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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Ueber den Vorwurf der katholischen Kirche sind nicht viele Worte zu ver¬
lieren. Die Bestrebungen des Gustav-Adolf Vereins zur Unterstützung noth¬
leidender evang. Gemeinden und dadurch zur Erhaltung und Kräftigung der evan¬
gelischen Kirche als einen feindseligen Angriff auf die katholische zu bezeichnen,
wie wirklich geschieht, ist ungefähr dasselbe, wie wenn ein Eroberer ein Doll,
das sich zur Selbstvertheidigung rüstet, beschuldigen wollte, von demselben an¬
gegriffen worden zu sein. Die katholische Kirche soll wissen, daß die evange¬
lische zwar auch nicht, so wenig als die katholische ohne den Trieb zur Ver¬
breitung sein kann, daß sie aber zu diesem Zweck sich nur der natürlichen,
von ihr allein für erlaubt gehaltenen Mittel der freien Selbstdarstellung, aber
keiner besonderen Veranstaltungen bedient, dergleichen der Gustav-Adolf Verein
eine ist zur Erhaltung ihrer in äußerer Noth mit dem Untergang oder mit Ver¬
lockung zur Untreue Bedrohten. Doch das sind hierüber schon Worte genug.

Was nun aber die von evangelischer Seite ausgegangenen Beschuldigungen
und Angriffe betrifft, so wird es einerlei sein, mit welcher wir anfangen und
mit welcher wir aufhören. Denn bei dem ziemlich gleichen Gewicht, welches sie
sammt und sonders haben, würde eine interessante Klimax doch auf keine
Weise herauszubringen sein. Zuerst soll schon der Name wenn nicht eine Art
von Verrath sein, doch wenigstens eine die Ehre der Deutschen verletzende Er¬
innerung erwecken und es ist in der That dem Vereine zugemuthet worden,
ihn mit einem andern zu vertauschen. Er hat es nicht gethan und hat Recht
daran gethan. Der Name mag uns Evangelischen eine heilsame wiewol be¬
schämende Erinnerung daran sein, daß wir einmal nicht im Stande gewesen
sind, uns selbst zu schützen, daß wir es aber vermögen sollen und darnach
trachten, nie mehr in die Lage zu kommen, uns schützen lassen zu müssen.
Uebrigens möge hier nicht vergessen sein, daß weniger der Wille als die Lage
der Protestanten, in welche sie freilich auch nicht ohne eignes Verschulden, doch
aber noch mehr durch die feindselige Gesinnung ihrer Gegner im eignen
Vaterlande gebracht worden waren, den Schwedenkönig veranlaßt hat. die
deutsche Erde zu betreten. Wie man aber auch hierüber denken möge, es
würde sicherlich ganz vergeblich gewesen sein, wenn auch der Verein etwa
hätte genöthigt werden können, auf den angenommenen Namen zu verzichten;
er würde doch fortgefahren haben, der Gustav-Adolf-Verein zu heißen. Denn was
geschichtlich erwachsen ist, w,e diese Bezeichnung, das ist so leicht nicht hinweg
zu beschließen. Uebrigens wird die an den Namen sich knüpfende Erinnerung
an eine sehr trübe Zeit einst von selbst verschwinden, wenn es nämlich mit
durch die Wirksamkeit des Vereins dahin gekommen sein wird, daß die evang.
Kirche die in ihr ruhenden Kräfte zu ihrer Erhaltung selbst recht organisirt
haben und der Verein als solcher überflüssig geworden sein wird.

Eine andere Ausstellung ist die, daß der Verein nur ein äußerliches Werk


Ueber den Vorwurf der katholischen Kirche sind nicht viele Worte zu ver¬
lieren. Die Bestrebungen des Gustav-Adolf Vereins zur Unterstützung noth¬
leidender evang. Gemeinden und dadurch zur Erhaltung und Kräftigung der evan¬
gelischen Kirche als einen feindseligen Angriff auf die katholische zu bezeichnen,
wie wirklich geschieht, ist ungefähr dasselbe, wie wenn ein Eroberer ein Doll,
das sich zur Selbstvertheidigung rüstet, beschuldigen wollte, von demselben an¬
gegriffen worden zu sein. Die katholische Kirche soll wissen, daß die evange¬
lische zwar auch nicht, so wenig als die katholische ohne den Trieb zur Ver¬
breitung sein kann, daß sie aber zu diesem Zweck sich nur der natürlichen,
von ihr allein für erlaubt gehaltenen Mittel der freien Selbstdarstellung, aber
keiner besonderen Veranstaltungen bedient, dergleichen der Gustav-Adolf Verein
eine ist zur Erhaltung ihrer in äußerer Noth mit dem Untergang oder mit Ver¬
lockung zur Untreue Bedrohten. Doch das sind hierüber schon Worte genug.

