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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Entwurf zu einer Adresse an die Stände zu finden, wegen der sich der fchles-
wigfche Bürger Vcrseck in Untersuchung befand, und welche Heiberg angefer¬
tigt haben sollte. Hatte man dort ohne Resultat abziehn müssen, so fand
sich auch hier das Gewünschte nicht, und man hatte sich mit dem geringen
Triumph zu begnügen, einen Bericht Heibergs an eine kölner Versicherungs¬
gesellschaft, deren Agent er war, mitzunehmen, worin der Ausdruck vorkam,
daß er "ein alter Schleswig-Holsteiner" sei.

Damit waren die Untersuchungen gegen Heiberg geschlossen. Sein Pri¬
vatzimmer hatte man nach Beendigung der Haussuchung am 18. Juni offen
gelassen. Der Buchladen blieb versiegelt und er ist bis heute noch
nicht wieder geöffnet.

Werfen wir noch einige Blicke auf diesen Umstand sowie auf andere
damit zusammenhängende, so wird sich das ganze Verfahren gegen den un¬
glücklichen Mann noch klarer als eine Kette von Willkürlichkeiten und Gesetz¬
verletzungen der ärgsten Art herausstellen. Schon in den ersten Tagen hatte
der Polizcimeister, angeblich, um die Richtung der Buchhandlung beim Vertrieb
politischer Schriften kennen zu lernen, statt das Lager zu durchsuchen, die Hauptbü¬
cher mitgenommen. In Bezug aus die Büchervorräthe hatte er nur nach Beselers
"Mahnruf" und nach den "Anklagen des Aufruhrs" gefragt. Von letzterer Schrift
war nichts, von ersterer ein Exemplar vorhanden. Auf die Bemerkung, daß
diese Broschüre aufwieglerischen Inhalts sei, wurde dem Polizeimeister ent¬
gegnen daß sie nicht verboten, daß man die Behörde wiederholt ersucht, der
Buchhandlung ein Verzeichniß der verbotnen Bücher mitzutheilen, aber nie¬
mals ein solches habe erhalten können. Der Polizeimeister wußte daraus nur
zu erwidern, daß er selbst bisweilen erst aus der in Flensburg erscheinenden
"Juristischen Wochenschrift" erfahre, welche Schriften im Herzogthum verpönt
seien.

Nach einigen Tagen brachte Jörgensen das Hauptbuch mit dem Bemer¬
ken, daß er darin nichts Unrechtes gefunden,- in den Buchladen zurück, den
er dann wieder versiegelte. Alle an Heibergs Geschäft gerichteten Packete und
Briefe fremder Buchhandlungen mußten vom Postamt und der Eisenbahn an
die Polizei abgeliefert werden, und erst im Juli wurden sie von dieser an ihre
wahre Adresse befördert. Die Geschäftsbücher Hcibergs aber verblieben in
dem versiegelten Laden, und als der Geschäftsführer, auf das Verlangen der
fremden Verleger nach Abrechnung sich beziehend und die Unmöglichkeit, dem ohne
die Bücher nachzukommen nachweisend, den Zugang zu letztem beanspruchte,
blieb er mehre Woche" ohne Antwort.

Als Heiberg, von Natur schon schwächlich und dnrch die Chicanen der
Polizei sowie durch die Aussicht auf den Ruin seines Vermögens schwer an¬
gegriffen, und abgespannt, sich seines körperlichen Zustandes wegen weigerte.


Entwurf zu einer Adresse an die Stände zu finden, wegen der sich der fchles-
wigfche Bürger Vcrseck in Untersuchung befand, und welche Heiberg angefer¬
tigt haben sollte. Hatte man dort ohne Resultat abziehn müssen, so fand
sich auch hier das Gewünschte nicht, und man hatte sich mit dem geringen
Triumph zu begnügen, einen Bericht Heibergs an eine kölner Versicherungs¬
gesellschaft, deren Agent er war, mitzunehmen, worin der Ausdruck vorkam,
daß er „ein alter Schleswig-Holsteiner" sei.

Damit waren die Untersuchungen gegen Heiberg geschlossen. Sein Pri¬
vatzimmer hatte man nach Beendigung der Haussuchung am 18. Juni offen
gelassen. Der Buchladen blieb versiegelt und er ist bis heute noch
nicht wieder geöffnet.

Werfen wir noch einige Blicke auf diesen Umstand sowie auf andere
damit zusammenhängende, so wird sich das ganze Verfahren gegen den un¬
glücklichen Mann noch klarer als eine Kette von Willkürlichkeiten und Gesetz¬
verletzungen der ärgsten Art herausstellen. Schon in den ersten Tagen hatte
der Polizcimeister, angeblich, um die Richtung der Buchhandlung beim Vertrieb
politischer Schriften kennen zu lernen, statt das Lager zu durchsuchen, die Hauptbü¬
cher mitgenommen. In Bezug aus die Büchervorräthe hatte er nur nach Beselers
„Mahnruf" und nach den „Anklagen des Aufruhrs" gefragt. Von letzterer Schrift
war nichts, von ersterer ein Exemplar vorhanden. Auf die Bemerkung, daß
diese Broschüre aufwieglerischen Inhalts sei, wurde dem Polizeimeister ent¬
gegnen daß sie nicht verboten, daß man die Behörde wiederholt ersucht, der
Buchhandlung ein Verzeichniß der verbotnen Bücher mitzutheilen, aber nie¬
mals ein solches habe erhalten können. Der Polizeimeister wußte daraus nur
zu erwidern, daß er selbst bisweilen erst aus der in Flensburg erscheinenden
„Juristischen Wochenschrift" erfahre, welche Schriften im Herzogthum verpönt
seien.

