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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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treibe; die Kirche bedürfe einer andern Erbauung als der Erbauung von
Kirchen und Schulhüusern; er sei nichts mehr als eben ein Bauverein, oder
auch eine große Wohlthätigkeitsanstalt im äußerlichsten Sinne. Aber aus
dieser Ausstellung fließt sür den Verein nur ein zweifaches Lob. erstlich, daß
er sich nicht anmaßt, in die allein der Kirche gebührende Wirksamkeit zu ihrer
innern Erbauung, zur Berufung und Anstellung von Pfarrern und Lehrern,
zur Leitung ihrer Amtsthätigkeit u. s. w. einzugreifen; zweitens, daß ihm
die Sorge für Ermöglichung und Sicherung der nothwendigen äußern Be¬
dingungen eines kirchlichen Lebens nicht zu geringe dünkt. Was würden jene
Tadler wol sagen, wenn sich der Verein auch nur einen Einfluß verschaffen
wollte auf das innere kirchliche Leben, auf Wahl und Anstellung der Lehrer
und drgl.; und was würden die von ihnen ausgesendeten Lehrer des Evan¬
geliums wol anfangen, wenn sie keine Versammlungsörter, keine Mittel der
leiblichen Existenz fänden. Doch auch über diese unverständige, -- wenn man
leider nur nicht manchmal auch sagen müßte -- scheinheilige Verachtung des
Aeußern, ohne welches doch auch die geringste Manifestirung des Innern
nicht möglich ist, sollte man kein Wort zu verlieren haben. Mögen die von
dem Vereine zu Kirchen und Schulen zusammengefügten Steine reden, und
jene Tadler sich zu der Frage veranlaßt finden, ob wol eine Beharrlichkeit,
wie sie der Verein in seinem von ihnen so sehr verachteten Thun bewährt,
aus etwas anderm als aus dem lebendigen Interesse für das evangelisch
kirchliche Leben entspringen könne.

Ferner ließen die Ultras der Konfessionellen sich keine Mühe verdrießen, wie
sie meinten, den Beweis zu führen, daß der Gustav-Adolf Verein eine traurige,
ja je großartiger, um so traurigere Erscheinung des Jndifferentismus, ja nicht
einmal Menschenwerk, sondern Teufelswerk sei, daß von Reformirten gegebenes
Geld Lutherischen keinen Segen bringen könne und umgekehrt und was der¬
gleichen Unsinn mehr ist. Die Mäßigeren nannten ihn einen consessions-
losen, weil er die Confessionen der in seinen Statuten namhaft gemachten
Gemeinschaften nicht an der Spitze dieser Statuten abgedruckt habe und tha¬
ten ihr Möglichstes, vor solchem Wesen oder Unwesen zu warnen. Auch Pro¬
pheten standen auf, weissagten des Vereins baldigen Verfall, und compromit-
tirtenj-sich. Der Verein ging ruhig seinen Gang, wurde von der Gnade Got¬
tes sichtbar gesegnet, und zeigte durch die That, daß Männer der verschiedenen
evangelischen Bekenntnisse bei aller Treue gegen dieselben einig sein können,
während die Angreifenden häufig unter sich zerfielen. Dies hat denn auch
nicht verfehlen können, vielen durch jene Vorwürfe und Beschuldigungen Er¬
schreckten oder Eingenommenen die Augen zu öffnen und immer Mehrern zur
Klarheit zu verhelfen über den echt evangelischen Charakter, die wahrhaft
christliche Aufgabe und die richtige Haltung des Vereins.


treibe; die Kirche bedürfe einer andern Erbauung als der Erbauung von
Kirchen und Schulhüusern; er sei nichts mehr als eben ein Bauverein, oder
auch eine große Wohlthätigkeitsanstalt im äußerlichsten Sinne. Aber aus
dieser Ausstellung fließt sür den Verein nur ein zweifaches Lob. erstlich, daß
er sich nicht anmaßt, in die allein der Kirche gebührende Wirksamkeit zu ihrer
innern Erbauung, zur Berufung und Anstellung von Pfarrern und Lehrern,
zur Leitung ihrer Amtsthätigkeit u. s. w. einzugreifen; zweitens, daß ihm
die Sorge für Ermöglichung und Sicherung der nothwendigen äußern Be¬
dingungen eines kirchlichen Lebens nicht zu geringe dünkt. Was würden jene
Tadler wol sagen, wenn sich der Verein auch nur einen Einfluß verschaffen
wollte auf das innere kirchliche Leben, auf Wahl und Anstellung der Lehrer
und drgl.; und was würden die von ihnen ausgesendeten Lehrer des Evan¬
geliums wol anfangen, wenn sie keine Versammlungsörter, keine Mittel der
leiblichen Existenz fänden. Doch auch über diese unverständige, — wenn man
leider nur nicht manchmal auch sagen müßte — scheinheilige Verachtung des
Aeußern, ohne welches doch auch die geringste Manifestirung des Innern
nicht möglich ist, sollte man kein Wort zu verlieren haben. Mögen die von
dem Vereine zu Kirchen und Schulen zusammengefügten Steine reden, und
jene Tadler sich zu der Frage veranlaßt finden, ob wol eine Beharrlichkeit,
wie sie der Verein in seinem von ihnen so sehr verachteten Thun bewährt,
aus etwas anderm als aus dem lebendigen Interesse für das evangelisch
kirchliche Leben entspringen könne.

Ferner ließen die Ultras der Konfessionellen sich keine Mühe verdrießen, wie
sie meinten, den Beweis zu führen, daß der Gustav-Adolf Verein eine traurige,
ja je großartiger, um so traurigere Erscheinung des Jndifferentismus, ja nicht
einmal Menschenwerk, sondern Teufelswerk sei, daß von Reformirten gegebenes
Geld Lutherischen keinen Segen bringen könne und umgekehrt und was der¬
gleichen Unsinn mehr ist. Die Mäßigeren nannten ihn einen consessions-
losen, weil er die Confessionen der in seinen Statuten namhaft gemachten
Gemeinschaften nicht an der Spitze dieser Statuten abgedruckt habe und tha¬
ten ihr Möglichstes, vor solchem Wesen oder Unwesen zu warnen. Auch Pro¬
pheten standen auf, weissagten des Vereins baldigen Verfall, und compromit-
tirtenj-sich. Der Verein ging ruhig seinen Gang, wurde von der Gnade Got¬
tes sichtbar gesegnet, und zeigte durch die That, daß Männer der verschiedenen
evangelischen Bekenntnisse bei aller Treue gegen dieselben einig sein können,
während die Angreifenden häufig unter sich zerfielen. Dies hat denn auch
nicht verfehlen können, vielen durch jene Vorwürfe und Beschuldigungen Er¬
schreckten oder Eingenommenen die Augen zu öffnen und immer Mehrern zur
Klarheit zu verhelfen über den echt evangelischen Charakter, die wahrhaft
christliche Aufgabe und die richtige Haltung des Vereins.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/63>, abgerufen am 24.07.2024.