Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Gründen wie nach aller Erfahrung muß man allerdings von der Identität
aller Ostentation und der Nichtigkeit einer Sache so überzeugt sein, daß wäre
dieser einzige Vorwurf gegründet, man sich um die Widerlegung aller andern
keine Mühe zu geben brauchte, und dem Verein alle Theilnahme versagen
müßte. Auf was sich aber der Vorwurf stützt? auf die Verhandlungen, ob-
wol sie alle in der größten Oeffentlichkeit vor sich gehen, nicht; ebensowenig
auf die Verwaltungsberichte, welche zahlreich und regelmäßig von den Vereins¬
vorständen und von dem Centralvorstande ausgehen, und auf diese müßte
man sich doch beziehen können, wenn man von etwas spricht, wofür der Ver¬
ein soll verantwortlich gemacht werden können; sondern aus hier und da in
Zeitungen erschienene Artikel beruft man sich, in denen wol einzelne Vereins-
glieder, vielleicht auch nicht einmal solche, sich lobpreisend über den Verein er¬
gehen und mit Verkennung seines Wesens wer weiß was Alles von ihm sich
versprechen. Wer aber dürste eine Gesellschaft, ein Volk nach einzelnen renom-
mistischen Individuen beurtheilen, oder könnte es für den Unverstand dieser
zur Verantwortung ziehen wollen; und wie manche Regierung selbst findet
sich nicht oft in der Lage, zu wünschen, von den Auslassungen unverständiger
Freunde und Lobredner verschont zu bleiben; wie sollte der Verein hoffen
können allein die Wahrheit des "Gott beschütze mich vor meinen Freunden"
nicht an sich zu erfahren?

So ist es um die Beurtheilungen und Verurteilungen bestellt, welche
dem Verein Verderben bringen sollten, oder hätten Verderben bringen können,
ja müssen, wenn ihre UnHaltbarkeit, Grundlosigkeit, wol auch Gehässigkeit
nicht gar zu augenfällig wäre, und ebenso augenfällig auch Tendenz und Wirk¬
samkeit des Vereins und seine gesunde Art und Natur. Worüber man sich
vielleicht nach allem, was zu Gunsten des Vereins zu sagen ist, allein noch
wundern zu können scheint, ist dieses, daß derselbe nicht einen noch
viel bedeutenderen Erfolg gehabt habe, nicht bereits geworden sei, was er
selbst schon oft ausgesprochen hat, erst werden zu müssen, wenn sein großer
Zweck ganz erreicht werden soll, eine Sache des ganzen evangelischen Volkes.
Allein auch hier braucht man nicht etwa seine Zuflucht zu nehmen zu der
Vermuthung, daß er sich doch nicht genug müsse haben angelegen sein lassen,^
dem Volke bekannt zu werden, oder zu der oft wol zu vorschnell angebrach¬
ten Klage über die Versunkenheit des Volkes in materielle Interessen und
über seine daher rührende Unempfänglichst für seine eignen heiligsten An¬
gelegenheiten, geschweige für christliche Theilnahme an Andern in dieser Bezieh¬
ung, sondern man wird vielmehr behaupten dürfen, wer einigermaßen Mit
dem allmälig wirkenden Gesetz geschichtlichen Werdens bekannt sei und wisse,
was dazu gehöre und wie lange Zeit oft erforderlich sei, bis eine Idee die
größere Masse durchdringt, der werde die Entwicklung des Gustav-Adolf-


Gründen wie nach aller Erfahrung muß man allerdings von der Identität
aller Ostentation und der Nichtigkeit einer Sache so überzeugt sein, daß wäre
dieser einzige Vorwurf gegründet, man sich um die Widerlegung aller andern
keine Mühe zu geben brauchte, und dem Verein alle Theilnahme versagen
müßte. Auf was sich aber der Vorwurf stützt? auf die Verhandlungen, ob-
wol sie alle in der größten Oeffentlichkeit vor sich gehen, nicht; ebensowenig
auf die Verwaltungsberichte, welche zahlreich und regelmäßig von den Vereins¬
vorständen und von dem Centralvorstande ausgehen, und auf diese müßte
man sich doch beziehen können, wenn man von etwas spricht, wofür der Ver¬
ein soll verantwortlich gemacht werden können; sondern aus hier und da in
Zeitungen erschienene Artikel beruft man sich, in denen wol einzelne Vereins-
glieder, vielleicht auch nicht einmal solche, sich lobpreisend über den Verein er¬
gehen und mit Verkennung seines Wesens wer weiß was Alles von ihm sich
versprechen. Wer aber dürste eine Gesellschaft, ein Volk nach einzelnen renom-
mistischen Individuen beurtheilen, oder könnte es für den Unverstand dieser
zur Verantwortung ziehen wollen; und wie manche Regierung selbst findet
sich nicht oft in der Lage, zu wünschen, von den Auslassungen unverständiger
Freunde und Lobredner verschont zu bleiben; wie sollte der Verein hoffen
können allein die Wahrheit des „Gott beschütze mich vor meinen Freunden"
nicht an sich zu erfahren?

