern gebirgischen Bezirke<lb/> des Osterlandes haben in dieser Hinsicht einen weiten Vorsprung vor den<lb/> nördlichen Landgerichten. Die Gesichtsfarbe ist bei den meisten jungen Leuten<lb/> kräftig und blühend. Das unschöne Geschlecht stellt sich aber durchschnittlich<lb/> wohlgebildeter dar, als das sogenannte schöne. Ein weniger erfreulicher<lb/> Gegensatz des Gebirgs zum Flachland ist, daß Kröpfe und Blödsinn dort<lb/> häufiger als hier sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_543"> Ferner hat der Hochländer mehr Geschmack und Phantasie als sein Nach¬<lb/> bar in der Ebne. Seine Tracht ist malerischer, sein Haus hübscher, er ist ein<lb/> Liebhaber der Musik, Dichter von Schnadahüpfln und sogar Schauspieler.<lb/> Er ist sodann im Vergleich mit jenem freundlich und umgänglich. Noch gibt<lb/> es Wirthe und Großbauern, die ihrer Grobheit halber berühmt sind, aber die<lb/> jungen Leute sind so ziemlich aus dem Rohesten herausgearbeitet. Der Schul¬<lb/> unterricht schlüge besser an als in der Fläche drunten, und in mehr als einer<lb/> Gemeinde finden sich jetzt Leute, die das Gemeindegesetz und Aehnliches im<lb/> Kops und etliche Bücher auf dem Sims haben, ja sogar eine Zeitung halten.<lb/> Wo Ackerbau getrieben wird, kennt man Dreschmaschinen und Drams, und<lb/> selbst die Wunderkraft, die in der Gülle waltet, ist hier kein Geheimniß mehr,<lb/> während sie dem Bauer des Flachlandes meist noch verborgen blieb. Die<lb/> Bereitung des Käse geht, durch fernher aus der Schweiz verschriebene Künst-<lb/> ler dieses Fachs gefördert, mit großen Schritten der Vollendung entgegen, und<lb/> in manchem Stall trifft man Rinder edler Racen.</p><lb/> <p xml:id="ID_544"> Auch die Sitten sind im Oberland besser als im Flachland. Diebstahl<lb/> und Betrug kommen sehr selten, Processe nicht häufig vor. In andrer Rich¬<lb/> tung, namentlich was geschlechtliche Genüsse betrifft, wird der Moralist man-<lb/> ches nicht in der Ordnung finden. Indeß wird, was hier mit dem heißen<lb/> Blut der Jugend entschuldigt zu werden pflegt, auch anderwärts auf dem<lb/> Lande nicht eben allzu hart verurtheilt.</p><lb/> <p xml:id="ID_545" next="#ID_546"> Von der Volkstracht und dem Häuserbau wollen wir etwas ausführlicher<lb/> handeln. In Betreff der Männertrachten ist zu bemerken, daß eine den Aus¬<lb/> schlag gibt und alle andern zu verschlingen droht. Dies ist die graue oder<lb/> graubraune Joppe mit dem grünen Spitzhut. Ihr Geburtsland ist die Ge¬<lb/> gend um Mießbach und Tegernsee. Doch ist sie auch dorthin erst seit Men-<lb/> schengedenken gekommen, und zwar aris dem tiroler Zillerthal oder aus den<lb/> Kreisen der Duxer Hirten. Wegen ihrer Einfachheit, die ein gewisses flottes<lb/> Aussehn nicht ausschließt, verschaffte sie sich bei Reich u,rd Arm schnell</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0201]
Uebrigens herrscht in den meisten Beziehungen ein großer Unterschied zwi¬
schen dem Altbayer des Gebirgs und dem der Ebne, Ersterer hat, was die
allgemeine Physiognomie des Volks betrifft, vor letzterem mancherlei voraus.
Schon seine Gestalt ist größer und schlanker. Das Landgericht Tvlz liefert
dem Heere die größten Rekruten, und auch die andern gebirgischen Bezirke
des Osterlandes haben in dieser Hinsicht einen weiten Vorsprung vor den
nördlichen Landgerichten. Die Gesichtsfarbe ist bei den meisten jungen Leuten
kräftig und blühend. Das unschöne Geschlecht stellt sich aber durchschnittlich
wohlgebildeter dar, als das sogenannte schöne. Ein weniger erfreulicher
Gegensatz des Gebirgs zum Flachland ist, daß Kröpfe und Blödsinn dort
häufiger als hier sind.
Ferner hat der Hochländer mehr Geschmack und Phantasie als sein Nach¬
bar in der Ebne. Seine Tracht ist malerischer, sein Haus hübscher, er ist ein
Liebhaber der Musik, Dichter von Schnadahüpfln und sogar Schauspieler.
Er ist sodann im Vergleich mit jenem freundlich und umgänglich. Noch gibt
es Wirthe und Großbauern, die ihrer Grobheit halber berühmt sind, aber die
jungen Leute sind so ziemlich aus dem Rohesten herausgearbeitet. Der Schul¬
unterricht schlüge besser an als in der Fläche drunten, und in mehr als einer
Gemeinde finden sich jetzt Leute, die das Gemeindegesetz und Aehnliches im
Kops und etliche Bücher auf dem Sims haben, ja sogar eine Zeitung halten.
Wo Ackerbau getrieben wird, kennt man Dreschmaschinen und Drams, und
selbst die Wunderkraft, die in der Gülle waltet, ist hier kein Geheimniß mehr,
während sie dem Bauer des Flachlandes meist noch verborgen blieb. Die
Bereitung des Käse geht, durch fernher aus der Schweiz verschriebene Künst-
ler dieses Fachs gefördert, mit großen Schritten der Vollendung entgegen, und
in manchem Stall trifft man Rinder edler Racen.
Auch die Sitten sind im Oberland besser als im Flachland. Diebstahl
und Betrug kommen sehr selten, Processe nicht häufig vor. In andrer Rich¬
tung, namentlich was geschlechtliche Genüsse betrifft, wird der Moralist man-
ches nicht in der Ordnung finden. Indeß wird, was hier mit dem heißen
Blut der Jugend entschuldigt zu werden pflegt, auch anderwärts auf dem
Lande nicht eben allzu hart verurtheilt.
Von der Volkstracht und dem Häuserbau wollen wir etwas ausführlicher
handeln. In Betreff der Männertrachten ist zu bemerken, daß eine den Aus¬
schlag gibt und alle andern zu verschlingen droht. Dies ist die graue oder
graubraune Joppe mit dem grünen Spitzhut. Ihr Geburtsland ist die Ge¬
gend um Mießbach und Tegernsee. Doch ist sie auch dorthin erst seit Men-
schengedenken gekommen, und zwar aris dem tiroler Zillerthal oder aus den
Kreisen der Duxer Hirten. Wegen ihrer Einfachheit, die ein gewisses flottes
Aussehn nicht ausschließt, verschaffte sie sich bei Reich u,rd Arm schnell
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