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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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Schlösser nicht minder gewachsen sei wie dein aristokratischen Geschlechter¬
regiment in den Mauern der eigne" Stadt, dies alles und manches andre
obendrein gestatteten dem Meister keinen andern Genuß .als den, der aus dem
erhebenden Bewußtsein fließt, seine Pflicht gethan zu haben.

Keine Spur von einer solchen Erhebung des kleinen Bürgers, kein Ge¬
danke um eine solche Entwicklung und Forderung seines geistigen und mate¬
riellen Interesses fand sich im alten Nom. Genossenschaften, deren Erwerb
nach andern Gesetzen geregelt war als nach denen, welche im Bauernkniender
verzeichnet standen und die zwölf Zeichen des Thierkreises zur Grundlage
hatten, konnten nun einmal im alten römischen Gemeindewesen nicht zu ent-
schiedner Anerkennung gelangen, lind die Küne, die man von Alters her zu
entfalten und großzuziehn vernachlässigt hatte, verkümmerten und verdorrten
im Laufe der Zeit immer mehr. Daß der Grund dieser eigenthümlichen Er¬
scheinung nicht allein und auch nicht vorzugsweise in den klimatischen Ver¬
hältnissen Italiens, in der heißen Sonne des schönen Landes zu suchen ist,
ergibt sich schon daraus, daß der Ackerer hinter seinen Stieren und der
Schnitter zwischen den Schwaden denselben Gluthhauch und vielleicht noch
schutzloser ertragen mußte, der die Kraft des Schmiedes, des Schusters oder
des Färbers hätte lähmen können. Die wahren Gründe indeß nachzuweisen,
liegt jenseits der Grenze unsrer Aufgabe: die Thatsache mag genügen, daß
das Handwerk bei den Römern im allgemeinen einen goldnen Boden nicht
hatte.

So lange es indeß dem Quinten für rühmlich galt, bei der Bestellung
seiner Felder selbst Hand anzulegen, so lange die Lentulus, Piso, Tnurus/
Serranus durch ihre von der Landwirthschaft entlehnten Beinamen sich in
ähnlicher Weise geehrt fühlten, wie die Scipioncn, wenn man diesen als
Africanus, jenen als Asiaticus begrüßte, so lange konnten nachtheilige Folgen
aus dem Mangel eines Handwerkerstandes als solchen nicht leicht erwachsen.
Der römische, und späterhin der latinische, der italische Bauernstand war
eine so ergiebige Quelle von Bolkskrnft, wie sie die Geschichte mehrmals
wol in kleinen Gemeinwesen, wie etwa in dem der helvetischen Eidgenossen
oder der Dithmarsen. schwerlich jedoch in so großen Staatskörpern, wie der
römische war, aufzuweisen hat. Als aber nach den Eroberungen jenseits des
Meeres die Provinzen Getreide und Wein lieferten und das Kornfeld für den
Optimalen seinen Werth verloren hatte, als die neue Nobilität das Säen
und Pflanzen als ein erniedrigendes Geschäft, smcliäum nesotium. den Cli¬
enten und kleinen Grundbesitzern oder wol gar ausschließlich den Sklaven
überließ und mehr auf die Erweiterung der durch Kauf und Gewalt erwor¬
benen Latifundien, der villarum intwitg, spatia des erzürnten Tacitus, als
auf die Pflege der vaterländischen Scholle bedacht war. als die Schwielen


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Schlösser nicht minder gewachsen sei wie dein aristokratischen Geschlechter¬
regiment in den Mauern der eigne» Stadt, dies alles und manches andre
obendrein gestatteten dem Meister keinen andern Genuß .als den, der aus dem
erhebenden Bewußtsein fließt, seine Pflicht gethan zu haben.

Keine Spur von einer solchen Erhebung des kleinen Bürgers, kein Ge¬
danke um eine solche Entwicklung und Forderung seines geistigen und mate¬
riellen Interesses fand sich im alten Nom. Genossenschaften, deren Erwerb
nach andern Gesetzen geregelt war als nach denen, welche im Bauernkniender
verzeichnet standen und die zwölf Zeichen des Thierkreises zur Grundlage
hatten, konnten nun einmal im alten römischen Gemeindewesen nicht zu ent-
schiedner Anerkennung gelangen, lind die Küne, die man von Alters her zu
entfalten und großzuziehn vernachlässigt hatte, verkümmerten und verdorrten
im Laufe der Zeit immer mehr. Daß der Grund dieser eigenthümlichen Er¬
scheinung nicht allein und auch nicht vorzugsweise in den klimatischen Ver¬
hältnissen Italiens, in der heißen Sonne des schönen Landes zu suchen ist,
ergibt sich schon daraus, daß der Ackerer hinter seinen Stieren und der
Schnitter zwischen den Schwaden denselben Gluthhauch und vielleicht noch
schutzloser ertragen mußte, der die Kraft des Schmiedes, des Schusters oder
des Färbers hätte lähmen können. Die wahren Gründe indeß nachzuweisen,
liegt jenseits der Grenze unsrer Aufgabe: die Thatsache mag genügen, daß
das Handwerk bei den Römern im allgemeinen einen goldnen Boden nicht
hatte.

