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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Wir geben nun einen kurzen Ueberblick über die bedeutenderen Städte in
den Marken und Umbrien. Als Hauptstadt der ersteren gilt Ancona. Das"
selbe liegt, 21 deutsche Meilen von Rom entfernt, auf einem Dampfer von
Trieft binnen 14 Stunden zu erreichen, am Abhang eines Hügels hart über
dem Meere. Zwei andere Hügel, der eine von der alterthümlichen Kathe¬
drale, der andere von der Citadelle gekrönt, fassen die amphitlieatralisch zwi¬
schen ihnen aussteigende Stadt ein. Letztere hat 36,000 Einwohner und besteht
aus der Altstadt, die mit ihren Treppengassen den Abhang hinaufsteigt und von
der ärmeren Classe bewohnt wird, und aus der Neustadt, die sich auf der
schmalen Strandebne zwischen Berg und See hinzieht. Die Straßen sind
überall eng. dunkel, unregelmäßig und meist ziemlich schmutzig, Merkwürdig¬
keiten gibt es außer der im romanischen Stil erbauten sehr alten Kathedrale,
in deren Krypte mehre Päpste ruhn, und dem aus parischem Marmor errich¬
teten gut erhaltenen Triumphbogen Trajans auf dem südlichen Hafendamm
keine. Die Bedeutung Anconas liegt in seinem Handel und in seinen Festungs¬
werken. Ersterer ist großentheils in den Händen von Juden, deren gegen 5000
hier wohnen. Die römischen Provinzen im Osten der Apenninen sind die am
besten angebauten im Kirchenstaat, und sie benutzen Ancona als Bersendungs-
ort ihres Getreides, ihrer Wolle und ihrer Felle. In guten Jahren sind hier
für vier Mill. Fi. Waaren ausgeführt und für beinahe zehn Mill. Fi. einge¬
führt worden. Ancona besitzt den besten Hafen zwischen Venedig und der Südost¬
spitze Italiens. Er wird von zwei langen Dämmen, von denen der eine von
Trojan, der andere von Clemens dem Zwölften erbaut wurde, gegen die Wel¬
len geschützt und bietet bei ziemlicher Tiefe den ankernden Schiffen einen
Raum von 3000 Fuß Länge und 2700 Fuß Breite dar.

Als Festung ist Ancona bekannt durch die merkwürdige Belagerung,
welche die Franzosen 1799 hier aushielten, sowie durch die plötzliche Einnahme
durch eine französische Halbbrigade im Jahr 1832. In den Jahren der letzten
Revolution war es von republicanischen Truppen besetzt, die von den Oese.
reichern durch ein heftiges Bombardement am 19. Juli 1849 zur Kapitulation
genöthigt wurden. Die zehn Jahre, die von da an bis zum Abzug der letztern
verflossen, wurden von denselben benutzt, die Festungswerke beträchtlich zu ver¬
stärken, und in den letzten Monaten hat Lamoriciöre. der hier vermuthlich den
letzten Widerstand versuchen wird, noch verschiedene neue Hafenbatterien sowie
eine Anzahl von Lunetten auf der Landseite hinzugefügt. Die Citadelle ist
ungemein stark. Sie liegt auf dem Berg Artagno, der sich 315 Fuß über den
Meeresspiegel erhebt, und dürfte sturmfrei sein; indeß hat sie den Fehler, daß sie
keine bedeutende Besatzung fassen kann und daß ihre Magazine sehr klein sind.

Im Umkreis von fünf deutschen Meilen um Ancona liegen die Städte
Osimo mit 12,000, Sinigaglia mit 8000, Loreto ebenfalls mit 8000 und Ma-


Wir geben nun einen kurzen Ueberblick über die bedeutenderen Städte in
den Marken und Umbrien. Als Hauptstadt der ersteren gilt Ancona. Das«
selbe liegt, 21 deutsche Meilen von Rom entfernt, auf einem Dampfer von
Trieft binnen 14 Stunden zu erreichen, am Abhang eines Hügels hart über
dem Meere. Zwei andere Hügel, der eine von der alterthümlichen Kathe¬
drale, der andere von der Citadelle gekrönt, fassen die amphitlieatralisch zwi¬
schen ihnen aussteigende Stadt ein. Letztere hat 36,000 Einwohner und besteht
aus der Altstadt, die mit ihren Treppengassen den Abhang hinaufsteigt und von
der ärmeren Classe bewohnt wird, und aus der Neustadt, die sich auf der
schmalen Strandebne zwischen Berg und See hinzieht. Die Straßen sind
überall eng. dunkel, unregelmäßig und meist ziemlich schmutzig, Merkwürdig¬
keiten gibt es außer der im romanischen Stil erbauten sehr alten Kathedrale,
in deren Krypte mehre Päpste ruhn, und dem aus parischem Marmor errich¬
teten gut erhaltenen Triumphbogen Trajans auf dem südlichen Hafendamm
keine. Die Bedeutung Anconas liegt in seinem Handel und in seinen Festungs¬
werken. Ersterer ist großentheils in den Händen von Juden, deren gegen 5000
hier wohnen. Die römischen Provinzen im Osten der Apenninen sind die am
besten angebauten im Kirchenstaat, und sie benutzen Ancona als Bersendungs-
ort ihres Getreides, ihrer Wolle und ihrer Felle. In guten Jahren sind hier
für vier Mill. Fi. Waaren ausgeführt und für beinahe zehn Mill. Fi. einge¬
führt worden. Ancona besitzt den besten Hafen zwischen Venedig und der Südost¬
spitze Italiens. Er wird von zwei langen Dämmen, von denen der eine von
Trojan, der andere von Clemens dem Zwölften erbaut wurde, gegen die Wel¬
len geschützt und bietet bei ziemlicher Tiefe den ankernden Schiffen einen
Raum von 3000 Fuß Länge und 2700 Fuß Breite dar.

