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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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als er dem Verdienste des modernen Sophokles und Solon nicht genugthue.
Auch Corneilles Bild hat Volltaire eines Platzes gewürdigt. "L'est. le äs-
voir ä' un solctat ac 8öeourir ig. uiöee 60 sou general," hatte er einst aus¬
gerufen und zum Besten einer Großnichte Corneilles seine Ausgabe der Werke
desselben unternommen. Neben Corneille findet sich Racine, der unmittelbare
Vorgänger Voltaires in der Tragödie, neben Franklin Washington, neben
Milton die lehrhaften Delille und Marmontel. Auch die Aufklärung auf dem
Stuhle des heiligen Petrus hat in der Person Clemens des Vierzehnten ih¬
ren Vertreter gesunden: hatte doch schon 1741 Voltaire, um seinen Mahomet
gegen Verfolgung zu schützen, denselben an den Papst Benedict den Vierzehn¬
ten gesandt und dieser ihm gütig geantwortet und eine Medaille dafür ge¬
schickt. Auch an mythologischen Bildern fehlt es nicht, aber wir fahren lieber
in der culturhistorischen Betrachtung der kleinen Kupferstichporträts fort. Der
Herzog von Choiseul, welchen wir unter diesen vorfinden, war Voltaires
Freund und Gönner. Er war es. der in der edlen Vertheidigung der Ca-
lasschen Familie sich Voltaires annahm, und auch als der Herzog auf seine
Güter exilirt und Aiguillon an seine Stelle getreten war. hörte Voltaires An¬
hänglichkeit nicht auf. Wie reich war Voltaires Leben! Neben Choiseul Le
Kam, neben dem allmächtigen Minister der Komödiant. Und noch dazu in
Oel gemalt, während der Herzog auf einen kleinen Kupferstich beschränkt ist.
Aber der große Schauspieler hat seinen Platz reichlich verdient, nicht nur durch
seine Auszeichnung als Tragiker, sondern auch besonders durch seine persön¬
liche Anhänglichkeit. Er schrieb "Mte sur N. <te Voltaire et dans xarti-
eutiers coueeriiant es Zrauä Komme," die als Motto den Vers aus Oedipe
führen:


"1' amitie ä' un grs,r>ä Komme est rin dienks.it ach vieux"

und voller Bewunderung den Verkehr Le Kains mit Voltaire schildern, dessen
achtungsvollen und dankdurchdrungenen Zögling er sich nennt. Und endlich die
Bildnisse von d'Alembert, Diderot und Newton. D'Alembert war es gewesen,
der, vom Grafen von Argenson zur Prüfung des Mahomet ernannt, sich für
das Buch ausgesprochen hatte 1751. Er war es, der in der Einleitung zur
Encyklopädie zuerst Voltaire auf gleiche Stufe mit seinem Nebenbuhler Cre-
billon erhob. Als d'Alembert und Diderot den ersten Band der Encyklopädie
veröffentlichten, war Voltaire noch in Berlin; aber von Ferne" aus bethätigte
er seine Theilnahme an dem Werk hauptsächlich durch Artikel über Literatur.
Und Newton? Voltaire hatte den großen philosophischen Physiker in England
schätzen gelernt, seine Freundin, die Marquise von Chatelet, übersetzte New¬
tons Werke und starb an der allzugroßen Anstrengung dabei. Voltaire selbst
suchte den Newtonismus gegenüber dem noch in Frankreich herrschenden Car-
tesianischen System zur Geltung zu bringen. Noch manche kleine Bilder due-


als er dem Verdienste des modernen Sophokles und Solon nicht genugthue.
Auch Corneilles Bild hat Volltaire eines Platzes gewürdigt. „L'est. le äs-
voir ä' un solctat ac 8öeourir ig. uiöee 60 sou general," hatte er einst aus¬
gerufen und zum Besten einer Großnichte Corneilles seine Ausgabe der Werke
desselben unternommen. Neben Corneille findet sich Racine, der unmittelbare
Vorgänger Voltaires in der Tragödie, neben Franklin Washington, neben
Milton die lehrhaften Delille und Marmontel. Auch die Aufklärung auf dem
Stuhle des heiligen Petrus hat in der Person Clemens des Vierzehnten ih¬
ren Vertreter gesunden: hatte doch schon 1741 Voltaire, um seinen Mahomet
gegen Verfolgung zu schützen, denselben an den Papst Benedict den Vierzehn¬
ten gesandt und dieser ihm gütig geantwortet und eine Medaille dafür ge¬
schickt. Auch an mythologischen Bildern fehlt es nicht, aber wir fahren lieber
in der culturhistorischen Betrachtung der kleinen Kupferstichporträts fort. Der
Herzog von Choiseul, welchen wir unter diesen vorfinden, war Voltaires
Freund und Gönner. Er war es. der in der edlen Vertheidigung der Ca-
lasschen Familie sich Voltaires annahm, und auch als der Herzog auf seine
Güter exilirt und Aiguillon an seine Stelle getreten war. hörte Voltaires An¬
hänglichkeit nicht auf. Wie reich war Voltaires Leben! Neben Choiseul Le
Kam, neben dem allmächtigen Minister der Komödiant. Und noch dazu in
Oel gemalt, während der Herzog auf einen kleinen Kupferstich beschränkt ist.
Aber der große Schauspieler hat seinen Platz reichlich verdient, nicht nur durch
seine Auszeichnung als Tragiker, sondern auch besonders durch seine persön¬
liche Anhänglichkeit. Er schrieb „Mte sur N. <te Voltaire et dans xarti-
eutiers coueeriiant es Zrauä Komme," die als Motto den Vers aus Oedipe
führen:


