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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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an Schriftsteller, wie den Cardinal von Vitry (Ondin Script. Eccl. 3. 46)
und Albertus de Mirabilibus erinnern. Clemens konnte aber das Lxeeulum
Uf.M8 von Vincent, damals und Jahrhunderte später ein Schulbuch, noch
nicht ganz vergessen haben. Vincent erzählt, daß die Magnetsteine die Kraft
Eisen anzuziehen, "occulta, czuaämn naturf," (ungefähr die Worte des Aristoteles,
die auch wir noch brauchen konnten) besitzen, und daß diese Eigenschaft auf
Eisen übertragen werden könne. Er bespricht die Magnetnadel mit ihren zwei
Polen und gibt eine interessante Beschreibung des Kompasses, wie er damals
gebraucht wurde. Nicht ein Wort vom Stern Nautica. (Speculum Mcij. vin.,
19, 20, 2t. Spec. naturale Magn.)

Roger Bacon beginnt seine Bemerkungen über Ebbe und Flut mit den
Worten: "Lr. irune poiurm unum sxemxlum omnibus occultum." Clemens
brauchte aber nur das Speculum naturale aufzuschlagen, um zu sehen, wie
sehr sich Bacon im Irrthum befand. Nicht nur die tägliche Flut, sondern
auch das Wachsen und Abnehmen derselben während des Monats und des
Jahres ist darin beschriebe" und von der Constellation des Blondes zur Sonne
abhängig gemacht. Bacon ignorirt das. Er gesteht aber zu, daß Abnmasar
in seiner Introductio in Astrologiam etwas darüber gesagt habe. Das ist
ein Irrthum, die Introductio spricht in Verbindung mit dem Monde nur
von Fürstenmord, Pest u. s. w. Bacon meinte wahrscheinlich die Flores Astro-
logiae, eine kleine Schrift, die viele interessante Bemerkungen über Natur-
Phänomene enthält"und damals nicht selten dem unsinnigen Astrologen Jansur
Abu Maschur, gewöhnlich Abumasar genannt, zugeschrieben wurde, obgleich
sie unmöglich von ihm sein kann. Wie dem indessen auch sei, Bacon hätte
gut gethan, nichts mehr über diesen Gegenstand zu sagen. Unglücklicherweise
brachte es die Rolle als Neuerer mit sich, daß er etwas von dem Seinigen
hinzufügen mußte. Der wahre Grund der Ebbe und Flut, versichert er uns,
besteht darin, daß die Strahlen des Mondes, wenn er im Zenith oder nahe
dem Zenith steht, senkrecht aufs Meer fallen, bis in die Tiefe dringen und da
durch ihre Hitze Dämpfe entwickeln, welche die Wasserschichten aufblähen. Wenn
im Gegentheile der Mond nahe am Horizonte steht, berühren seine Strahlen nur
die Oberfläche des Meeres, die Dumpfe auf dem Grunde kühlen ab und die
Ebbe folgt. 8i wouisses! Und selbst diese krasse Theorie ist nicht einmal
originell. Sie ist zusammen gesucht, wie aus alten Lappen. Wir finden darin
eine Stelle von Aristoteles fast wörtlich wieder (Meteorol. 2, 2). nur daß der
griechische Philosoph von den Dämpfen im thierischen Organismus spricht
und Bacon eine falsche Anwendung davon auf das Meer macht. Das Bei¬
spiel von Flüssigkeiten, die in einem Gefäße über dem Feuer erhitzt werden,
hat Bacon aus dem Speculum naturale von Vincent entlehnt. Seiiie ganze
Neuerung besteht in nichts anderem, als daß er die Sonne in den Mond,


an Schriftsteller, wie den Cardinal von Vitry (Ondin Script. Eccl. 3. 46)
und Albertus de Mirabilibus erinnern. Clemens konnte aber das Lxeeulum
Uf.M8 von Vincent, damals und Jahrhunderte später ein Schulbuch, noch
nicht ganz vergessen haben. Vincent erzählt, daß die Magnetsteine die Kraft
Eisen anzuziehen, „occulta, czuaämn naturf," (ungefähr die Worte des Aristoteles,
die auch wir noch brauchen konnten) besitzen, und daß diese Eigenschaft auf
Eisen übertragen werden könne. Er bespricht die Magnetnadel mit ihren zwei
Polen und gibt eine interessante Beschreibung des Kompasses, wie er damals
gebraucht wurde. Nicht ein Wort vom Stern Nautica. (Speculum Mcij. vin.,
19, 20, 2t. Spec. naturale Magn.)

Roger Bacon beginnt seine Bemerkungen über Ebbe und Flut mit den
Worten: „Lr. irune poiurm unum sxemxlum omnibus occultum." Clemens
brauchte aber nur das Speculum naturale aufzuschlagen, um zu sehen, wie
sehr sich Bacon im Irrthum befand. Nicht nur die tägliche Flut, sondern
auch das Wachsen und Abnehmen derselben während des Monats und des
Jahres ist darin beschriebe» und von der Constellation des Blondes zur Sonne
abhängig gemacht. Bacon ignorirt das. Er gesteht aber zu, daß Abnmasar
in seiner Introductio in Astrologiam etwas darüber gesagt habe. Das ist
ein Irrthum, die Introductio spricht in Verbindung mit dem Monde nur
von Fürstenmord, Pest u. s. w. Bacon meinte wahrscheinlich die Flores Astro-
logiae, eine kleine Schrift, die viele interessante Bemerkungen über Natur-
Phänomene enthält«und damals nicht selten dem unsinnigen Astrologen Jansur
Abu Maschur, gewöhnlich Abumasar genannt, zugeschrieben wurde, obgleich
sie unmöglich von ihm sein kann. Wie dem indessen auch sei, Bacon hätte
gut gethan, nichts mehr über diesen Gegenstand zu sagen. Unglücklicherweise
brachte es die Rolle als Neuerer mit sich, daß er etwas von dem Seinigen
hinzufügen mußte. Der wahre Grund der Ebbe und Flut, versichert er uns,
besteht darin, daß die Strahlen des Mondes, wenn er im Zenith oder nahe
dem Zenith steht, senkrecht aufs Meer fallen, bis in die Tiefe dringen und da
durch ihre Hitze Dämpfe entwickeln, welche die Wasserschichten aufblähen. Wenn
im Gegentheile der Mond nahe am Horizonte steht, berühren seine Strahlen nur
die Oberfläche des Meeres, die Dumpfe auf dem Grunde kühlen ab und die
Ebbe folgt. 8i wouisses! Und selbst diese krasse Theorie ist nicht einmal
originell. Sie ist zusammen gesucht, wie aus alten Lappen. Wir finden darin
eine Stelle von Aristoteles fast wörtlich wieder (Meteorol. 2, 2). nur daß der
griechische Philosoph von den Dämpfen im thierischen Organismus spricht
und Bacon eine falsche Anwendung davon auf das Meer macht. Das Bei¬
spiel von Flüssigkeiten, die in einem Gefäße über dem Feuer erhitzt werden,
hat Bacon aus dem Speculum naturale von Vincent entlehnt. Seiiie ganze
Neuerung besteht in nichts anderem, als daß er die Sonne in den Mond,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/99>, abgerufen am 24.07.2024.