Nach einigen Tagen brachte Jörgensen das Hauptbuch mit dem Bemer¬
ken, daß er darin nichts Unrechtes gefunden,- in den Buchladen zurück, den
er dann wieder versiegelte. Alle an Heibergs Geschäft gerichteten Packete und
Briefe fremder Buchhandlungen mußten vom Postamt und der Eisenbahn an
die Polizei abgeliefert werden, und erst im Juli wurden sie von dieser an ihre
wahre Adresse befördert. Die Geschäftsbücher Hcibergs aber verblieben in
dem versiegelten Laden, und als der Geschäftsführer, auf das Verlangen der
fremden Verleger nach Abrechnung sich beziehend und die Unmöglichkeit, dem ohne
die Bücher nachzukommen nachweisend, den Zugang zu letztem beanspruchte,
blieb er mehre Woche» ohne Antwort.

Als Heiberg, von Natur schon schwächlich und dnrch die Chicanen der
Polizei sowie durch die Aussicht auf den Ruin seines Vermögens schwer an¬
gegriffen, und abgespannt, sich seines körperlichen Zustandes wegen weigerte.


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[0504] Entwurf zu einer Adresse an die Stände zu finden, wegen der sich der fchles- wigfche Bürger Vcrseck in Untersuchung befand, und welche Heiberg angefer¬ tigt haben sollte. Hatte man dort ohne Resultat abziehn müssen, so fand sich auch hier das Gewünschte nicht, und man hatte sich mit dem geringen Triumph zu begnügen, einen Bericht Heibergs an eine kölner Versicherungs¬ gesellschaft, deren Agent er war, mitzunehmen, worin der Ausdruck vorkam, daß er „ein alter Schleswig-Holsteiner" sei. Damit waren die Untersuchungen gegen Heiberg geschlossen. Sein Pri¬ vatzimmer hatte man nach Beendigung der Haussuchung am 18. Juni offen gelassen. Der Buchladen blieb versiegelt und er ist bis heute noch nicht wieder geöffnet. Werfen wir noch einige Blicke auf diesen Umstand sowie auf andere damit zusammenhängende, so wird sich das ganze Verfahren gegen den un¬ glücklichen Mann noch klarer als eine Kette von Willkürlichkeiten und Gesetz¬ verletzungen der ärgsten Art herausstellen. Schon in den ersten Tagen hatte der Polizcimeister, angeblich, um die Richtung der Buchhandlung beim Vertrieb politischer Schriften kennen zu lernen, statt das Lager zu durchsuchen, die Hauptbü¬ cher mitgenommen. In Bezug aus die Büchervorräthe hatte er nur nach Beselers „Mahnruf" und nach den „Anklagen des Aufruhrs" gefragt. Von letzterer Schrift war nichts, von ersterer ein Exemplar vorhanden. Auf die Bemerkung, daß diese Broschüre aufwieglerischen Inhalts sei, wurde dem Polizeimeister ent¬ gegnen daß sie nicht verboten, daß man die Behörde wiederholt ersucht, der Buchhandlung ein Verzeichniß der verbotnen Bücher mitzutheilen, aber nie¬ mals ein solches habe erhalten können. Der Polizeimeister wußte daraus nur zu erwidern, daß er selbst bisweilen erst aus der in Flensburg erscheinenden „Juristischen Wochenschrift" erfahre, welche Schriften im Herzogthum verpönt seien. Nach einigen Tagen brachte Jörgensen das Hauptbuch mit dem Bemer¬ ken, daß er darin nichts Unrechtes gefunden,- in den Buchladen zurück, den er dann wieder versiegelte. Alle an Heibergs Geschäft gerichteten Packete und Briefe fremder Buchhandlungen mußten vom Postamt und der Eisenbahn an die Polizei abgeliefert werden, und erst im Juli wurden sie von dieser an ihre wahre Adresse befördert. Die Geschäftsbücher Hcibergs aber verblieben in dem versiegelten Laden, und als der Geschäftsführer, auf das Verlangen der fremden Verleger nach Abrechnung sich beziehend und die Unmöglichkeit, dem ohne die Bücher nachzukommen nachweisend, den Zugang zu letztem beanspruchte, blieb er mehre Woche» ohne Antwort. Als Heiberg, von Natur schon schwächlich und dnrch die Chicanen der Polizei sowie durch die Aussicht auf den Ruin seines Vermögens schwer an¬ gegriffen, und abgespannt, sich seines körperlichen Zustandes wegen weigerte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/504>, abgerufen am 24.07.2024.