So lange es indeß dem Quinten für rühmlich galt, bei der Bestellung
seiner Felder selbst Hand anzulegen, so lange die Lentulus, Piso, Tnurus/
Serranus durch ihre von der Landwirthschaft entlehnten Beinamen sich in
ähnlicher Weise geehrt fühlten, wie die Scipioncn, wenn man diesen als
Africanus, jenen als Asiaticus begrüßte, so lange konnten nachtheilige Folgen
aus dem Mangel eines Handwerkerstandes als solchen nicht leicht erwachsen.
Der römische, und späterhin der latinische, der italische Bauernstand war
eine so ergiebige Quelle von Bolkskrnft, wie sie die Geschichte mehrmals
wol in kleinen Gemeinwesen, wie etwa in dem der helvetischen Eidgenossen
oder der Dithmarsen. schwerlich jedoch in so großen Staatskörpern, wie der
römische war, aufzuweisen hat. Als aber nach den Eroberungen jenseits des
Meeres die Provinzen Getreide und Wein lieferten und das Kornfeld für den
Optimalen seinen Werth verloren hatte, als die neue Nobilität das Säen
und Pflanzen als ein erniedrigendes Geschäft, smcliäum nesotium. den Cli¬
enten und kleinen Grundbesitzern oder wol gar ausschließlich den Sklaven
überließ und mehr auf die Erweiterung der durch Kauf und Gewalt erwor¬
benen Latifundien, der villarum intwitg, spatia des erzürnten Tacitus, als
auf die Pflege der vaterländischen Scholle bedacht war. als die Schwielen


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[0143] Schlösser nicht minder gewachsen sei wie dein aristokratischen Geschlechter¬ regiment in den Mauern der eigne» Stadt, dies alles und manches andre obendrein gestatteten dem Meister keinen andern Genuß .als den, der aus dem erhebenden Bewußtsein fließt, seine Pflicht gethan zu haben. Keine Spur von einer solchen Erhebung des kleinen Bürgers, kein Ge¬ danke um eine solche Entwicklung und Forderung seines geistigen und mate¬ riellen Interesses fand sich im alten Nom. Genossenschaften, deren Erwerb nach andern Gesetzen geregelt war als nach denen, welche im Bauernkniender verzeichnet standen und die zwölf Zeichen des Thierkreises zur Grundlage hatten, konnten nun einmal im alten römischen Gemeindewesen nicht zu ent- schiedner Anerkennung gelangen, lind die Küne, die man von Alters her zu entfalten und großzuziehn vernachlässigt hatte, verkümmerten und verdorrten im Laufe der Zeit immer mehr. Daß der Grund dieser eigenthümlichen Er¬ scheinung nicht allein und auch nicht vorzugsweise in den klimatischen Ver¬ hältnissen Italiens, in der heißen Sonne des schönen Landes zu suchen ist, ergibt sich schon daraus, daß der Ackerer hinter seinen Stieren und der Schnitter zwischen den Schwaden denselben Gluthhauch und vielleicht noch schutzloser ertragen mußte, der die Kraft des Schmiedes, des Schusters oder des Färbers hätte lähmen können. Die wahren Gründe indeß nachzuweisen, liegt jenseits der Grenze unsrer Aufgabe: die Thatsache mag genügen, daß das Handwerk bei den Römern im allgemeinen einen goldnen Boden nicht hatte. So lange es indeß dem Quinten für rühmlich galt, bei der Bestellung seiner Felder selbst Hand anzulegen, so lange die Lentulus, Piso, Tnurus/ Serranus durch ihre von der Landwirthschaft entlehnten Beinamen sich in ähnlicher Weise geehrt fühlten, wie die Scipioncn, wenn man diesen als Africanus, jenen als Asiaticus begrüßte, so lange konnten nachtheilige Folgen aus dem Mangel eines Handwerkerstandes als solchen nicht leicht erwachsen. Der römische, und späterhin der latinische, der italische Bauernstand war eine so ergiebige Quelle von Bolkskrnft, wie sie die Geschichte mehrmals wol in kleinen Gemeinwesen, wie etwa in dem der helvetischen Eidgenossen oder der Dithmarsen. schwerlich jedoch in so großen Staatskörpern, wie der römische war, aufzuweisen hat. Als aber nach den Eroberungen jenseits des Meeres die Provinzen Getreide und Wein lieferten und das Kornfeld für den Optimalen seinen Werth verloren hatte, als die neue Nobilität das Säen und Pflanzen als ein erniedrigendes Geschäft, smcliäum nesotium. den Cli¬ enten und kleinen Grundbesitzern oder wol gar ausschließlich den Sklaven überließ und mehr auf die Erweiterung der durch Kauf und Gewalt erwor¬ benen Latifundien, der villarum intwitg, spatia des erzürnten Tacitus, als auf die Pflege der vaterländischen Scholle bedacht war. als die Schwielen 17*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/143>, abgerufen am 15.01.2025.