Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.Kriegsdienst, wenigstens hohem sie nicht zu den fünf Censusclassen der servia- Werfen wir einen Blick auf den Lebensgang eines deutschen Hand¬ Kriegsdienst, wenigstens hohem sie nicht zu den fünf Censusclassen der servia- Werfen wir einen Blick auf den Lebensgang eines deutschen Hand¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0142" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110490"/> <p xml:id="ID_375" prev="#ID_374"> Kriegsdienst, wenigstens hohem sie nicht zu den fünf Censusclassen der servia-<lb/> nischen Verfassung gehörten, hätten sie durch die Betreibung einer nützlichen<lb/> Thätigkeit nicht nur sich und ihre Familien redlich ernähren können, sondern<lb/> es würde ihnen auch gelungen sein eine Stellung zu erreichen, in welcher<lb/> sie den Vorrechten des großen und kleinen Grundbesitzes gegenüber das Recht<lb/> der Arbeit zur Geltung brachten. Allein der Römer und Jtalikcr alter Zeit,<lb/> sofern er nicht Grundeigenthümer war, scheint von angestrengter Arbeit eben¬<lb/> so wenig gehalten zu haben, wie sein gegenwärtiger Nachkomme, der Italiener<lb/> südlich vom Arno und Nubico». Aus der Hand in den Mund leben, wenig<lb/> bedürfen und wenig arbeiten, das war der erste Glaubensartikel der Lnzzaroni<lb/> von ehedem wie der Lazzaroni von heute, und den Irrthum, daß dieses Ge¬<lb/> schlecht zu heben, daß ihm überhaupt zu helfen sei, haben von Spurius<lb/> Cassius an bis auf die Gracchen die edelsten Männer Roms mit ihrem Leben<lb/> gebüßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_376" next="#ID_377"> Werfen wir einen Blick auf den Lebensgang eines deutschen Hand¬<lb/> werkers, wie der junge Bursche, nachdem er das Elternhaus verlassen und<lb/> „vor offener Lade und versammeltem Handwerke" das feierliche Versprechen<lb/> des Gehorsams, der Treue und des Fleißes abgelegt, fünf oder sechs Jahre<lb/> lang von seinem Lehrmeister zu harter Arbeit sowie „zu einem christlichen und<lb/> wohlgesitteten Lebenswandel" angewiesen ward, bis er. „so er seine Zeit treu<lb/> und redlich ausgehalten und sein Handwerk gehörig erlernt" hatte, „von der<lb/> Lehre hinwiederum los und unter Anwünschung göttlichen Segens zu einem<lb/> ehrlichen Gesellen gesprochen wurde", wie dann dieser ehrliche Geselle hinaus¬<lb/> wanderte in die Welt, um frei von dem Zwange der Lehrjahre bei fremden<lb/> Meistern sein Geschick und seine Arbeitskraft zu erproben und von ihnen zu<lb/> lernen, was ihm daheim von Nutzen sein könnte, und wie er dann, als die<lb/> bestimmte Zahl von Wanderjahren um war, nach der Vaterstadt zurückkehrte,<lb/> nicht um auszuruhn, sondern um als braver Mann von Neuem die Hände<lb/> zu rühren und seine Fertigkeit in dem Handwerke zu bewähren, bis daß er<lb/> das Ziel erreichte und zum Meister gesprochen wurde. Aber auch jetzt war für ihn<lb/> nicht etwa das goldne Zeitalter des Nichtsthuns angebrochen: der echte deutsche Hand¬<lb/> werker hat die Süßigkeit des Äolee Kr nisirte, er hat aber auch den Müssig-<lb/> gang nie gekannt. Die Arbeit fing jetzt vielmehr erst recht an: der Meister<lb/> war zugleich Bürger geworden und hatte somit doppelte Pflichten übernommen.<lb/> Die Werkstunden gehörten wie vordem seinem Gewerbe, die Feierstunden aber<lb/> konnte er nur zum Theil wie bisher im Kreise treuer Freunde oder daheim<lb/> bei seiner Familie verleben. Die Sorge um das Wohl der Stadt, ein Amt<lb/> in der Gemeinde, das ihm Ehre brachte ohne Gewinn, die Uebung in den<lb/> Waffen endlich, wodurch sich seine Zunftgenossen zu einer streitbaren Bürger¬<lb/> macht heranbildeten, welche dem geharnischten Nitteradel der benachbarten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0142]