Was nun aber die von evangelischer Seite ausgegangenen Beschuldigungen
und Angriffe betrifft, so wird es einerlei sein, mit welcher wir anfangen und
mit welcher wir aufhören. Denn bei dem ziemlich gleichen Gewicht, welches sie
sammt und sonders haben, würde eine interessante Klimax doch auf keine
Weise herauszubringen sein. Zuerst soll schon der Name wenn nicht eine Art
von Verrath sein, doch wenigstens eine die Ehre der Deutschen verletzende Er¬
innerung erwecken und es ist in der That dem Vereine zugemuthet worden,
ihn mit einem andern zu vertauschen. Er hat es nicht gethan und hat Recht
daran gethan. Der Name mag uns Evangelischen eine heilsame wiewol be¬
schämende Erinnerung daran sein, daß wir einmal nicht im Stande gewesen
sind, uns selbst zu schützen, daß wir es aber vermögen sollen und darnach
trachten, nie mehr in die Lage zu kommen, uns schützen lassen zu müssen.
Uebrigens möge hier nicht vergessen sein, daß weniger der Wille als die Lage
der Protestanten, in welche sie freilich auch nicht ohne eignes Verschulden, doch
aber noch mehr durch die feindselige Gesinnung ihrer Gegner im eignen
Vaterlande gebracht worden waren, den Schwedenkönig veranlaßt hat. die
deutsche Erde zu betreten. Wie man aber auch hierüber denken möge, es
würde sicherlich ganz vergeblich gewesen sein, wenn auch der Verein etwa
hätte genöthigt werden können, auf den angenommenen Namen zu verzichten;
er würde doch fortgefahren haben, der Gustav-Adolf-Verein zu heißen. Denn was
geschichtlich erwachsen ist, w,e diese Bezeichnung, das ist so leicht nicht hinweg
zu beschließen. Uebrigens wird die an den Namen sich knüpfende Erinnerung
an eine sehr trübe Zeit einst von selbst verschwinden, wenn es nämlich mit
durch die Wirksamkeit des Vereins dahin gekommen sein wird, daß die evang.
Kirche die in ihr ruhenden Kräfte zu ihrer Erhaltung selbst recht organisirt
haben und der Verein als solcher überflüssig geworden sein wird.

Eine andere Ausstellung ist die, daß der Verein nur ein äußerliches Werk


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[0062] Ueber den Vorwurf der katholischen Kirche sind nicht viele Worte zu ver¬ lieren. Die Bestrebungen des Gustav-Adolf Vereins zur Unterstützung noth¬ leidender evang. Gemeinden und dadurch zur Erhaltung und Kräftigung der evan¬ gelischen Kirche als einen feindseligen Angriff auf die katholische zu bezeichnen, wie wirklich geschieht, ist ungefähr dasselbe, wie wenn ein Eroberer ein Doll, das sich zur Selbstvertheidigung rüstet, beschuldigen wollte, von demselben an¬ gegriffen worden zu sein. Die katholische Kirche soll wissen, daß die evange¬ lische zwar auch nicht, so wenig als die katholische ohne den Trieb zur Ver¬ breitung sein kann, daß sie aber zu diesem Zweck sich nur der natürlichen, von ihr allein für erlaubt gehaltenen Mittel der freien Selbstdarstellung, aber keiner besonderen Veranstaltungen bedient, dergleichen der Gustav-Adolf Verein eine ist zur Erhaltung ihrer in äußerer Noth mit dem Untergang oder mit Ver¬ lockung zur Untreue Bedrohten. Doch das sind hierüber schon Worte genug. Was nun aber die von evangelischer Seite ausgegangenen Beschuldigungen und Angriffe betrifft, so wird es einerlei sein, mit welcher wir anfangen und mit welcher wir aufhören. Denn bei dem ziemlich gleichen Gewicht, welches sie sammt und sonders haben, würde eine interessante Klimax doch auf keine Weise herauszubringen sein. Zuerst soll schon der Name wenn nicht eine Art von Verrath sein, doch wenigstens eine die Ehre der Deutschen verletzende Er¬ innerung erwecken und es ist in der That dem Vereine zugemuthet worden, ihn mit einem andern zu vertauschen. Er hat es nicht gethan und hat Recht daran gethan. Der Name mag uns Evangelischen eine heilsame wiewol be¬ schämende Erinnerung daran sein, daß wir einmal nicht im Stande gewesen sind, uns selbst zu schützen, daß wir es aber vermögen sollen und darnach trachten, nie mehr in die Lage zu kommen, uns schützen lassen zu müssen. Uebrigens möge hier nicht vergessen sein, daß weniger der Wille als die Lage der Protestanten, in welche sie freilich auch nicht ohne eignes Verschulden, doch aber noch mehr durch die feindselige Gesinnung ihrer Gegner im eignen Vaterlande gebracht worden waren, den Schwedenkönig veranlaßt hat. die deutsche Erde zu betreten. Wie man aber auch hierüber denken möge, es würde sicherlich ganz vergeblich gewesen sein, wenn auch der Verein etwa hätte genöthigt werden können, auf den angenommenen Namen zu verzichten; er würde doch fortgefahren haben, der Gustav-Adolf-Verein zu heißen. Denn was geschichtlich erwachsen ist, w,e diese Bezeichnung, das ist so leicht nicht hinweg zu beschließen. Uebrigens wird die an den Namen sich knüpfende Erinnerung an eine sehr trübe Zeit einst von selbst verschwinden, wenn es nämlich mit durch die Wirksamkeit des Vereins dahin gekommen sein wird, daß die evang. Kirche die in ihr ruhenden Kräfte zu ihrer Erhaltung selbst recht organisirt haben und der Verein als solcher überflüssig geworden sein wird. Eine andere Ausstellung ist die, daß der Verein nur ein äußerliches Werk

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/62>, abgerufen am 24.07.2024.