So ist es um die Beurtheilungen und Verurteilungen bestellt, welche
dem Verein Verderben bringen sollten, oder hätten Verderben bringen können,
ja müssen, wenn ihre UnHaltbarkeit, Grundlosigkeit, wol auch Gehässigkeit
nicht gar zu augenfällig wäre, und ebenso augenfällig auch Tendenz und Wirk¬
samkeit des Vereins und seine gesunde Art und Natur. Worüber man sich
vielleicht nach allem, was zu Gunsten des Vereins zu sagen ist, allein noch
wundern zu können scheint, ist dieses, daß derselbe nicht einen noch
viel bedeutenderen Erfolg gehabt habe, nicht bereits geworden sei, was er
selbst schon oft ausgesprochen hat, erst werden zu müssen, wenn sein großer
Zweck ganz erreicht werden soll, eine Sache des ganzen evangelischen Volkes.
Allein auch hier braucht man nicht etwa seine Zuflucht zu nehmen zu der
Vermuthung, daß er sich doch nicht genug müsse haben angelegen sein lassen,^
dem Volke bekannt zu werden, oder zu der oft wol zu vorschnell angebrach¬
ten Klage über die Versunkenheit des Volkes in materielle Interessen und
über seine daher rührende Unempfänglichst für seine eignen heiligsten An¬
gelegenheiten, geschweige für christliche Theilnahme an Andern in dieser Bezieh¬
ung, sondern man wird vielmehr behaupten dürfen, wer einigermaßen Mit
dem allmälig wirkenden Gesetz geschichtlichen Werdens bekannt sei und wisse,
was dazu gehöre und wie lange Zeit oft erforderlich sei, bis eine Idee die
größere Masse durchdringt, der werde die Entwicklung des Gustav-Adolf-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0065" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/109871"/>
          <p xml:id="ID_138" prev="#ID_137"> Gründen wie nach aller Erfahrung muß man allerdings von der Identität<lb/>
aller Ostentation und der Nichtigkeit einer Sache so überzeugt sein, daß wäre<lb/>
dieser einzige Vorwurf gegründet, man sich um die Widerlegung aller andern<lb/>
keine Mühe zu geben brauchte, und dem Verein alle Theilnahme versagen<lb/>
müßte. Auf was sich aber der Vorwurf stützt? auf die Verhandlungen, ob-<lb/>
wol sie alle in der größten Oeffentlichkeit vor sich gehen, nicht; ebensowenig<lb/>
auf die Verwaltungsberichte, welche zahlreich und regelmäßig von den Vereins¬<lb/>
vorständen und von dem Centralvorstande ausgehen, und auf diese müßte<lb/>
man sich doch beziehen können, wenn man von etwas spricht, wofür der Ver¬<lb/>
ein soll verantwortlich gemacht werden können; sondern aus hier und da in<lb/>
Zeitungen erschienene Artikel beruft man sich, in denen wol einzelne Vereins-<lb/>
glieder, vielleicht auch nicht einmal solche, sich lobpreisend über den Verein er¬<lb/>
gehen und mit Verkennung seines Wesens wer weiß was Alles von ihm sich<lb/>
versprechen. Wer aber dürste eine Gesellschaft, ein Volk nach einzelnen renom-<lb/>
mistischen Individuen beurtheilen, oder könnte es für den Unverstand dieser<lb/>
zur Verantwortung ziehen wollen; und wie manche Regierung selbst findet<lb/>
sich nicht oft in der Lage, zu wünschen, von den Auslassungen unverständiger<lb/>
Freunde und Lobredner verschont zu bleiben; wie sollte der Verein hoffen<lb/>
können allein die Wahrheit des &#x201E;Gott beschütze mich vor meinen Freunden"<lb/>
nicht an sich zu erfahren?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_139" next="#ID_140"> So ist es um die Beurtheilungen und Verurteilungen bestellt, welche<lb/>
dem Verein Verderben bringen sollten, oder hätten Verderben bringen können,<lb/>
ja müssen, wenn ihre UnHaltbarkeit, Grundlosigkeit, wol auch Gehässigkeit<lb/>
nicht gar zu augenfällig wäre, und ebenso augenfällig auch Tendenz und Wirk¬<lb/>
samkeit des Vereins und seine gesunde Art und Natur. Worüber man sich<lb/>
vielleicht nach allem, was zu Gunsten des Vereins zu sagen ist, allein noch<lb/>
wundern zu können scheint, ist dieses, daß derselbe nicht einen noch<lb/>
viel bedeutenderen Erfolg gehabt habe, nicht bereits geworden sei, was er<lb/>
selbst schon oft ausgesprochen hat, erst werden zu müssen, wenn sein großer<lb/>
