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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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das Mittel zu diesem Zweck ganz und gar nichts taugt. Es hat das Gegentheil
von dem, was es bewirken so", herbeigeführt und der Natur der Sache nach
auch herbeiführen müssen. Es hat dazu gedient, den vorhandnen Riß weiter
zu macheu. es hat dazu gedient, die Bevölkerung statt mit Liebe zur däni¬
schen Sprache mit Haß und Widerwillen gegen dieselbe zu erfüllen, es hat
dazu gedient, statt die alten Wunden zu heilen, neue aufzureißen." "Es ist
ganz unverkennbar, daß in unserm Lande ein Geist der Unruhe sich regt.
Diesen Geist der Unruhe hat mau vielfach verwechselt mit dem Geist des
Aufruhrs, aber ich meine das fchleswigfche Volk ist kein aufrührerisches Volk.
Was aber nicht ist, das kann werden."

Stürmischer Beifall folgte diesen Worten auf der Tribüne. Der könig¬
liche Commissär aber erklärte, was er früher erklärt: es werde bei dem Sprach-
rescript sein Bewenden haben, jedes Verlangen auf Abänderung sei ein für
alle Mal abgeschlagen. Die Schleswiger wissen aber, daß es zwischen ihrem
Herzog, der sie nicht hört, und der Selbsthilfe, zu der sie bei solcher schreien¬
den Verletzung ihrer heiligsten Interessen zu schreiten befugt wären, von der
sie aber aus Schwäche absehn müssen, noch eine Zwischeninstanz gibt, die
Macht, die den Frieden von 1851 unter der Bedingung, daß in Schleswig
Gerechtigkeit geübt werde, abgeschlossen hat, und hinter der schon lange grol¬
lend die öffentliche Meinung in Deutschland steht.

Mit der Sprachfrage stehen aber noch zahlreiche andere Willkürlichkeiten
der dänischen Regierung in Verbindung. Um allen Widerstand gegen die
Verdrängung des Deutschen nach Möglichkeit zu beseitigen, hob man die in
der Verfassung für Schleswig garantirten Patronatsrechte des Besitzers der
Baronin Äelting und der zum Kirchspiel gleiches Namens eingepfarrten Guts¬
herren über Kirchen und Schulen auf, und eine Gegenvorstellung, welche Prä¬
laten und Ritterschaft gegen diesen Eingriff in die Rechte der Güter im Som¬
mer 1858 an den König richteten, wurde denselben von der Regierung mit
dem Bedeuten, daß man sich nicht veranlaßt sehe, die Eingabe Sr. Majestät
vorzulegen, uneröffnet zurück gesandt.

Ferner wurden die Gutsbesitzer in dem Theile Angelus, wo die Kirchen-
sprache eine gemischte ist (die Schulsprache ist, wie bemerkt, so gut wie ganz
dänisch) in den letzten Jahren durch eine Ministerialverfügung angehalten,
alle an sie gelangenden dänisch abgefaßten Schreiben der Behörden und Pre¬
diger dänisch zu beantworten. Diese Bestimmung ist weder mit einer Gleich¬
berechtigung der Nationalitäten vereinbar, noch kann sie aus der schleswig-
schen Verfassung abgeleitet werden. Gleichwol wurde die genaue Befolgung
derselben durch Androhung bedeutender Geldstrafen erzwungen. Als Beispiel
sei nur angeführt, daß mehrern Gutsbesitzern des ersten äugt.er Güterdistricts,
welche dänische Listen mit dem Bemerken zurückzuschicken gewagt, daß sie der


das Mittel zu diesem Zweck ganz und gar nichts taugt. Es hat das Gegentheil
von dem, was es bewirken so», herbeigeführt und der Natur der Sache nach
auch herbeiführen müssen. Es hat dazu gedient, den vorhandnen Riß weiter
zu macheu. es hat dazu gedient, die Bevölkerung statt mit Liebe zur däni¬
schen Sprache mit Haß und Widerwillen gegen dieselbe zu erfüllen, es hat
dazu gedient, statt die alten Wunden zu heilen, neue aufzureißen." „Es ist
ganz unverkennbar, daß in unserm Lande ein Geist der Unruhe sich regt.
Diesen Geist der Unruhe hat mau vielfach verwechselt mit dem Geist des
Aufruhrs, aber ich meine das fchleswigfche Volk ist kein aufrührerisches Volk.
Was aber nicht ist, das kann werden."

Stürmischer Beifall folgte diesen Worten auf der Tribüne. Der könig¬
liche Commissär aber erklärte, was er früher erklärt: es werde bei dem Sprach-
rescript sein Bewenden haben, jedes Verlangen auf Abänderung sei ein für
alle Mal abgeschlagen. Die Schleswiger wissen aber, daß es zwischen ihrem
Herzog, der sie nicht hört, und der Selbsthilfe, zu der sie bei solcher schreien¬
den Verletzung ihrer heiligsten Interessen zu schreiten befugt wären, von der
sie aber aus Schwäche absehn müssen, noch eine Zwischeninstanz gibt, die
Macht, die den Frieden von 1851 unter der Bedingung, daß in Schleswig
Gerechtigkeit geübt werde, abgeschlossen hat, und hinter der schon lange grol¬
lend die öffentliche Meinung in Deutschland steht.

