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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Ferner soll, so behauptete man, die Verfassung des Vereins eine feste und
einheitliche Leitung ganz unmöglich machen, und keinerlei Sicherheit gegen die
gefährlichsten innern Verwirrungen und Erschütterungen bieten; der Ccntral-
vorstand habe weder rechtes Ansehn noch rechte Gewalt, in der Willkür der
Versammlungen liege alle Macht und also eine wie gefährliche! Es fehle
dem schönen Vereine zu einem noch viel kräftigeren und zugleich sicheren Ge¬
deihen nichts als ein strengeres Regiment, das da wirklich befehlen könne und
nöthigenfalls sich Gehorsam zu verschaffen wisse, und wahrhaft verdient
würde sich machen, wer den Verein dahin zu bringen vermöchte, sich einem
solchen zu unterwerfen^ Unterdessen beharrt der Verein in seiner Verblen¬
dung, zu glauben, daß von dem Augenblick an, da dies geschähe, sein Verfall
beginnen würde; denn wenn es wol nicht zu bestreikn sein möchte, daß er
nicht etwa trotz, sondern kraft dieser vermeintlich so beklageswerthen Verfassung
so weit gekommen sei, so sei nach Vernunft und Erfahrung anzunehmen, daß
er nur auf demselben Wege noch weiter kommen könne. Auch habe er>mit die¬
ser seiner Verfassung, welche so gar keine Garantie gegen die gefährlichsten Er¬
schütterungen bieten soll, bereits eine solche") und zwar auf so glückliche Weise
überwunden, wie sie schwerlich von irgend einem Regimente von anders begründetem
Ansehn und durchgreifenderer Macht würde überwunden worden sein. Dabei sei es
an den Tag gekommen, welch ein Segen in einer Organisation liege, durch welche
das Hindurchdringen eines wirklichen Gesammt- Sinns,- Willens und Gewissens
durch allen Lärm der Parteien gesichert ist. Wahrlich, anstatt im Widerspruch unir
die Augen springenden Thatsachen, von der Bedenklichkeit und Gefährlichkeit des
Vereins zu deklamiren, sollte man eher aus den offen vorliegenden Wirkungen sich
eines Bessern belehren lassen, ja könnte man wol das Beispiel des Vereins sich
willkommen sein lassen, um von dem Bewährten für die doch früher oder
später nöthige Umbildung der kirchlichen Organisationen selbst Nutzen zu ziehen.
Die Regierungen müssen auch jene Besorgnisse und Befürchtungen nicht theilen,
sonst würden und dürften sie den Verein nicht so ruhig gewähren lassen. Es
geschieht aber von ihrer Seite nicht allein dieses, sondern der Verein hat sich
sogar von vielen derselben entschiedener Zeichen des Vertrauens und der
Theilnahme zu erfreuen, ohnerachtet man noch immer nicht aufhört, ihnen
mit jenen Warnungen in den Ohren zu liegen.

Was endlich noch den Vorwurf der Ostentation betrifft, der wol auch
dem Verein gemacht worden ist, so ist derselbe glücklicher Weise eben so un¬
begründet wie alle übrigen. Wir sagen: glücklicher Weise; denn aus innern



") Es ist die auf der Berliner Generalversammlung (1846) durch die Zurückweisung eines
Deputirten entstandene, allerdings bedenkliche Bewegung gemeint, die ein ganzes Jahr hindurch
den Verein beunruhigte, auf der Generalversammlung i" Darmstadt aber (1847) beschwichtigt
wurde. Das Genauere ist in den oben angeführten Schriften zu finden.

Ferner soll, so behauptete man, die Verfassung des Vereins eine feste und
einheitliche Leitung ganz unmöglich machen, und keinerlei Sicherheit gegen die
gefährlichsten innern Verwirrungen und Erschütterungen bieten; der Ccntral-
vorstand habe weder rechtes Ansehn noch rechte Gewalt, in der Willkür der
Versammlungen liege alle Macht und also eine wie gefährliche! Es fehle
dem schönen Vereine zu einem noch viel kräftigeren und zugleich sicheren Ge¬
deihen nichts als ein strengeres Regiment, das da wirklich befehlen könne und
nöthigenfalls sich Gehorsam zu verschaffen wisse, und wahrhaft verdient
würde sich machen, wer den Verein dahin zu bringen vermöchte, sich einem
solchen zu unterwerfen^ Unterdessen beharrt der Verein in seiner Verblen¬
dung, zu glauben, daß von dem Augenblick an, da dies geschähe, sein Verfall
beginnen würde; denn wenn es wol nicht zu bestreikn sein möchte, daß er
nicht etwa trotz, sondern kraft dieser vermeintlich so beklageswerthen Verfassung
so weit gekommen sei, so sei nach Vernunft und Erfahrung anzunehmen, daß
er nur auf demselben Wege noch weiter kommen könne. Auch habe er>mit die¬
ser seiner Verfassung, welche so gar keine Garantie gegen die gefährlichsten Er¬
schütterungen bieten soll, bereits eine solche") und zwar auf so glückliche Weise
überwunden, wie sie schwerlich von irgend einem Regimente von anders begründetem
Ansehn und durchgreifenderer Macht würde überwunden worden sein. Dabei sei es
an den Tag gekommen, welch ein Segen in einer Organisation liege, durch welche
das Hindurchdringen eines wirklichen Gesammt- Sinns,- Willens und Gewissens
durch allen Lärm der Parteien gesichert ist. Wahrlich, anstatt im Widerspruch unir
die Augen springenden Thatsachen, von der Bedenklichkeit und Gefährlichkeit des
Vereins zu deklamiren, sollte man eher aus den offen vorliegenden Wirkungen sich
eines Bessern belehren lassen, ja könnte man wol das Beispiel des Vereins sich
willkommen sein lassen, um von dem Bewährten für die doch früher oder
später nöthige Umbildung der kirchlichen Organisationen selbst Nutzen zu ziehen.
Die Regierungen müssen auch jene Besorgnisse und Befürchtungen nicht theilen,
sonst würden und dürften sie den Verein nicht so ruhig gewähren lassen. Es
geschieht aber von ihrer Seite nicht allein dieses, sondern der Verein hat sich
sogar von vielen derselben entschiedener Zeichen des Vertrauens und der
Theilnahme zu erfreuen, ohnerachtet man noch immer nicht aufhört, ihnen
mit jenen Warnungen in den Ohren zu liegen.

