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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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des benutzt wird. An der Spitze des Medicincilwesens steht das Sanitäts-
collegium, eine Behörde, die jedoch nur geringen Einfluß ausübt, wogegen
der Medicinalinspector, natürlich ein Nationaldäne, fast absolute Machtvoll¬
kommenheit besitzt. Schwerlich könnte es einer verständigen und unparteii¬
schen Gesetzgebung beikommen, die Befugnisse einer solchen Behörde so aus¬
zulegen, wie sie von dem jetzigen Medicinalinspector im Einvernehmen mit
dem Ministerium verstanden werden, und kaum kann man die Wirksamkeit
des erstem anders bezeichnen, als die eines Polizeimeisters. Nicht das wis¬
senschaftliche, nicht das Standesintcresse wird von ihm vertreten, nicht so
sehr auf die Wohlfahrt des Volks als auf die Förderung der Zwecke Dä¬
nemarks in Schleswig richtet derselbe seine Blicke. Jene Interessen dienen
nur als Deckmantel für politische Beweggründe. Schon hat er mehrern deut¬
schen Apothekern lediglich aus solchen Motiven und zu ihrem großen Schaden
ihr Privilegium entzogen und Dänen an ihre Stelle gebracht. Er hat die alten
in Kiel gebildeten und geprüften Physici fast ohne Ausnahme abgesetzt und
in die 17 Physicatsdistricte bereits elf dänische Aerzte eingeschoben, die weder
die vorschriftsmäßigen zwei Jahre in Kiel studirt haben, noch der deutschen
Sprache erträglich mächtig sind. Er hat, um Gelegenheit zur Begünstigung
seines Anhangs und zu weitrer Beeinträchtigung des deutschen Lebens im Her-
zogthum zu suchen, sich in die Angelegenheiten der Communen eingedrängt,
indem er sich vom Ministerium ein Rescript erwirkte, nach welchem bei dem
Uebereinkommen wegen der Armenpraxis die Persönlichkeit des Arztes besonders
in Betracht kommen und das Urtheil des Medicinalinspectors über dieselbe
eingeholt werden soll -- eine Vorschrift, bei der nur an die politische Farbe
der Betreffenden gedacht werden kann, da jeder Arzt, der die volle Berechtigung
zur Praxis sich erworben, selbstverständlich auch Armenarzt sein darf. Es ist
endlich, um Anderes zu übergehn, vorgekommen, daß ein älterer Mediciner,
der wegen Kundgebung deutscher Gesinnung mit einer Polizeistrafe belegt worden
war. von ihm noch mit einer Nebcnstrafc bedacht wurde, die darin bestand,
daß derselbe unter medicinische Aufsicht des Physicats gestellt und genöthigt
wurde, über alle von ihm behandelten Kranken wöchentlich schematischen Be¬
richt abzustatten.

Im vollkommnen Widerspruch mit der verheißnen Gleichberechtigung der
deutschen und der dänischen Nationalität in Schleswig, sowie mit der beste¬
henden Gesetzgebung ist ferner die Verwaltung des Herzogthums, sowol die
bürgerliche als die kirchliche, in den letzten Jahren beinahe ausschließlich dä¬
nischen, größtentheils von den Inseln und aus Jütland stammenden Beamten
und Predigern übertragen worden. Die Eingebornen Schleswigs hat man
zu Gunsten dieser Einwanderung meist von der Anstellung ausgeschlossen, na¬
mentlich wenn sie in Kiel studirt hatten, welches zwar noch immer den Cha-


des benutzt wird. An der Spitze des Medicincilwesens steht das Sanitäts-
collegium, eine Behörde, die jedoch nur geringen Einfluß ausübt, wogegen
der Medicinalinspector, natürlich ein Nationaldäne, fast absolute Machtvoll¬
kommenheit besitzt. Schwerlich könnte es einer verständigen und unparteii¬
schen Gesetzgebung beikommen, die Befugnisse einer solchen Behörde so aus¬
zulegen, wie sie von dem jetzigen Medicinalinspector im Einvernehmen mit
dem Ministerium verstanden werden, und kaum kann man die Wirksamkeit
des erstem anders bezeichnen, als die eines Polizeimeisters. Nicht das wis¬
senschaftliche, nicht das Standesintcresse wird von ihm vertreten, nicht so
sehr auf die Wohlfahrt des Volks als auf die Förderung der Zwecke Dä¬
nemarks in Schleswig richtet derselbe seine Blicke. Jene Interessen dienen
nur als Deckmantel für politische Beweggründe. Schon hat er mehrern deut¬
schen Apothekern lediglich aus solchen Motiven und zu ihrem großen Schaden
ihr Privilegium entzogen und Dänen an ihre Stelle gebracht. Er hat die alten
in Kiel gebildeten und geprüften Physici fast ohne Ausnahme abgesetzt und
in die 17 Physicatsdistricte bereits elf dänische Aerzte eingeschoben, die weder
die vorschriftsmäßigen zwei Jahre in Kiel studirt haben, noch der deutschen
Sprache erträglich mächtig sind. Er hat, um Gelegenheit zur Begünstigung
seines Anhangs und zu weitrer Beeinträchtigung des deutschen Lebens im Her-
zogthum zu suchen, sich in die Angelegenheiten der Communen eingedrängt,
indem er sich vom Ministerium ein Rescript erwirkte, nach welchem bei dem
Uebereinkommen wegen der Armenpraxis die Persönlichkeit des Arztes besonders
in Betracht kommen und das Urtheil des Medicinalinspectors über dieselbe
eingeholt werden soll — eine Vorschrift, bei der nur an die politische Farbe
der Betreffenden gedacht werden kann, da jeder Arzt, der die volle Berechtigung
zur Praxis sich erworben, selbstverständlich auch Armenarzt sein darf. Es ist
endlich, um Anderes zu übergehn, vorgekommen, daß ein älterer Mediciner,
der wegen Kundgebung deutscher Gesinnung mit einer Polizeistrafe belegt worden
war. von ihm noch mit einer Nebcnstrafc bedacht wurde, die darin bestand,
daß derselbe unter medicinische Aufsicht des Physicats gestellt und genöthigt
wurde, über alle von ihm behandelten Kranken wöchentlich schematischen Be¬
richt abzustatten.

Im vollkommnen Widerspruch mit der verheißnen Gleichberechtigung der
deutschen und der dänischen Nationalität in Schleswig, sowie mit der beste¬
henden Gesetzgebung ist ferner die Verwaltung des Herzogthums, sowol die
bürgerliche als die kirchliche, in den letzten Jahren beinahe ausschließlich dä¬
nischen, größtentheils von den Inseln und aus Jütland stammenden Beamten
und Predigern übertragen worden. Die Eingebornen Schleswigs hat man
zu Gunsten dieser Einwanderung meist von der Anstellung ausgeschlossen, na¬
mentlich wenn sie in Kiel studirt hatten, welches zwar noch immer den Cha-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/468>, abgerufen am 04.07.2024.