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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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mit ruhigem Gewissen allen ihren Geboten Folge leisten könnte. Die Mi߬
bräuche sind in der That arg; Leiblich geht zwar nicht so weit wie manche
Eiferer, die im Mittelpunkt dieser Mißbräuche den Antichrist suchen, aber ohne
ihre Abstellung wird man nicht zu einem dauerhaften Frieden kommen. --
Vossuet hat gezeigt, daß die Doctrin des Tridentiner Concils xeut avoir urr
sens toleradle; es wäre zu wünschen, daß die andern Gottesgelehrten seiner
Partei sich ähnlich aussprächen: aber was erträglich ist, ist deshalb noch nicht
wahr. -- Freilich muß man, um seines Seelenheils willen, die wahre Kirche
suchen, und ihr gehorchen, wenn man sie gefunden hat. Aber wenn es nicht
gelingt? Nur der ist wirklich Ketzer (Irereticzue formee), der im Princip die
allgemeine Kirche nicht anerkennt; gegen den ehrlichen Willen, der nach dem
Glauben strebt, muß man nachsichtig sein: ig, toi est inerte sans 1a onarite
yui suvxlee an cletaut as la eovnaissanee. Unser Blick ist zu kurz, um die
Tiefen der göttlichen Gerechtigkeit zu ermessen; seien wir also nicht so voreilig
mit unserm Verdammen, und wehe denen, <mi entretivnnent 1s selüiZine xar
leur ebstiuatien a us vouloir eeouter raison, et a vouloir ein avoir touMirs. --
Wozu diese spitzfindigen Unterscheidungen! ruft Pcllisson. Es steht geschrieben:
wer glaubt, wird selig! nicht: wer alles thut, was er kann um zu glauben! --
Die Ausnahme für die oanti^all in volo kann nur für diejenigen gelten, die
zweifelhaft sind, ob sie sich in Hamburg oder Wien taufen lassen sollen; nicht
aber für die, die noch darüber zweifelhaft sind, ob sie sich überhaupt taufen
lassen sollen. -- Die ganze Kirchentrennung ging aus spitzfindigen Fragen hervor,
deren man sich jetzt schämt, Rechtfertigung durch Glauben oder durch Werke
u. f. w. (elles ne sont xas si vaines am'on xense, bemerkt'Leibnitz am Rand).
Die Fürsten haben geglaubt, weltlichen Vortheil daraus zu ziehn, sie sehn
jetzt allgemein die Täuschung ein. (Zu-mal it nlaira an Naitre clef coeurs
ac touelrer celui ä'une granäe et ineoinxaradle princesse, en <^ni it a ac^ja
mis toutss les lunüeres ac l'esprit, et <zu'it g. peut-etre laissüe expres ins-
czsu'lei ä ig. töte ein parti protestirnt, eile rentrera en triomxlre clau8I'LgliLv
cle LL8 pores, avec une suite ac xeuxles et ac nations, et pourra naräiment
se promettre une couronne Ac Zloire, non seulsinevt äans le ciel, mais
aussi sur la terre.

Wol hatte Sophie schon damals eine Krone im Auge, aber diese konnte
ihr der Uebertritt nicht erwerben.

In seiner Antwort stattet Leibnitz Bericht über die bisherigen Verhand¬
lungen mit Spinola ab. Die Hauptschwierigkeit liegt in den Bestimmungen
des Tridentiner Concils; aber auch diese sind den Protestanten nicht so entgegen
als man glaubt. Les canons sont souvent eouenes ä'une maniere ä rees-
voir xlusieurs sens, et les vrotestans se xourraient croire en äroit ac rece-
voir celui am'ils ^UMut le xlus convenable, bis zur Entscheidung in einem


mit ruhigem Gewissen allen ihren Geboten Folge leisten könnte. Die Mi߬
bräuche sind in der That arg; Leiblich geht zwar nicht so weit wie manche
Eiferer, die im Mittelpunkt dieser Mißbräuche den Antichrist suchen, aber ohne
ihre Abstellung wird man nicht zu einem dauerhaften Frieden kommen. —
Vossuet hat gezeigt, daß die Doctrin des Tridentiner Concils xeut avoir urr
sens toleradle; es wäre zu wünschen, daß die andern Gottesgelehrten seiner
Partei sich ähnlich aussprächen: aber was erträglich ist, ist deshalb noch nicht
wahr. — Freilich muß man, um seines Seelenheils willen, die wahre Kirche
suchen, und ihr gehorchen, wenn man sie gefunden hat. Aber wenn es nicht
gelingt? Nur der ist wirklich Ketzer (Irereticzue formee), der im Princip die
allgemeine Kirche nicht anerkennt; gegen den ehrlichen Willen, der nach dem
Glauben strebt, muß man nachsichtig sein: ig, toi est inerte sans 1a onarite
yui suvxlee an cletaut as la eovnaissanee. Unser Blick ist zu kurz, um die
Tiefen der göttlichen Gerechtigkeit zu ermessen; seien wir also nicht so voreilig
mit unserm Verdammen, und wehe denen, <mi entretivnnent 1s selüiZine xar
leur ebstiuatien a us vouloir eeouter raison, et a vouloir ein avoir touMirs. —
Wozu diese spitzfindigen Unterscheidungen! ruft Pcllisson. Es steht geschrieben:
wer glaubt, wird selig! nicht: wer alles thut, was er kann um zu glauben! —
Die Ausnahme für die oanti^all in volo kann nur für diejenigen gelten, die
zweifelhaft sind, ob sie sich in Hamburg oder Wien taufen lassen sollen; nicht
aber für die, die noch darüber zweifelhaft sind, ob sie sich überhaupt taufen
lassen sollen. — Die ganze Kirchentrennung ging aus spitzfindigen Fragen hervor,
deren man sich jetzt schämt, Rechtfertigung durch Glauben oder durch Werke
u. f. w. (elles ne sont xas si vaines am'on xense, bemerkt'Leibnitz am Rand).
Die Fürsten haben geglaubt, weltlichen Vortheil daraus zu ziehn, sie sehn
jetzt allgemein die Täuschung ein. (Zu-mal it nlaira an Naitre clef coeurs
ac touelrer celui ä'une granäe et ineoinxaradle princesse, en <^ni it a ac^ja
mis toutss les lunüeres ac l'esprit, et <zu'it g. peut-etre laissüe expres ins-
czsu'lei ä ig. töte ein parti protestirnt, eile rentrera en triomxlre clau8I'LgliLv
cle LL8 pores, avec une suite ac xeuxles et ac nations, et pourra naräiment
se promettre une couronne Ac Zloire, non seulsinevt äans le ciel, mais
aussi sur la terre.

Wol hatte Sophie schon damals eine Krone im Auge, aber diese konnte
ihr der Uebertritt nicht erwerben.

In seiner Antwort stattet Leibnitz Bericht über die bisherigen Verhand¬
lungen mit Spinola ab. Die Hauptschwierigkeit liegt in den Bestimmungen
des Tridentiner Concils; aber auch diese sind den Protestanten nicht so entgegen
als man glaubt. Les canons sont souvent eouenes ä'une maniere ä rees-
voir xlusieurs sens, et les vrotestans se xourraient croire en äroit ac rece-
voir celui am'ils ^UMut le xlus convenable, bis zur Entscheidung in einem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/185>, abgerufen am 15.01.2025.