Kriegsdienst, wenigstens hohem sie nicht zu den fünf Censusclassen der servia-
nischen Verfassung gehörten, hätten sie durch die Betreibung einer nützlichen
Thätigkeit nicht nur sich und ihre Familien redlich ernähren können, sondern
es würde ihnen auch gelungen sein eine Stellung zu erreichen, in welcher
sie den Vorrechten des großen und kleinen Grundbesitzes gegenüber das Recht
der Arbeit zur Geltung brachten. Allein der Römer und Jtalikcr alter Zeit,
sofern er nicht Grundeigenthümer war, scheint von angestrengter Arbeit eben¬
so wenig gehalten zu haben, wie sein gegenwärtiger Nachkomme, der Italiener
südlich vom Arno und Nubico». Aus der Hand in den Mund leben, wenig
bedürfen und wenig arbeiten, das war der erste Glaubensartikel der Lnzzaroni
von ehedem wie der Lazzaroni von heute, und den Irrthum, daß dieses Ge¬
schlecht zu heben, daß ihm überhaupt zu helfen sei, haben von Spurius
Cassius an bis auf die Gracchen die edelsten Männer Roms mit ihrem Leben
gebüßt.
Werfen wir einen Blick auf den Lebensgang eines deutschen Hand¬
werkers, wie der junge Bursche, nachdem er das Elternhaus verlassen und
„vor offener Lade und versammeltem Handwerke" das feierliche Versprechen
des Gehorsams, der Treue und des Fleißes abgelegt, fünf oder sechs Jahre
lang von seinem Lehrmeister zu harter Arbeit sowie „zu einem christlichen und
wohlgesitteten Lebenswandel" angewiesen ward, bis er. „so er seine Zeit treu
und redlich ausgehalten und sein Handwerk gehörig erlernt" hatte, „von der
Lehre hinwiederum los und unter Anwünschung göttlichen Segens zu einem
ehrlichen Gesellen gesprochen wurde", wie dann dieser ehrliche Geselle hinaus¬
wanderte in die Welt, um frei von dem Zwange der Lehrjahre bei fremden
Meistern sein Geschick und seine Arbeitskraft zu erproben und von ihnen zu
lernen, was ihm daheim von Nutzen sein könnte, und wie er dann, als die
bestimmte Zahl von Wanderjahren um war, nach der Vaterstadt zurückkehrte,
nicht um auszuruhn, sondern um als braver Mann von Neuem die Hände
zu rühren und seine Fertigkeit in dem Handwerke zu bewähren, bis daß er
das Ziel erreichte und zum Meister gesprochen wurde. Aber auch jetzt war für ihn
nicht etwa das goldne Zeitalter des Nichtsthuns angebrochen: der echte deutsche Hand¬
werker hat die Süßigkeit des Äolee Kr nisirte, er hat aber auch den Müssig-
gang nie gekannt. Die Arbeit fing jetzt vielmehr erst recht an: der Meister
war zugleich Bürger geworden und hatte somit doppelte Pflichten übernommen.
Die Werkstunden gehörten wie vordem seinem Gewerbe, die Feierstunden aber
konnte er nur zum Theil wie bisher im Kreise treuer Freunde oder daheim
bei seiner Familie verleben. Die Sorge um das Wohl der Stadt, ein Amt
in der Gemeinde, das ihm Ehre brachte ohne Gewinn, die Uebung in den
Waffen endlich, wodurch sich seine Zunftgenossen zu einer streitbaren Bürger¬
macht heranbildeten, welche dem geharnischten Nitteradel der benachbarten
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