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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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der Durchsuchung seiner Papiere beizuwohnen und sich zu den ihm zugemu-
theten Verhören zu stellen, schickte ihm die Polizei den Physikus ins Haus,
um sich über die Richtigkeit des vom Hausarzt Suadicani in Betreff jenes
Weigcrnngsgrundes ausgestellten Attests zu vergewissern, wobei zu bemerken
ist, daß in Schleswig der Privatarzt für seine Älteste gesetzlich volle Glaub¬
würdigkeit genießt.

Auf die zweite Beschwerdeschrift Heibergs wegen Verhängung des Stadt-
nrrcsts über ihn, Verzögerung der Entsiegelung seines Geschäftslocals und Aus¬
setzung der Entscheidung in der Adrcßaugclegenheit erließ das Appellationsge¬
richt einen Bescheid, der in Bezug auf den ersten Punkt das seltsame Motiv
anführt, daß der Stadtarrest für den Beschwerdeführer keine Nachtheile habe.
Aber von anderen Behinderungen abgesehn, beutet die Polizei diese Freiheits¬
beschränkung sogar dahin aus, daß sie dem kränkelnden Heiberg verwehrt, den
zehn Minuten von der Stadt entfernten Wald zu besuche", welcher die gewöhn¬
liche Promenade der Schleswiger bildet. In Betreff des zweiten Punktes ge¬
schah das Unglaubliche, daß das Appellationsgericht sich seiner richterlichen
Macht gegenüber dem Polizeibeamten völlig begab, indem es erklärte, daß die
auf administrativen Wege verfügte Schließung des Buchladens und Musika-
lien-Leihinstituts nicht zu seinem Ressort gehöre. Allerdings lautet § 9. in
der schleswigschen Verfassung dahin, daß die Gerichte im Herzogthum die
Rechtmäßigkeit einer Rcgierungsverfüguug, so wie einer von der Obrigkeit oder
der Polizei angeordneten Maßregel, nur insoweit zu beurtheilen haben, als
dies ihnen durch besondere gesetzliche Bestimmungen oder durch Al¬
lerhöchste Resolution gestattet ist. Der Bethciligte kann sich mit seiner
Beschwerde nur an die administrative vorgesetzte Behörde, bei Polizeivcrfü-
gungen in den Städten also nur an den Amtmann und von da an das Mi¬
nisterium wenden und hat bis zu etwaiger Remedur Folge zu leisten. In
unsern" Fall jedoch hatte zwar die Polizei zuerst versiegelt, aber das Stadt¬
gericht diesen Schritt bestätigt, und damit war derselbe zur Verfügung einer
richterlichen Behörde geworden, als welche er der Entscheidung des Appella¬
tionsgerichts unterlag. Nun bebt dieses höchste Tribunal am 6. März die
Schließung des Heibcrgschen Geschäfts als unbegründeten Eingriff in die bür¬
gerlichen Rechte des Betheiligten auf. Aber der Polizeimeister als Äomim-
strativbecunter hält es für angemessen, diese Entscheidung nicht zur Ausfüh¬
rung kommen zu lassen. Er erklärt, doch sogleich wieder versiegeln zu wollen,
und das Geschäft bleibt nach wie vor geschlossen, es ist so gut wie aufgeho¬
ben. Auf diese Weise besitzt die Verwaltungsbehörde die Macht, jedes gericht¬
liche Erkenntniß wirkungslos zu machen.

Das Kriminalgericht, nachdem es eingeschritten, war lediglich befugt, solche
Maßregeln zu treffen, daß der Zweck der Untersuchung erreicht werde. Hier


der Durchsuchung seiner Papiere beizuwohnen und sich zu den ihm zugemu-
theten Verhören zu stellen, schickte ihm die Polizei den Physikus ins Haus,
um sich über die Richtigkeit des vom Hausarzt Suadicani in Betreff jenes
Weigcrnngsgrundes ausgestellten Attests zu vergewissern, wobei zu bemerken
ist, daß in Schleswig der Privatarzt für seine Älteste gesetzlich volle Glaub¬
würdigkeit genießt.