Als Festung ist Ancona bekannt durch die merkwürdige Belagerung,
welche die Franzosen 1799 hier aushielten, sowie durch die plötzliche Einnahme
durch eine französische Halbbrigade im Jahr 1832. In den Jahren der letzten
Revolution war es von republicanischen Truppen besetzt, die von den Oese.
reichern durch ein heftiges Bombardement am 19. Juli 1849 zur Kapitulation
genöthigt wurden. Die zehn Jahre, die von da an bis zum Abzug der letztern
verflossen, wurden von denselben benutzt, die Festungswerke beträchtlich zu ver¬
stärken, und in den letzten Monaten hat Lamoriciöre. der hier vermuthlich den
letzten Widerstand versuchen wird, noch verschiedene neue Hafenbatterien sowie
eine Anzahl von Lunetten auf der Landseite hinzugefügt. Die Citadelle ist
ungemein stark. Sie liegt auf dem Berg Artagno, der sich 315 Fuß über den
Meeresspiegel erhebt, und dürfte sturmfrei sein; indeß hat sie den Fehler, daß sie
keine bedeutende Besatzung fassen kann und daß ihre Magazine sehr klein sind.

Im Umkreis von fünf deutschen Meilen um Ancona liegen die Städte
Osimo mit 12,000, Sinigaglia mit 8000, Loreto ebenfalls mit 8000 und Ma-


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[0526] Wir geben nun einen kurzen Ueberblick über die bedeutenderen Städte in den Marken und Umbrien. Als Hauptstadt der ersteren gilt Ancona. Das« selbe liegt, 21 deutsche Meilen von Rom entfernt, auf einem Dampfer von Trieft binnen 14 Stunden zu erreichen, am Abhang eines Hügels hart über dem Meere. Zwei andere Hügel, der eine von der alterthümlichen Kathe¬ drale, der andere von der Citadelle gekrönt, fassen die amphitlieatralisch zwi¬ schen ihnen aussteigende Stadt ein. Letztere hat 36,000 Einwohner und besteht aus der Altstadt, die mit ihren Treppengassen den Abhang hinaufsteigt und von der ärmeren Classe bewohnt wird, und aus der Neustadt, die sich auf der schmalen Strandebne zwischen Berg und See hinzieht. Die Straßen sind überall eng. dunkel, unregelmäßig und meist ziemlich schmutzig, Merkwürdig¬ keiten gibt es außer der im romanischen Stil erbauten sehr alten Kathedrale, in deren Krypte mehre Päpste ruhn, und dem aus parischem Marmor errich¬ teten gut erhaltenen Triumphbogen Trajans auf dem südlichen Hafendamm keine. Die Bedeutung Anconas liegt in seinem Handel und in seinen Festungs¬ werken. Ersterer ist großentheils in den Händen von Juden, deren gegen 5000 hier wohnen. Die römischen Provinzen im Osten der Apenninen sind die am besten angebauten im Kirchenstaat, und sie benutzen Ancona als Bersendungs- ort ihres Getreides, ihrer Wolle und ihrer Felle. In guten Jahren sind hier für vier Mill. Fi. Waaren ausgeführt und für beinahe zehn Mill. Fi. einge¬ führt worden. Ancona besitzt den besten Hafen zwischen Venedig und der Südost¬ spitze Italiens. Er wird von zwei langen Dämmen, von denen der eine von Trojan, der andere von Clemens dem Zwölften erbaut wurde, gegen die Wel¬ len geschützt und bietet bei ziemlicher Tiefe den ankernden Schiffen einen Raum von 3000 Fuß Länge und 2700 Fuß Breite dar. Als Festung ist Ancona bekannt durch die merkwürdige Belagerung, welche die Franzosen 1799 hier aushielten, sowie durch die plötzliche Einnahme durch eine französische Halbbrigade im Jahr 1832. In den Jahren der letzten Revolution war es von republicanischen Truppen besetzt, die von den Oese. reichern durch ein heftiges Bombardement am 19. Juli 1849 zur Kapitulation genöthigt wurden. Die zehn Jahre, die von da an bis zum Abzug der letztern verflossen, wurden von denselben benutzt, die Festungswerke beträchtlich zu ver¬ stärken, und in den letzten Monaten hat Lamoriciöre. der hier vermuthlich den letzten Widerstand versuchen wird, noch verschiedene neue Hafenbatterien sowie eine Anzahl von Lunetten auf der Landseite hinzugefügt. Die Citadelle ist ungemein stark. Sie liegt auf dem Berg Artagno, der sich 315 Fuß über den Meeresspiegel erhebt, und dürfte sturmfrei sein; indeß hat sie den Fehler, daß sie keine bedeutende Besatzung fassen kann und daß ihre Magazine sehr klein sind. Im Umkreis von fünf deutschen Meilen um Ancona liegen die Städte Osimo mit 12,000, Sinigaglia mit 8000, Loreto ebenfalls mit 8000 und Ma-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/526>, abgerufen am 24.07.2024.