Mit der Sprachfrage stehen aber noch zahlreiche andere Willkürlichkeiten
der dänischen Regierung in Verbindung. Um allen Widerstand gegen die
Verdrängung des Deutschen nach Möglichkeit zu beseitigen, hob man die in
der Verfassung für Schleswig garantirten Patronatsrechte des Besitzers der
Baronin Äelting und der zum Kirchspiel gleiches Namens eingepfarrten Guts¬
herren über Kirchen und Schulen auf, und eine Gegenvorstellung, welche Prä¬
laten und Ritterschaft gegen diesen Eingriff in die Rechte der Güter im Som¬
mer 1858 an den König richteten, wurde denselben von der Regierung mit
dem Bedeuten, daß man sich nicht veranlaßt sehe, die Eingabe Sr. Majestät
vorzulegen, uneröffnet zurück gesandt.

Ferner wurden die Gutsbesitzer in dem Theile Angelus, wo die Kirchen-
sprache eine gemischte ist (die Schulsprache ist, wie bemerkt, so gut wie ganz
dänisch) in den letzten Jahren durch eine Ministerialverfügung angehalten,
alle an sie gelangenden dänisch abgefaßten Schreiben der Behörden und Pre¬
diger dänisch zu beantworten. Diese Bestimmung ist weder mit einer Gleich¬
berechtigung der Nationalitäten vereinbar, noch kann sie aus der schleswig-
schen Verfassung abgeleitet werden. Gleichwol wurde die genaue Befolgung
derselben durch Androhung bedeutender Geldstrafen erzwungen. Als Beispiel
sei nur angeführt, daß mehrern Gutsbesitzern des ersten äugt.er Güterdistricts,
welche dänische Listen mit dem Bemerken zurückzuschicken gewagt, daß sie der


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[0466] das Mittel zu diesem Zweck ganz und gar nichts taugt. Es hat das Gegentheil von dem, was es bewirken so», herbeigeführt und der Natur der Sache nach auch herbeiführen müssen. Es hat dazu gedient, den vorhandnen Riß weiter zu macheu. es hat dazu gedient, die Bevölkerung statt mit Liebe zur däni¬ schen Sprache mit Haß und Widerwillen gegen dieselbe zu erfüllen, es hat dazu gedient, statt die alten Wunden zu heilen, neue aufzureißen." „Es ist ganz unverkennbar, daß in unserm Lande ein Geist der Unruhe sich regt. Diesen Geist der Unruhe hat mau vielfach verwechselt mit dem Geist des Aufruhrs, aber ich meine das fchleswigfche Volk ist kein aufrührerisches Volk. Was aber nicht ist, das kann werden." Stürmischer Beifall folgte diesen Worten auf der Tribüne. Der könig¬ liche Commissär aber erklärte, was er früher erklärt: es werde bei dem Sprach- rescript sein Bewenden haben, jedes Verlangen auf Abänderung sei ein für alle Mal abgeschlagen. Die Schleswiger wissen aber, daß es zwischen ihrem Herzog, der sie nicht hört, und der Selbsthilfe, zu der sie bei solcher schreien¬ den Verletzung ihrer heiligsten Interessen zu schreiten befugt wären, von der sie aber aus Schwäche absehn müssen, noch eine Zwischeninstanz gibt, die Macht, die den Frieden von 1851 unter der Bedingung, daß in Schleswig Gerechtigkeit geübt werde, abgeschlossen hat, und hinter der schon lange grol¬ lend die öffentliche Meinung in Deutschland steht. Mit der Sprachfrage stehen aber noch zahlreiche andere Willkürlichkeiten der dänischen Regierung in Verbindung. Um allen Widerstand gegen die Verdrängung des Deutschen nach Möglichkeit zu beseitigen, hob man die in der Verfassung für Schleswig garantirten Patronatsrechte des Besitzers der Baronin Äelting und der zum Kirchspiel gleiches Namens eingepfarrten Guts¬ herren über Kirchen und Schulen auf, und eine Gegenvorstellung, welche Prä¬ laten und Ritterschaft gegen diesen Eingriff in die Rechte der Güter im Som¬ mer 1858 an den König richteten, wurde denselben von der Regierung mit dem Bedeuten, daß man sich nicht veranlaßt sehe, die Eingabe Sr. Majestät vorzulegen, uneröffnet zurück gesandt. Ferner wurden die Gutsbesitzer in dem Theile Angelus, wo die Kirchen- sprache eine gemischte ist (die Schulsprache ist, wie bemerkt, so gut wie ganz dänisch) in den letzten Jahren durch eine Ministerialverfügung angehalten, alle an sie gelangenden dänisch abgefaßten Schreiben der Behörden und Pre¬ diger dänisch zu beantworten. Diese Bestimmung ist weder mit einer Gleich¬ berechtigung der Nationalitäten vereinbar, noch kann sie aus der schleswig- schen Verfassung abgeleitet werden. Gleichwol wurde die genaue Befolgung derselben durch Androhung bedeutender Geldstrafen erzwungen. Als Beispiel sei nur angeführt, daß mehrern Gutsbesitzern des ersten äugt.er Güterdistricts, welche dänische Listen mit dem Bemerken zurückzuschicken gewagt, daß sie der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/466>, abgerufen am 04.07.2024.