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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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größere Menge wohlhabender ländlicher Familien erschaffen und -- was eine
sichere Folge davon sein würde -- eine intensivere Bewirthschaftung des Are¬
als herbeigeführt; würde in Verbindung damit und in Folge zweckmäßiger
Staatsreformen die Industrie einen höheren Aufschwung nehmen, so würden
ohne Zweifel größere Capitalien auf die Landesproduction verwandt, die
Nachfrage nach solchen würde bedeutender sein, der Zinsfuß unbedingt stei¬
gen; aber -- der Wohlstand würde trotzdem zunehmen, er würde allgemeiner
und größer werden.

So lange die ständische Verfassung Mecklenburgs im Bestände bleibt, ist
eine größere Zertheilung des Areals gar nicht'denkbar und möglich; die po¬
litische Stellung der Ritterschaft beruht auf dem großen Grundbesitze, steht
und fällt mit diesem. Mit der ständischen Verfassung im Zusammenhange
steht, wie oben gezeigt wurde, auch das Stehenbleiben resp. Rückwärtsschreitcn
in den verschiedenen andern ^Richtungen des politischen und socialen Lebens
des Landes. Andrerseits macht die Nothwendigkeit eines verständigen Fort-
schreitens, der Reform nach allen Seiten hin sich täglich mit größerem Ge¬
wichte fühlbar; die Kluft zwischen dem antiquirten Standpunkte des Landesgrund-
gesetzlichen Erbvergleichs und der Gegenwart öffnet sich immer weiter. Es entsteht
die Frage und ist dringend nahe getreten, wie diese widerstreitenden Verhält¬
nisse zu einem glücklichen und befriedigenden Austrage gebracht werden können.

Oder sollte das Bestehende auf die Dauer trotz alledem, dem Willen und
der Macht Weniger gemäß, noch zu erhalten sein? Ist es denkbar, daß eine
Vertretung bestehn bleiben könne, welche während ihrer ganzen Dauer nicht
einmal vermocht hat, ihr Verhältniß zur Landesverwaltung, noch auch das
Verhältniß der einzelnen Landstände unter sich und zu den ständischen Behör¬
den in genügender Weise festzustellen? Zwischen den Ständen und der Staats¬
gewalt sind eine Menge von Differenzen entstanden, die wahrlich nicht immer
unwichtig sind, die man aber nach dem Geschüftsausdrucke hat, "auf sich
beruhen lassen." vielleicht aus dem Grunde, damit weitere Nachforschungen
und richterliche Untersuchungen nicht zu einem unerwünschten Resultate füh¬
ren? Wie vertrüge sich das mit der Gerechtigkeit? Und nun die Differenzen
unter den Landständen selbst, nämlich unter dem ritterschaftlichen Theile der¬
selben! Ist doch das Verhältniß der adligen zu den bürgerlichen Ritten, ein
völlig abnormes, der Begriff einer Gleichberechtigung beider noch niemals ^zur
Geltung gekommen. Es herrscht eine förmliche Indignation auf Seiten des
Adels über die Anmaßung der bürgerlichen Gutsbesitzer, dieser Eindringlinge,
die sogar Miene machen, sich um speciell adlige Angelegenheiten (zu welchen
u. A. auch die Verwaltung der Lcmdesklöster gehört) zu bekümmern. Es wird
ihnen zwar auf jedem Landtage gesagt, daß sie mit diesen Sachen nichts zu
thun haben, aber sie lassen dennoch nicht ab, sich in dieselben zu mischen.


größere Menge wohlhabender ländlicher Familien erschaffen und — was eine
sichere Folge davon sein würde — eine intensivere Bewirthschaftung des Are¬
als herbeigeführt; würde in Verbindung damit und in Folge zweckmäßiger
Staatsreformen die Industrie einen höheren Aufschwung nehmen, so würden
ohne Zweifel größere Capitalien auf die Landesproduction verwandt, die
Nachfrage nach solchen würde bedeutender sein, der Zinsfuß unbedingt stei¬
gen; aber — der Wohlstand würde trotzdem zunehmen, er würde allgemeiner
und größer werden.

So lange die ständische Verfassung Mecklenburgs im Bestände bleibt, ist
eine größere Zertheilung des Areals gar nicht'denkbar und möglich; die po¬
litische Stellung der Ritterschaft beruht auf dem großen Grundbesitze, steht
und fällt mit diesem. Mit der ständischen Verfassung im Zusammenhange
steht, wie oben gezeigt wurde, auch das Stehenbleiben resp. Rückwärtsschreitcn
in den verschiedenen andern ^Richtungen des politischen und socialen Lebens
des Landes. Andrerseits macht die Nothwendigkeit eines verständigen Fort-
schreitens, der Reform nach allen Seiten hin sich täglich mit größerem Ge¬
wichte fühlbar; die Kluft zwischen dem antiquirten Standpunkte des Landesgrund-
gesetzlichen Erbvergleichs und der Gegenwart öffnet sich immer weiter. Es entsteht
die Frage und ist dringend nahe getreten, wie diese widerstreitenden Verhält¬
nisse zu einem glücklichen und befriedigenden Austrage gebracht werden können.

