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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Neugier, ja nicht einmal seine Aufmerksamkeit. Ebenso planlos, ebenso ge¬
dankenlos und gehaltlos wie bei den andern schlichen seine Augen umher.
Er blickte nach nichts; er schien gar nichts zu bemerken. Ich ließ ihn durch
ein kleines Fernrohr schauen. Allerdings sah er fernere Gegenstände näher,
und machte mit einigem Lächeln das Zeichen eines gewissen Herankommcns
aus großer Ferne bis zu seinen Füßen; doch besah er das Fernglas garnicht,
sondern gab es mir wieder, ohne es einmal den andern zu zeigen. Gasinelli
hatte ihm ein Cigarrenende gegeben. Mit einem Brennglase zündete ich es
an; Juquirana sah wol zu und rief, als nun der Tabak dampfte, mit einigem
Erstaunen: "^mpLcK," Feuer! Aber weiter fesselte ich seine Aufmerksamkeit
auch nicht; ja er zeigte nicht einmal den andern das seltsame, von der Sonne
herabgcholte Feuer. Doch fing er nicht an zu rauchen. Das siel mir auf.
Hatte ihn vielleicht mein Fernrohr und dann das Brennglas in eine innere
Angst vor übernatürlichen Kräften versetzt, und hatte er vielleicht Furcht vor
dein seltsamen Feuer?

Da sie auch unter sich nur wenig sprachen oder vielmehr sich nnr
angrunzten, anschnüffelten und annäseltcn, konnte ich von ihrer Sprache
nichts auffischen, was der Rede werth wäre. Ihr Ja ist ein kurzes Einneh-
men, fast wie ein Schluchzen. Die Negation eines Wortes geschieht durch
ein näselndes rin oder n^j; z. B. ampiep gut, irrmmxic-p nicht gut. Beim
Zählen machen sie auch seltsame Grimassen. Sie legen den Daumen der
rechten Hand an den Mundwinkel und dann drücken sie ihn in die linke Hand
mit dem Worte IcpuwMll! Wenn sie z. B. sagen wollen, daß sie in fünf
Tagen wiederkommen wollen, so zeigen sie auf die Sonne, machen einen Kreis
von Osten nach Westen, drücken fünfmal den Daumen an den Mund und fünf¬
mal in die Hand, indem sie fünfmal tvMtg.x>Jto sagen. Von moralischen
Eigenschaften der Menschen kennen sie offenbar nur zwei: ein Mensch ist ent¬
weder ^roMninueK, ein Freund, und dann gut, oder er ist ein düriizoroka.,
ein Feind, und dann schlecht.

Einige Männer brachten Honig, Jpecacuanha und Unzenfelle zum Um¬
tausch mit sich, wofür sie von Gasinelli Mcmiocmehl erhielten. Gefäße schienen
sie in ihren Waldschlupfwinkcln nicht zu kennen. Daher transportirten sie den
Honig in einer originellen Weise. Sie hatten eine große Kugel von lockerm
Baumbast gemacht und über dieser den Waldhonig aus den Bienennestern
ausgedrückt, bis der Bast vollkommen damit getränkt war. Diese Kugeln
trugen sie unter dem Arme. Beim Austausch drückten sie dann die Kugel
über einem Teller aus, den Gasinelli ihnen gab.

Die Jpecacuanha hatten sie in ganz kleinen Päckchen in die Blätter der
Can6 und ganz junge Palmenblätter gewickelt und ein Ende Schlingpflanze
darum gebunden. An Unzenfellen, die noch nicht einmal trocken waren, brach-


Neugier, ja nicht einmal seine Aufmerksamkeit. Ebenso planlos, ebenso ge¬
dankenlos und gehaltlos wie bei den andern schlichen seine Augen umher.
Er blickte nach nichts; er schien gar nichts zu bemerken. Ich ließ ihn durch
ein kleines Fernrohr schauen. Allerdings sah er fernere Gegenstände näher,
und machte mit einigem Lächeln das Zeichen eines gewissen Herankommcns
aus großer Ferne bis zu seinen Füßen; doch besah er das Fernglas garnicht,
sondern gab es mir wieder, ohne es einmal den andern zu zeigen. Gasinelli
hatte ihm ein Cigarrenende gegeben. Mit einem Brennglase zündete ich es
an; Juquirana sah wol zu und rief, als nun der Tabak dampfte, mit einigem
Erstaunen: „^mpLcK," Feuer! Aber weiter fesselte ich seine Aufmerksamkeit
auch nicht; ja er zeigte nicht einmal den andern das seltsame, von der Sonne
herabgcholte Feuer. Doch fing er nicht an zu rauchen. Das siel mir auf.
Hatte ihn vielleicht mein Fernrohr und dann das Brennglas in eine innere
Angst vor übernatürlichen Kräften versetzt, und hatte er vielleicht Furcht vor
dein seltsamen Feuer?