Was endlich noch den Vorwurf der Ostentation betrifft, der wol auch
dem Verein gemacht worden ist, so ist derselbe glücklicher Weise eben so un¬
begründet wie alle übrigen. Wir sagen: glücklicher Weise; denn aus innern



") Es ist die auf der Berliner Generalversammlung (1846) durch die Zurückweisung eines
Deputirten entstandene, allerdings bedenkliche Bewegung gemeint, die ein ganzes Jahr hindurch
den Verein beunruhigte, auf der Generalversammlung i» Darmstadt aber (1847) beschwichtigt
wurde. Das Genauere ist in den oben angeführten Schriften zu finden.
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[0064] Ferner soll, so behauptete man, die Verfassung des Vereins eine feste und einheitliche Leitung ganz unmöglich machen, und keinerlei Sicherheit gegen die gefährlichsten innern Verwirrungen und Erschütterungen bieten; der Ccntral- vorstand habe weder rechtes Ansehn noch rechte Gewalt, in der Willkür der Versammlungen liege alle Macht und also eine wie gefährliche! Es fehle dem schönen Vereine zu einem noch viel kräftigeren und zugleich sicheren Ge¬ deihen nichts als ein strengeres Regiment, das da wirklich befehlen könne und nöthigenfalls sich Gehorsam zu verschaffen wisse, und wahrhaft verdient würde sich machen, wer den Verein dahin zu bringen vermöchte, sich einem solchen zu unterwerfen^ Unterdessen beharrt der Verein in seiner Verblen¬ dung, zu glauben, daß von dem Augenblick an, da dies geschähe, sein Verfall beginnen würde; denn wenn es wol nicht zu bestreikn sein möchte, daß er nicht etwa trotz, sondern kraft dieser vermeintlich so beklageswerthen Verfassung so weit gekommen sei, so sei nach Vernunft und Erfahrung anzunehmen, daß er nur auf demselben Wege noch weiter kommen könne. Auch habe er>mit die¬ ser seiner Verfassung, welche so gar keine Garantie gegen die gefährlichsten Er¬ schütterungen bieten soll, bereits eine solche") und zwar auf so glückliche Weise überwunden, wie sie schwerlich von irgend einem Regimente von anders begründetem Ansehn und durchgreifenderer Macht würde überwunden worden sein. Dabei sei es an den Tag gekommen, welch ein Segen in einer Organisation liege, durch welche das Hindurchdringen eines wirklichen Gesammt- Sinns,- Willens und Gewissens durch allen Lärm der Parteien gesichert ist. Wahrlich, anstatt im Widerspruch unir die Augen springenden Thatsachen, von der Bedenklichkeit und Gefährlichkeit des Vereins zu deklamiren, sollte man eher aus den offen vorliegenden Wirkungen sich eines Bessern belehren lassen, ja könnte man wol das Beispiel des Vereins sich willkommen sein lassen, um von dem Bewährten für die doch früher oder später nöthige Umbildung der kirchlichen Organisationen selbst Nutzen zu ziehen. Die Regierungen müssen auch jene Besorgnisse und Befürchtungen nicht theilen, sonst würden und dürften sie den Verein nicht so ruhig gewähren lassen. Es geschieht aber von ihrer Seite nicht allein dieses, sondern der Verein hat sich sogar von vielen derselben entschiedener Zeichen des Vertrauens und der Theilnahme zu erfreuen, ohnerachtet man noch immer nicht aufhört, ihnen mit jenen Warnungen in den Ohren zu liegen. Was endlich noch den Vorwurf der Ostentation betrifft, der wol auch dem Verein gemacht worden ist, so ist derselbe glücklicher Weise eben so un¬ begründet wie alle übrigen. Wir sagen: glücklicher Weise; denn aus innern ") Es ist die auf der Berliner Generalversammlung (1846) durch die Zurückweisung eines Deputirten entstandene, allerdings bedenkliche Bewegung gemeint, die ein ganzes Jahr hindurch den Verein beunruhigte, auf der Generalversammlung i» Darmstadt aber (1847) beschwichtigt wurde. Das Genauere ist in den oben angeführten Schriften zu finden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/64>, abgerufen am 24.07.2024.