Auf die zweite Beschwerdeschrift Heibergs wegen Verhängung des Stadt-
nrrcsts über ihn, Verzögerung der Entsiegelung seines Geschäftslocals und Aus¬
setzung der Entscheidung in der Adrcßaugclegenheit erließ das Appellationsge¬
richt einen Bescheid, der in Bezug auf den ersten Punkt das seltsame Motiv
anführt, daß der Stadtarrest für den Beschwerdeführer keine Nachtheile habe.
Aber von anderen Behinderungen abgesehn, beutet die Polizei diese Freiheits¬
beschränkung sogar dahin aus, daß sie dem kränkelnden Heiberg verwehrt, den
zehn Minuten von der Stadt entfernten Wald zu besuche», welcher die gewöhn¬
liche Promenade der Schleswiger bildet. In Betreff des zweiten Punktes ge¬
schah das Unglaubliche, daß das Appellationsgericht sich seiner richterlichen
Macht gegenüber dem Polizeibeamten völlig begab, indem es erklärte, daß die
auf administrativen Wege verfügte Schließung des Buchladens und Musika-
lien-Leihinstituts nicht zu seinem Ressort gehöre. Allerdings lautet § 9. in
der schleswigschen Verfassung dahin, daß die Gerichte im Herzogthum die
Rechtmäßigkeit einer Rcgierungsverfüguug, so wie einer von der Obrigkeit oder
der Polizei angeordneten Maßregel, nur insoweit zu beurtheilen haben, als
dies ihnen durch besondere gesetzliche Bestimmungen oder durch Al¬
lerhöchste Resolution gestattet ist. Der Bethciligte kann sich mit seiner
Beschwerde nur an die administrative vorgesetzte Behörde, bei Polizeivcrfü-
gungen in den Städten also nur an den Amtmann und von da an das Mi¬
nisterium wenden und hat bis zu etwaiger Remedur Folge zu leisten. In
unsern» Fall jedoch hatte zwar die Polizei zuerst versiegelt, aber das Stadt¬
gericht diesen Schritt bestätigt, und damit war derselbe zur Verfügung einer
richterlichen Behörde geworden, als welche er der Entscheidung des Appella¬
tionsgerichts unterlag. Nun bebt dieses höchste Tribunal am 6. März die
Schließung des Heibcrgschen Geschäfts als unbegründeten Eingriff in die bür¬
gerlichen Rechte des Betheiligten auf. Aber der Polizeimeister als Äomim-
strativbecunter hält es für angemessen, diese Entscheidung nicht zur Ausfüh¬
rung kommen zu lassen. Er erklärt, doch sogleich wieder versiegeln zu wollen,
und das Geschäft bleibt nach wie vor geschlossen, es ist so gut wie aufgeho¬
ben. Auf diese Weise besitzt die Verwaltungsbehörde die Macht, jedes gericht¬
liche Erkenntniß wirkungslos zu machen.

Das Kriminalgericht, nachdem es eingeschritten, war lediglich befugt, solche
Maßregeln zu treffen, daß der Zweck der Untersuchung erreicht werde. Hier


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[0505] der Durchsuchung seiner Papiere beizuwohnen und sich zu den ihm zugemu- theten Verhören zu stellen, schickte ihm die Polizei den Physikus ins Haus, um sich über die Richtigkeit des vom Hausarzt Suadicani in Betreff jenes Weigcrnngsgrundes ausgestellten Attests zu vergewissern, wobei zu bemerken ist, daß in Schleswig der Privatarzt für seine Älteste gesetzlich volle Glaub¬ würdigkeit genießt. Auf die zweite Beschwerdeschrift Heibergs wegen Verhängung des Stadt- nrrcsts über ihn, Verzögerung der Entsiegelung seines Geschäftslocals und Aus¬ setzung der Entscheidung in der Adrcßaugclegenheit erließ das Appellationsge¬ richt einen Bescheid, der in Bezug auf den ersten Punkt das seltsame Motiv anführt, daß der Stadtarrest für den Beschwerdeführer keine Nachtheile habe. Aber von anderen Behinderungen abgesehn, beutet die Polizei diese Freiheits¬ beschränkung sogar dahin aus, daß sie dem kränkelnden Heiberg verwehrt, den zehn Minuten von der Stadt entfernten Wald zu besuche», welcher die gewöhn¬ liche Promenade der Schleswiger bildet. In Betreff des zweiten Punktes ge¬ schah das Unglaubliche, daß das Appellationsgericht sich seiner richterlichen Macht gegenüber dem Polizeibeamten völlig begab, indem es erklärte, daß die auf administrativen Wege verfügte Schließung des Buchladens und Musika- lien-Leihinstituts nicht zu seinem Ressort gehöre. Allerdings lautet § 9. in der schleswigschen Verfassung dahin, daß die Gerichte im Herzogthum die Rechtmäßigkeit einer Rcgierungsverfüguug, so wie einer von der Obrigkeit oder der Polizei angeordneten Maßregel, nur insoweit zu beurtheilen haben, als dies ihnen durch besondere gesetzliche Bestimmungen oder durch Al¬ lerhöchste Resolution gestattet ist. Der Bethciligte kann sich mit seiner Beschwerde nur an die administrative vorgesetzte Behörde, bei Polizeivcrfü- gungen in den Städten also nur an den Amtmann und von da an das Mi¬ nisterium wenden und hat bis zu etwaiger Remedur Folge zu leisten. In unsern» Fall jedoch hatte zwar die Polizei zuerst versiegelt, aber das Stadt¬ gericht diesen Schritt bestätigt, und damit war derselbe zur Verfügung einer richterlichen Behörde geworden, als welche er der Entscheidung des Appella¬ tionsgerichts unterlag. Nun bebt dieses höchste Tribunal am 6. März die Schließung des Heibcrgschen Geschäfts als unbegründeten Eingriff in die bür¬ gerlichen Rechte des Betheiligten auf. Aber der Polizeimeister als Äomim- strativbecunter hält es für angemessen, diese Entscheidung nicht zur Ausfüh¬ rung kommen zu lassen. Er erklärt, doch sogleich wieder versiegeln zu wollen, und das Geschäft bleibt nach wie vor geschlossen, es ist so gut wie aufgeho¬ ben. Auf diese Weise besitzt die Verwaltungsbehörde die Macht, jedes gericht¬ liche Erkenntniß wirkungslos zu machen. Das Kriminalgericht, nachdem es eingeschritten, war lediglich befugt, solche Maßregeln zu treffen, daß der Zweck der Untersuchung erreicht werde. Hier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/505>, abgerufen am 24.07.2024.