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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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wigern ist damit nicht geholfen worden, sie befinden sich im Gegentheil, wenn
sie jene starken Worte für Vorläufer einer starken That hielten, als Ent¬
täuschte schlimmer wie vorher.

In Baden ist, so schreibt man uns, die Einigkeit Deutschlands angebahnt,
in Teplitz ist sie vollkommen zu Stande gebracht worden, in Salzburg wurde
sie als fertig von Allerhöchsten Munde betoastet. Man raunte sich in die
Ohren, diese Einheit werde ihre erste Proben gegen Italien ablegen. Andere
Stimmen beschränkten dies auf einen bestimmten Fall, gegen den sich wenig
einwenden ließ, und wir glaubten ihnen. Daß unter den politischen Fragen,
über deren Ausfassung zwischen den hohen Parteien in Teplitz ein Einver¬
ständnis; erzielt worden sein soll, die Schleswig-holsteinische von Preußen zur
Sprache gebracht worden, daß man hervorgehoben, wie die Länder an der
Eider für den deutschen Norden dasselbe Interesse haben als die Minciolinie
sür Oestreich, daß die Regierung des Kaisers Franz Joseph anerkannt habe,
wie in Schleswig dem verletzten deutsche" Rechte Genugthuung werden müsse,
und daß sie hierbei ihre Mitwirkung leihen oder-- was angenehmer sein würde,
-~ ihre altherkömmliche Gegenwirkung aufgeben wolle, davon hat weder bei
jenen kaiserlich-königlichen Toasten etwas verlautet, noch ist irgendwo anders
etwas davon zu hören gewesen, noch auch würden wir dem, welcher es be¬
hauptet hätte, seine Angaben eher geglaubt haben, bis wir durch eine be¬
herzte That davon überzeugt worden wären. Eine solche aber wird, fürchten
wir, noch geraume Zeit auf sich warten lassen.

Wir brauchen den Lesern d. Bl. nicht erst nachzuweisen, daß wir Vor¬
sicht an Staatsmännern zu schätzen wissen, und wir sind weit entfernt, zu
leugnen, daß man in dieser Frage vorsichtige Mäßigung nöthig gehabt habe.
Nur meinen wir, daß alles einmal ein Ende haben muß, und daß die alten
Worte, nach welchen Wagen gewinnt und dem Kühnen die Welt gehört, auch
Berücksichtigung verdienen und sie heutzutage vielleicht mehr als seit Jahren
verlohnen. Wir gedachten vorhin der Italiener und daß der erste Act ihres
Befreiungskriegs nahezu vollendet sei. Sie werden damit an der Grenze an¬
gelangt sein, jenseits deren Vorsicht und ruhige Ueberlegung mehr werth ist
als die todesmuthigste, opferbereiteste Entschlossenheit. Der ihnen bevorstehende
zweite Act wird ihnen Gefahren weit bedenklicherer Art und eine um vieles
schwierigere Aufgabe bringen als bisher; sie werden, wenn ihnen das Ge¬
wonnene nicht wieder entgehen soll, die Kunst, mit Möglichkeiten zu rechnen
sich allgemeiner aneignen, Lieblingswünsche vertagen, die nicht sehr glänzen¬
den, aber zu jedem haltbaren Bau nothwendigen Tugenden der Geduld und
der Selbstbeherrschung bei sich ausbilden müssen. Genügsamkeit und Behut¬
samkeit werden ihre Schritte leiten, eine genaue Vergleichung ihrer Kräfte mit
denen der Gegner, eine gründliche Beobachtung der Constellation der regieren-


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wigern ist damit nicht geholfen worden, sie befinden sich im Gegentheil, wenn
sie jene starken Worte für Vorläufer einer starken That hielten, als Ent¬
täuschte schlimmer wie vorher.

In Baden ist, so schreibt man uns, die Einigkeit Deutschlands angebahnt,
in Teplitz ist sie vollkommen zu Stande gebracht worden, in Salzburg wurde
sie als fertig von Allerhöchsten Munde betoastet. Man raunte sich in die
Ohren, diese Einheit werde ihre erste Proben gegen Italien ablegen. Andere
Stimmen beschränkten dies auf einen bestimmten Fall, gegen den sich wenig
einwenden ließ, und wir glaubten ihnen. Daß unter den politischen Fragen,
über deren Ausfassung zwischen den hohen Parteien in Teplitz ein Einver¬
ständnis; erzielt worden sein soll, die Schleswig-holsteinische von Preußen zur
Sprache gebracht worden, daß man hervorgehoben, wie die Länder an der
Eider für den deutschen Norden dasselbe Interesse haben als die Minciolinie
sür Oestreich, daß die Regierung des Kaisers Franz Joseph anerkannt habe,
wie in Schleswig dem verletzten deutsche» Rechte Genugthuung werden müsse,
und daß sie hierbei ihre Mitwirkung leihen oder— was angenehmer sein würde,
-~ ihre altherkömmliche Gegenwirkung aufgeben wolle, davon hat weder bei
jenen kaiserlich-königlichen Toasten etwas verlautet, noch ist irgendwo anders
etwas davon zu hören gewesen, noch auch würden wir dem, welcher es be¬
hauptet hätte, seine Angaben eher geglaubt haben, bis wir durch eine be¬
herzte That davon überzeugt worden wären. Eine solche aber wird, fürchten
wir, noch geraume Zeit auf sich warten lassen.

Wir brauchen den Lesern d. Bl. nicht erst nachzuweisen, daß wir Vor¬
sicht an Staatsmännern zu schätzen wissen, und wir sind weit entfernt, zu
leugnen, daß man in dieser Frage vorsichtige Mäßigung nöthig gehabt habe.
Nur meinen wir, daß alles einmal ein Ende haben muß, und daß die alten
Worte, nach welchen Wagen gewinnt und dem Kühnen die Welt gehört, auch
Berücksichtigung verdienen und sie heutzutage vielleicht mehr als seit Jahren
verlohnen. Wir gedachten vorhin der Italiener und daß der erste Act ihres
Befreiungskriegs nahezu vollendet sei. Sie werden damit an der Grenze an¬
gelangt sein, jenseits deren Vorsicht und ruhige Ueberlegung mehr werth ist
als die todesmuthigste, opferbereiteste Entschlossenheit. Der ihnen bevorstehende
zweite Act wird ihnen Gefahren weit bedenklicherer Art und eine um vieles
schwierigere Aufgabe bringen als bisher; sie werden, wenn ihnen das Ge¬
wonnene nicht wieder entgehen soll, die Kunst, mit Möglichkeiten zu rechnen
sich allgemeiner aneignen, Lieblingswünsche vertagen, die nicht sehr glänzen¬
den, aber zu jedem haltbaren Bau nothwendigen Tugenden der Geduld und
der Selbstbeherrschung bei sich ausbilden müssen. Genügsamkeit und Behut¬
samkeit werden ihre Schritte leiten, eine genaue Vergleichung ihrer Kräfte mit
denen der Gegner, eine gründliche Beobachtung der Constellation der regieren-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/455>, abgerufen am 24.07.2024.