Zweck ganz erreicht werden soll, eine Sache des ganzen evangelischen Volkes.<lb/>
Allein auch hier braucht man nicht etwa seine Zuflucht zu nehmen zu der<lb/>
Vermuthung, daß er sich doch nicht genug müsse haben angelegen sein lassen,^<lb/>
dem Volke bekannt zu werden, oder zu der oft wol zu vorschnell angebrach¬<lb/>
ten Klage über die Versunkenheit des Volkes in materielle Interessen und<lb/>
über seine daher rührende Unempfänglichst für seine eignen heiligsten An¬<lb/>
gelegenheiten, geschweige für christliche Theilnahme an Andern in dieser Bezieh¬<lb/>
ung, sondern man wird vielmehr behaupten dürfen, wer einigermaßen Mit<lb/>
dem allmälig wirkenden Gesetz geschichtlichen Werdens bekannt sei und wisse,<lb/>
was dazu gehöre und wie lange Zeit oft erforderlich sei, bis eine Idee die<lb/>
größere Masse durchdringt, der werde die Entwicklung des Gustav-Adolf-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0065] Gründen wie nach aller Erfahrung muß man allerdings von der Identität aller Ostentation und der Nichtigkeit einer Sache so überzeugt sein, daß wäre dieser einzige Vorwurf gegründet, man sich um die Widerlegung aller andern keine Mühe zu geben brauchte, und dem Verein alle Theilnahme versagen müßte. Auf was sich aber der Vorwurf stützt? auf die Verhandlungen, ob- wol sie alle in der größten Oeffentlichkeit vor sich gehen, nicht; ebensowenig auf die Verwaltungsberichte, welche zahlreich und regelmäßig von den Vereins¬ vorständen und von dem Centralvorstande ausgehen, und auf diese müßte man sich doch beziehen können, wenn man von etwas spricht, wofür der Ver¬ ein soll verantwortlich gemacht werden können; sondern aus hier und da in Zeitungen erschienene Artikel beruft man sich, in denen wol einzelne Vereins- glieder, vielleicht auch nicht einmal solche, sich lobpreisend über den Verein er¬ gehen und mit Verkennung seines Wesens wer weiß was Alles von ihm sich versprechen. Wer aber dürste eine Gesellschaft, ein Volk nach einzelnen renom- mistischen Individuen beurtheilen, oder könnte es für den Unverstand dieser zur Verantwortung ziehen wollen; und wie manche Regierung selbst findet sich nicht oft in der Lage, zu wünschen, von den Auslassungen unverständiger Freunde und Lobredner verschont zu bleiben; wie sollte der Verein hoffen können allein die Wahrheit des „Gott beschütze mich vor meinen Freunden" nicht an sich zu erfahren? So ist es um die Beurtheilungen und Verurteilungen bestellt, welche dem Verein Verderben bringen sollten, oder hätten Verderben bringen können, ja müssen, wenn ihre UnHaltbarkeit, Grundlosigkeit, wol auch Gehässigkeit nicht gar zu augenfällig wäre, und ebenso augenfällig auch Tendenz und Wirk¬ samkeit des Vereins und seine gesunde Art und Natur. Worüber man sich vielleicht nach allem, was zu Gunsten des Vereins zu sagen ist, allein noch wundern zu können scheint, ist dieses, daß derselbe nicht einen noch viel bedeutenderen Erfolg gehabt habe, nicht bereits geworden sei, was er selbst schon oft ausgesprochen hat, erst werden zu müssen, wenn sein großer Zweck ganz erreicht werden soll, eine Sache des ganzen evangelischen Volkes. Allein auch hier braucht man nicht etwa seine Zuflucht zu nehmen zu der Vermuthung, daß er sich doch nicht genug müsse haben angelegen sein lassen,^ dem Volke bekannt zu werden, oder zu der oft wol zu vorschnell angebrach¬ ten Klage über die Versunkenheit des Volkes in materielle Interessen und über seine daher rührende Unempfänglichst für seine eignen heiligsten An¬ gelegenheiten, geschweige für christliche Theilnahme an Andern in dieser Bezieh¬ ung, sondern man wird vielmehr behaupten dürfen, wer einigermaßen Mit dem allmälig wirkenden Gesetz geschichtlichen Werdens bekannt sei und wisse, was dazu gehöre und wie lange Zeit oft erforderlich sei, bis eine Idee die größere Masse durchdringt, der werde die Entwicklung des Gustav-Adolf-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/65
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/65>, abgerufen am 24.07.2024.