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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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den Gestirne am politischen Himmel wird jeder ihrer weitern Unternehmun¬
gen vorhergehn, jede Selbstüberschätzung, jede Ueberhebung auf Grund des
bisherigen Glücks sorgfältig von ihren Berechnungen ausgeschlossen werden
müssen, wenn nicht Alles aufs Spiel gestellt werden soll. Ob sie diese Ga¬
ben besitzen, ist sehr zweifelhaft. Bei uns dagegen sind sie im Ueberfluß vor¬
handen, und so würde es ein ersprießlicher Tausch sür beide Parteien sein,
wenn Italien uns jetzt einen Theil dieses wenig fruchtbaren Besitzes abneh¬
men und dafür den Leitern unsrer Geschicke, zunächst nur zur Ordnung der
Verhältnisse in Schleswig, etwas von ihrer Entschlossenheit, oder, um Luthers
Ausdruck beizubehalten, etwas von ihrer Beherztheit abtreten könnte.

Es kaun nicht der Zweck der folgenden Mittheilungen sein, zu untersuchen,
weshalb in dieser Sache bisher nicht kräftiger eingeschritten, nicht mehr als
bisher gefordert worden ist. Auch das alte Recht Schleswig-Holsteins, das
18S1 geopferte, und die mit ihm geopferten Interessen Deutschlands ausführ¬
lich darzulegen, haben wir keine Veranlassung, da nach dieser Seite hin in Flug¬
schriften und Tagesblättern mehr als genug geleistet worden ist und auch die
Grcnzbote" wiederholt gesagt haben, was hier zu sagen war. Ebenso bekannt
ist endlich, daß nach jenem alten Recht auch das in den Verhandlungen nach
dem letzten Frieden geschaffne neue von Dänemark nicht beachtet, daß keine von
den damals gemachten Zusagen ehrlich gehalten worden ist. Selbst die Kreuz-
zcitungspartei, selbst russische Organe haben dies anerkannt. Jeder hat dies
anerkannt, der Augen zu lesen, ein Gedächtniß zu merken, Verstand zu ver¬
gleichen und ein Gewissen hatte, zu unterscheiden, was Wahrheit und was
Lüge ist.

Wir recapituliren von alledem nur das Nothwendigste. Unser Zweck ist,
so wie es vor einigen Jahren in den "Schleswig-Holsteinischen Briefen" geschah,
durch Zusammenstellung von Beispielen der dänischen Gewaltherrschaft in Schles¬
wig ein Gesammtbild dessen zu geben, was dort in offenbarer Nichtbeachtung
der im letzten Frieden stipulirten Rechte dieses Herzogthums beliebt worden ist.
Wir wollen den "Schmerzensschrei" widerhallen lassen, der von dort her Hilfe
heischend ertönt, und auf diese Weise beizutragen versuchen, daß seiner gleich
jenem, der in Italien den Befreiungskrieg ankündigte, einmal an der Stell?
gedacht werde, wo seine Erwähnung den endlichen Entschluß zu rettender That
bekunden würde. Die Gelegenheit zu einer solchen ist schon einmal dagewesen,
-- während des orientalischen Krieges -- und versäumt worden. Sie wird
wiederkommen, dato, vielleicht morgen schon. Sie kann geschaffen werden,
ohne Verletzung des suum euiczue, und mit einem beherzter Auftreten dabei
wird Preußen, dem hier die Führung zukommt, in Deutschland mehr mo¬
ralische Eroberungen machen, als mit irgendwelchen andern jetzt denkbaren
Leistungen.


den Gestirne am politischen Himmel wird jeder ihrer weitern Unternehmun¬
gen vorhergehn, jede Selbstüberschätzung, jede Ueberhebung auf Grund des
bisherigen Glücks sorgfältig von ihren Berechnungen ausgeschlossen werden
müssen, wenn nicht Alles aufs Spiel gestellt werden soll. Ob sie diese Ga¬
ben besitzen, ist sehr zweifelhaft. Bei uns dagegen sind sie im Ueberfluß vor¬
handen, und so würde es ein ersprießlicher Tausch sür beide Parteien sein,
wenn Italien uns jetzt einen Theil dieses wenig fruchtbaren Besitzes abneh¬
men und dafür den Leitern unsrer Geschicke, zunächst nur zur Ordnung der
Verhältnisse in Schleswig, etwas von ihrer Entschlossenheit, oder, um Luthers
Ausdruck beizubehalten, etwas von ihrer Beherztheit abtreten könnte.

Es kaun nicht der Zweck der folgenden Mittheilungen sein, zu untersuchen,
weshalb in dieser Sache bisher nicht kräftiger eingeschritten, nicht mehr als
bisher gefordert worden ist. Auch das alte Recht Schleswig-Holsteins, das
18S1 geopferte, und die mit ihm geopferten Interessen Deutschlands ausführ¬
lich darzulegen, haben wir keine Veranlassung, da nach dieser Seite hin in Flug¬
schriften und Tagesblättern mehr als genug geleistet worden ist und auch die
Grcnzbote» wiederholt gesagt haben, was hier zu sagen war. Ebenso bekannt
ist endlich, daß nach jenem alten Recht auch das in den Verhandlungen nach
dem letzten Frieden geschaffne neue von Dänemark nicht beachtet, daß keine von
den damals gemachten Zusagen ehrlich gehalten worden ist. Selbst die Kreuz-
zcitungspartei, selbst russische Organe haben dies anerkannt. Jeder hat dies
anerkannt, der Augen zu lesen, ein Gedächtniß zu merken, Verstand zu ver¬
gleichen und ein Gewissen hatte, zu unterscheiden, was Wahrheit und was
Lüge ist.

Wir recapituliren von alledem nur das Nothwendigste. Unser Zweck ist,
so wie es vor einigen Jahren in den „Schleswig-Holsteinischen Briefen" geschah,
durch Zusammenstellung von Beispielen der dänischen Gewaltherrschaft in Schles¬
wig ein Gesammtbild dessen zu geben, was dort in offenbarer Nichtbeachtung
der im letzten Frieden stipulirten Rechte dieses Herzogthums beliebt worden ist.
Wir wollen den „Schmerzensschrei" widerhallen lassen, der von dort her Hilfe
heischend ertönt, und auf diese Weise beizutragen versuchen, daß seiner gleich
jenem, der in Italien den Befreiungskrieg ankündigte, einmal an der Stell?
gedacht werde, wo seine Erwähnung den endlichen Entschluß zu rettender That
bekunden würde. Die Gelegenheit zu einer solchen ist schon einmal dagewesen,
— während des orientalischen Krieges — und versäumt worden. Sie wird
wiederkommen, dato, vielleicht morgen schon. Sie kann geschaffen werden,
ohne Verletzung des suum euiczue, und mit einem beherzter Auftreten dabei
wird Preußen, dem hier die Führung zukommt, in Deutschland mehr mo¬
ralische Eroberungen machen, als mit irgendwelchen andern jetzt denkbaren
Leistungen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/456>, abgerufen am 25.07.2024.