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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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dänischen Sprache nicht mächtig seien, von den Behörden bedeutet wurde,
bei Vermeidung einer Brüche von 100 Rthlrn. für jedes Gut die Listen aus¬
zufüllen.

Wenn es schon nach dem Bisherigen scheint, als wolle man von Kopen¬
hagen aus den Glauben verbreiten, Schleswig sei selbst im Süden seiner
Sprache nach bereits dänisch geworden, so wird diese Meinung dadurch be¬
stärkt, daß neuerdings eine große Anzahl von Ortschaften ihre guten deutschen
Namen haben wechseln müssen. Die Verfassung von 1854 behielt noch die
alten bei. 1853 aber erging im Juni vom schleswigschen Ministerium ein
Schreiben an die Behörden der mittlern Bezirke des Herzogthums, welchem
ein gedrucktes Verzeichnis^ einer großen Anzahl von Ortschaften beigelegt war,
deren bisherige Namen zum Theil in einer Weise daniflrt waren, daß man
sie nicht wiedererkannte. Das Schreiben besagte, daß die Behörden sich
fernerhin in ihren Ausfertigungen der neuen Bezeichnungen zu bedienen hät¬
ten. Dieselben Bezeichnungen findet man jetzt auf den Wegweisern, und ebenso
begegnet man ihnen auf der neuen vom dänischen Generalstab herausgege¬
benen Karte des Herzogthums Schleswig. Die Gecrzsche Karte von Schles-
wig und Holstein dagegen, welche die richtigen Namen enthält, wurde eben
deshalb durch Verfügung des Ministeriums von 1858 schon vor ihrem Er¬
scheinen für Schleswig verboten.

Die feindseligste und Schlauche Arglist hätte kein wirksameres Mittel er¬
sinnen können, um in den deutschen Gegenden Schleswigs vom Schloß bis
in die Hütte herab Abneigung und Haß gegen den dänischen Namen und die
dänische Sprache zu erwecken, als diese mit nichts zu rechtfertigende, gänzlich
zweck- und erfolglose Maßregelung der deutschen Zunge, welche -- man sollte
es kaum' für möglich halten -- in neuester Zeit selbst so weit geht, daß die
Aerzte in dem Irrenhaus zu Schleswig, einer Anstalt, welche überdies der
collegialischen Verwaltung der Ministerien für Schleswig und Holstein unter¬
geben und ein gemeinschaftliches Institut für beide Herzogtümer ist, gezwun¬
gen werden, hinsichtlich aller Kranken, die aus den sogenannten gemischten
und den dänisch redenden Districten stammen, nicht allein den betreffenden
Behörden dänisch verfaßte Mittheilungen zu machen, sondern auch ihre
Krankenberichte und Journale dänisch zu schreiben.

Es ist keincsweswegs unmöglich, daß in Folge dieses Verlangens die¬
jenigen Aerzte, welche darauf nicht eingehn können oder wollen, von der Be¬
hörde vertrieben werden. Aber so absurd der dänische Fanatismus sich dabei
auch zu geberden scheint, steht die Maßregel doch in vollständigem Einklang
mit den übrigen Verfügungen, welche in den letzten Jahren im Medicinalwesen
des Herzogthums getroffen wurden, und welche beweisen, daß dieses ganz
ebenso wie Kirche und Schule zu politischen Zwecken, zur Danisirung des Lar-


dänischen Sprache nicht mächtig seien, von den Behörden bedeutet wurde,
bei Vermeidung einer Brüche von 100 Rthlrn. für jedes Gut die Listen aus¬
zufüllen.

Wenn es schon nach dem Bisherigen scheint, als wolle man von Kopen¬
hagen aus den Glauben verbreiten, Schleswig sei selbst im Süden seiner
Sprache nach bereits dänisch geworden, so wird diese Meinung dadurch be¬
stärkt, daß neuerdings eine große Anzahl von Ortschaften ihre guten deutschen
Namen haben wechseln müssen. Die Verfassung von 1854 behielt noch die
alten bei. 1853 aber erging im Juni vom schleswigschen Ministerium ein
Schreiben an die Behörden der mittlern Bezirke des Herzogthums, welchem
ein gedrucktes Verzeichnis^ einer großen Anzahl von Ortschaften beigelegt war,
deren bisherige Namen zum Theil in einer Weise daniflrt waren, daß man
sie nicht wiedererkannte. Das Schreiben besagte, daß die Behörden sich
fernerhin in ihren Ausfertigungen der neuen Bezeichnungen zu bedienen hät¬
ten. Dieselben Bezeichnungen findet man jetzt auf den Wegweisern, und ebenso
begegnet man ihnen auf der neuen vom dänischen Generalstab herausgege¬
benen Karte des Herzogthums Schleswig. Die Gecrzsche Karte von Schles-
wig und Holstein dagegen, welche die richtigen Namen enthält, wurde eben
deshalb durch Verfügung des Ministeriums von 1858 schon vor ihrem Er¬
scheinen für Schleswig verboten.