Oder sollte das Bestehende auf die Dauer trotz alledem, dem Willen und
der Macht Weniger gemäß, noch zu erhalten sein? Ist es denkbar, daß eine
Vertretung bestehn bleiben könne, welche während ihrer ganzen Dauer nicht
einmal vermocht hat, ihr Verhältniß zur Landesverwaltung, noch auch das
Verhältniß der einzelnen Landstände unter sich und zu den ständischen Behör¬
den in genügender Weise festzustellen? Zwischen den Ständen und der Staats¬
gewalt sind eine Menge von Differenzen entstanden, die wahrlich nicht immer
unwichtig sind, die man aber nach dem Geschüftsausdrucke hat, „auf sich
beruhen lassen." vielleicht aus dem Grunde, damit weitere Nachforschungen
und richterliche Untersuchungen nicht zu einem unerwünschten Resultate füh¬
ren? Wie vertrüge sich das mit der Gerechtigkeit? Und nun die Differenzen
unter den Landständen selbst, nämlich unter dem ritterschaftlichen Theile der¬
selben! Ist doch das Verhältniß der adligen zu den bürgerlichen Ritten, ein
völlig abnormes, der Begriff einer Gleichberechtigung beider noch niemals ^zur
Geltung gekommen. Es herrscht eine förmliche Indignation auf Seiten des
Adels über die Anmaßung der bürgerlichen Gutsbesitzer, dieser Eindringlinge,
die sogar Miene machen, sich um speciell adlige Angelegenheiten (zu welchen
u. A. auch die Verwaltung der Lcmdesklöster gehört) zu bekümmern. Es wird
ihnen zwar auf jedem Landtage gesagt, daß sie mit diesen Sachen nichts zu
thun haben, aber sie lassen dennoch nicht ab, sich in dieselben zu mischen.


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[0104] größere Menge wohlhabender ländlicher Familien erschaffen und — was eine sichere Folge davon sein würde — eine intensivere Bewirthschaftung des Are¬ als herbeigeführt; würde in Verbindung damit und in Folge zweckmäßiger Staatsreformen die Industrie einen höheren Aufschwung nehmen, so würden ohne Zweifel größere Capitalien auf die Landesproduction verwandt, die Nachfrage nach solchen würde bedeutender sein, der Zinsfuß unbedingt stei¬ gen; aber — der Wohlstand würde trotzdem zunehmen, er würde allgemeiner und größer werden. So lange die ständische Verfassung Mecklenburgs im Bestände bleibt, ist eine größere Zertheilung des Areals gar nicht'denkbar und möglich; die po¬ litische Stellung der Ritterschaft beruht auf dem großen Grundbesitze, steht und fällt mit diesem. Mit der ständischen Verfassung im Zusammenhange steht, wie oben gezeigt wurde, auch das Stehenbleiben resp. Rückwärtsschreitcn in den verschiedenen andern ^Richtungen des politischen und socialen Lebens des Landes. Andrerseits macht die Nothwendigkeit eines verständigen Fort- schreitens, der Reform nach allen Seiten hin sich täglich mit größerem Ge¬ wichte fühlbar; die Kluft zwischen dem antiquirten Standpunkte des Landesgrund- gesetzlichen Erbvergleichs und der Gegenwart öffnet sich immer weiter. Es entsteht die Frage und ist dringend nahe getreten, wie diese widerstreitenden Verhält¬ nisse zu einem glücklichen und befriedigenden Austrage gebracht werden können. Oder sollte das Bestehende auf die Dauer trotz alledem, dem Willen und der Macht Weniger gemäß, noch zu erhalten sein? Ist es denkbar, daß eine Vertretung bestehn bleiben könne, welche während ihrer ganzen Dauer nicht einmal vermocht hat, ihr Verhältniß zur Landesverwaltung, noch auch das Verhältniß der einzelnen Landstände unter sich und zu den ständischen Behör¬ den in genügender Weise festzustellen? Zwischen den Ständen und der Staats¬ gewalt sind eine Menge von Differenzen entstanden, die wahrlich nicht immer unwichtig sind, die man aber nach dem Geschüftsausdrucke hat, „auf sich beruhen lassen." vielleicht aus dem Grunde, damit weitere Nachforschungen und richterliche Untersuchungen nicht zu einem unerwünschten Resultate füh¬ ren? Wie vertrüge sich das mit der Gerechtigkeit? Und nun die Differenzen unter den Landständen selbst, nämlich unter dem ritterschaftlichen Theile der¬ selben! Ist doch das Verhältniß der adligen zu den bürgerlichen Ritten, ein völlig abnormes, der Begriff einer Gleichberechtigung beider noch niemals ^zur Geltung gekommen. Es herrscht eine förmliche Indignation auf Seiten des Adels über die Anmaßung der bürgerlichen Gutsbesitzer, dieser Eindringlinge, die sogar Miene machen, sich um speciell adlige Angelegenheiten (zu welchen u. A. auch die Verwaltung der Lcmdesklöster gehört) zu bekümmern. Es wird ihnen zwar auf jedem Landtage gesagt, daß sie mit diesen Sachen nichts zu thun haben, aber sie lassen dennoch nicht ab, sich in dieselben zu mischen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/104>, abgerufen am 15.01.2025.