„1' amitie ä' un grs,r>ä Komme est rin dienks.it ach vieux"

und voller Bewunderung den Verkehr Le Kains mit Voltaire schildern, dessen
achtungsvollen und dankdurchdrungenen Zögling er sich nennt. Und endlich die
Bildnisse von d'Alembert, Diderot und Newton. D'Alembert war es gewesen,
der, vom Grafen von Argenson zur Prüfung des Mahomet ernannt, sich für
das Buch ausgesprochen hatte 1751. Er war es, der in der Einleitung zur
Encyklopädie zuerst Voltaire auf gleiche Stufe mit seinem Nebenbuhler Cre-
billon erhob. Als d'Alembert und Diderot den ersten Band der Encyklopädie
veröffentlichten, war Voltaire noch in Berlin; aber von Ferne» aus bethätigte
er seine Theilnahme an dem Werk hauptsächlich durch Artikel über Literatur.
Und Newton? Voltaire hatte den großen philosophischen Physiker in England
schätzen gelernt, seine Freundin, die Marquise von Chatelet, übersetzte New¬
tons Werke und starb an der allzugroßen Anstrengung dabei. Voltaire selbst
suchte den Newtonismus gegenüber dem noch in Frankreich herrschenden Car-
tesianischen System zur Geltung zu bringen. Noch manche kleine Bilder due-


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[0446] als er dem Verdienste des modernen Sophokles und Solon nicht genugthue. Auch Corneilles Bild hat Volltaire eines Platzes gewürdigt. „L'est. le äs- voir ä' un solctat ac 8öeourir ig. uiöee 60 sou general," hatte er einst aus¬ gerufen und zum Besten einer Großnichte Corneilles seine Ausgabe der Werke desselben unternommen. Neben Corneille findet sich Racine, der unmittelbare Vorgänger Voltaires in der Tragödie, neben Franklin Washington, neben Milton die lehrhaften Delille und Marmontel. Auch die Aufklärung auf dem Stuhle des heiligen Petrus hat in der Person Clemens des Vierzehnten ih¬ ren Vertreter gesunden: hatte doch schon 1741 Voltaire, um seinen Mahomet gegen Verfolgung zu schützen, denselben an den Papst Benedict den Vierzehn¬ ten gesandt und dieser ihm gütig geantwortet und eine Medaille dafür ge¬ schickt. Auch an mythologischen Bildern fehlt es nicht, aber wir fahren lieber in der culturhistorischen Betrachtung der kleinen Kupferstichporträts fort. Der Herzog von Choiseul, welchen wir unter diesen vorfinden, war Voltaires Freund und Gönner. Er war es. der in der edlen Vertheidigung der Ca- lasschen Familie sich Voltaires annahm, und auch als der Herzog auf seine Güter exilirt und Aiguillon an seine Stelle getreten war. hörte Voltaires An¬ hänglichkeit nicht auf. Wie reich war Voltaires Leben! Neben Choiseul Le Kam, neben dem allmächtigen Minister der Komödiant. Und noch dazu in Oel gemalt, während der Herzog auf einen kleinen Kupferstich beschränkt ist. Aber der große Schauspieler hat seinen Platz reichlich verdient, nicht nur durch seine Auszeichnung als Tragiker, sondern auch besonders durch seine persön¬ liche Anhänglichkeit. Er schrieb „Mte sur N. <te Voltaire et dans xarti- eutiers coueeriiant es Zrauä Komme," die als Motto den Vers aus Oedipe führen: „1' amitie ä' un grs,r>ä Komme est rin dienks.it ach vieux" und voller Bewunderung den Verkehr Le Kains mit Voltaire schildern, dessen achtungsvollen und dankdurchdrungenen Zögling er sich nennt. Und endlich die Bildnisse von d'Alembert, Diderot und Newton. D'Alembert war es gewesen, der, vom Grafen von Argenson zur Prüfung des Mahomet ernannt, sich für das Buch ausgesprochen hatte 1751. Er war es, der in der Einleitung zur Encyklopädie zuerst Voltaire auf gleiche Stufe mit seinem Nebenbuhler Cre- billon erhob. Als d'Alembert und Diderot den ersten Band der Encyklopädie veröffentlichten, war Voltaire noch in Berlin; aber von Ferne» aus bethätigte er seine Theilnahme an dem Werk hauptsächlich durch Artikel über Literatur. Und Newton? Voltaire hatte den großen philosophischen Physiker in England schätzen gelernt, seine Freundin, die Marquise von Chatelet, übersetzte New¬ tons Werke und starb an der allzugroßen Anstrengung dabei. Voltaire selbst suchte den Newtonismus gegenüber dem noch in Frankreich herrschenden Car- tesianischen System zur Geltung zu bringen. Noch manche kleine Bilder due-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/446>, abgerufen am 04.07.2024.