Die feindseligste und Schlauche Arglist hätte kein wirksameres Mittel er¬
sinnen können, um in den deutschen Gegenden Schleswigs vom Schloß bis
in die Hütte herab Abneigung und Haß gegen den dänischen Namen und die
dänische Sprache zu erwecken, als diese mit nichts zu rechtfertigende, gänzlich
zweck- und erfolglose Maßregelung der deutschen Zunge, welche — man sollte
es kaum' für möglich halten — in neuester Zeit selbst so weit geht, daß die
Aerzte in dem Irrenhaus zu Schleswig, einer Anstalt, welche überdies der
collegialischen Verwaltung der Ministerien für Schleswig und Holstein unter¬
geben und ein gemeinschaftliches Institut für beide Herzogtümer ist, gezwun¬
gen werden, hinsichtlich aller Kranken, die aus den sogenannten gemischten
und den dänisch redenden Districten stammen, nicht allein den betreffenden
Behörden dänisch verfaßte Mittheilungen zu machen, sondern auch ihre
Krankenberichte und Journale dänisch zu schreiben.

Es ist keincsweswegs unmöglich, daß in Folge dieses Verlangens die¬
jenigen Aerzte, welche darauf nicht eingehn können oder wollen, von der Be¬
hörde vertrieben werden. Aber so absurd der dänische Fanatismus sich dabei
auch zu geberden scheint, steht die Maßregel doch in vollständigem Einklang
mit den übrigen Verfügungen, welche in den letzten Jahren im Medicinalwesen
des Herzogthums getroffen wurden, und welche beweisen, daß dieses ganz
ebenso wie Kirche und Schule zu politischen Zwecken, zur Danisirung des Lar-


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[0467] dänischen Sprache nicht mächtig seien, von den Behörden bedeutet wurde, bei Vermeidung einer Brüche von 100 Rthlrn. für jedes Gut die Listen aus¬ zufüllen. Wenn es schon nach dem Bisherigen scheint, als wolle man von Kopen¬ hagen aus den Glauben verbreiten, Schleswig sei selbst im Süden seiner Sprache nach bereits dänisch geworden, so wird diese Meinung dadurch be¬ stärkt, daß neuerdings eine große Anzahl von Ortschaften ihre guten deutschen Namen haben wechseln müssen. Die Verfassung von 1854 behielt noch die alten bei. 1853 aber erging im Juni vom schleswigschen Ministerium ein Schreiben an die Behörden der mittlern Bezirke des Herzogthums, welchem ein gedrucktes Verzeichnis^ einer großen Anzahl von Ortschaften beigelegt war, deren bisherige Namen zum Theil in einer Weise daniflrt waren, daß man sie nicht wiedererkannte. Das Schreiben besagte, daß die Behörden sich fernerhin in ihren Ausfertigungen der neuen Bezeichnungen zu bedienen hät¬ ten. Dieselben Bezeichnungen findet man jetzt auf den Wegweisern, und ebenso begegnet man ihnen auf der neuen vom dänischen Generalstab herausgege¬ benen Karte des Herzogthums Schleswig. Die Gecrzsche Karte von Schles- wig und Holstein dagegen, welche die richtigen Namen enthält, wurde eben deshalb durch Verfügung des Ministeriums von 1858 schon vor ihrem Er¬ scheinen für Schleswig verboten. Die feindseligste und Schlauche Arglist hätte kein wirksameres Mittel er¬ sinnen können, um in den deutschen Gegenden Schleswigs vom Schloß bis in die Hütte herab Abneigung und Haß gegen den dänischen Namen und die dänische Sprache zu erwecken, als diese mit nichts zu rechtfertigende, gänzlich zweck- und erfolglose Maßregelung der deutschen Zunge, welche — man sollte es kaum' für möglich halten — in neuester Zeit selbst so weit geht, daß die Aerzte in dem Irrenhaus zu Schleswig, einer Anstalt, welche überdies der collegialischen Verwaltung der Ministerien für Schleswig und Holstein unter¬ geben und ein gemeinschaftliches Institut für beide Herzogtümer ist, gezwun¬ gen werden, hinsichtlich aller Kranken, die aus den sogenannten gemischten und den dänisch redenden Districten stammen, nicht allein den betreffenden Behörden dänisch verfaßte Mittheilungen zu machen, sondern auch ihre Krankenberichte und Journale dänisch zu schreiben. Es ist keincsweswegs unmöglich, daß in Folge dieses Verlangens die¬ jenigen Aerzte, welche darauf nicht eingehn können oder wollen, von der Be¬ hörde vertrieben werden. Aber so absurd der dänische Fanatismus sich dabei auch zu geberden scheint, steht die Maßregel doch in vollständigem Einklang mit den übrigen Verfügungen, welche in den letzten Jahren im Medicinalwesen des Herzogthums getroffen wurden, und welche beweisen, daß dieses ganz ebenso wie Kirche und Schule zu politischen Zwecken, zur Danisirung des Lar-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/467>, abgerufen am 04.07.2024.