Da sie auch unter sich nur wenig sprachen oder vielmehr sich nnr
angrunzten, anschnüffelten und annäseltcn, konnte ich von ihrer Sprache
nichts auffischen, was der Rede werth wäre. Ihr Ja ist ein kurzes Einneh-
men, fast wie ein Schluchzen. Die Negation eines Wortes geschieht durch
ein näselndes rin oder n^j; z. B. ampiep gut, irrmmxic-p nicht gut. Beim
Zählen machen sie auch seltsame Grimassen. Sie legen den Daumen der
rechten Hand an den Mundwinkel und dann drücken sie ihn in die linke Hand
mit dem Worte IcpuwMll! Wenn sie z. B. sagen wollen, daß sie in fünf
Tagen wiederkommen wollen, so zeigen sie auf die Sonne, machen einen Kreis
von Osten nach Westen, drücken fünfmal den Daumen an den Mund und fünf¬
mal in die Hand, indem sie fünfmal tvMtg.x>Jto sagen. Von moralischen
Eigenschaften der Menschen kennen sie offenbar nur zwei: ein Mensch ist ent¬
weder ^roMninueK, ein Freund, und dann gut, oder er ist ein düriizoroka.,
ein Feind, und dann schlecht.

Einige Männer brachten Honig, Jpecacuanha und Unzenfelle zum Um¬
tausch mit sich, wofür sie von Gasinelli Mcmiocmehl erhielten. Gefäße schienen
sie in ihren Waldschlupfwinkcln nicht zu kennen. Daher transportirten sie den
Honig in einer originellen Weise. Sie hatten eine große Kugel von lockerm
Baumbast gemacht und über dieser den Waldhonig aus den Bienennestern
ausgedrückt, bis der Bast vollkommen damit getränkt war. Diese Kugeln
trugen sie unter dem Arme. Beim Austausch drückten sie dann die Kugel
über einem Teller aus, den Gasinelli ihnen gab.

Die Jpecacuanha hatten sie in ganz kleinen Päckchen in die Blätter der
Can6 und ganz junge Palmenblätter gewickelt und ein Ende Schlingpflanze
darum gebunden. An Unzenfellen, die noch nicht einmal trocken waren, brach-


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[0080] Neugier, ja nicht einmal seine Aufmerksamkeit. Ebenso planlos, ebenso ge¬ dankenlos und gehaltlos wie bei den andern schlichen seine Augen umher. Er blickte nach nichts; er schien gar nichts zu bemerken. Ich ließ ihn durch ein kleines Fernrohr schauen. Allerdings sah er fernere Gegenstände näher, und machte mit einigem Lächeln das Zeichen eines gewissen Herankommcns aus großer Ferne bis zu seinen Füßen; doch besah er das Fernglas garnicht, sondern gab es mir wieder, ohne es einmal den andern zu zeigen. Gasinelli hatte ihm ein Cigarrenende gegeben. Mit einem Brennglase zündete ich es an; Juquirana sah wol zu und rief, als nun der Tabak dampfte, mit einigem Erstaunen: „^mpLcK," Feuer! Aber weiter fesselte ich seine Aufmerksamkeit auch nicht; ja er zeigte nicht einmal den andern das seltsame, von der Sonne herabgcholte Feuer. Doch fing er nicht an zu rauchen. Das siel mir auf. Hatte ihn vielleicht mein Fernrohr und dann das Brennglas in eine innere Angst vor übernatürlichen Kräften versetzt, und hatte er vielleicht Furcht vor dein seltsamen Feuer? Da sie auch unter sich nur wenig sprachen oder vielmehr sich nnr angrunzten, anschnüffelten und annäseltcn, konnte ich von ihrer Sprache nichts auffischen, was der Rede werth wäre. Ihr Ja ist ein kurzes Einneh- men, fast wie ein Schluchzen. Die Negation eines Wortes geschieht durch ein näselndes rin oder n^j; z. B. ampiep gut, irrmmxic-p nicht gut. Beim Zählen machen sie auch seltsame Grimassen. Sie legen den Daumen der rechten Hand an den Mundwinkel und dann drücken sie ihn in die linke Hand mit dem Worte IcpuwMll! Wenn sie z. B. sagen wollen, daß sie in fünf Tagen wiederkommen wollen, so zeigen sie auf die Sonne, machen einen Kreis von Osten nach Westen, drücken fünfmal den Daumen an den Mund und fünf¬ mal in die Hand, indem sie fünfmal tvMtg.x>Jto sagen. Von moralischen Eigenschaften der Menschen kennen sie offenbar nur zwei: ein Mensch ist ent¬ weder ^roMninueK, ein Freund, und dann gut, oder er ist ein düriizoroka., ein Feind, und dann schlecht. Einige Männer brachten Honig, Jpecacuanha und Unzenfelle zum Um¬ tausch mit sich, wofür sie von Gasinelli Mcmiocmehl erhielten. Gefäße schienen sie in ihren Waldschlupfwinkcln nicht zu kennen. Daher transportirten sie den Honig in einer originellen Weise. Sie hatten eine große Kugel von lockerm Baumbast gemacht und über dieser den Waldhonig aus den Bienennestern ausgedrückt, bis der Bast vollkommen damit getränkt war. Diese Kugeln trugen sie unter dem Arme. Beim Austausch drückten sie dann die Kugel über einem Teller aus, den Gasinelli ihnen gab. Die Jpecacuanha hatten sie in ganz kleinen Päckchen in die Blätter der Can6 und ganz junge Palmenblätter gewickelt und ein Ende Schlingpflanze darum gebunden. An Unzenfellen, die noch nicht einmal trocken waren, brach-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/80>, abgerufen am 24.07.2024.