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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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einzelne Staaten. In Boston entstand sogar Tumult und Aufruhr, als die
Bill eben passirt war. Aus den Neuenglandstaaten lief ein Protest von 3000
Geistlichen beim Kongresse gegen die Bill ein. unter denen die bedeutendsten
Kirchenlichter waren. In Newyork sogar traten die hohe Finanz- und Kauf¬
mannschaft zu verschiedenen Meetings zusammen und verdammten einstimmig
den durch die Nebrascabill beabsichtigten Vertragsbruch.

Der Kreislauf, den die Sklavenfrage seit der Selbständigkeit der Verei¬
nigten Staaten bis auf unsere Zeit durchlaufen hat, umfaßt vier principiell
von einander geschiedene Abschnitte. Der erste derselben datirt von 1787 und
geht bis 1820. In ihm galt im Interesse der Freiheit das Princip der Nicht-
intervention des Kongresses, weil ohne Widerspruch die Freiheit als national,
die Sklaverei aber nur als temporär und local. anerkannt wurde. Das
Missouricompromiß von 1820 entschied sich dagegen für die Intervention des
Congresses und eine bestimmte Grenzlinie des Sklavengebietes, nachdem der
Norden zu spät zur Erkenntniß gelangt war, daß die Sklavenhalter sich stark
genug fühlten, die ursprünglich sklavenseindlicke Politik der Bundesregierung
über Bord zu werfen. Dieses die Schwäche des Nordens nur ungeschickt ver¬
hüllende Balancirsystem, welches das ungern übernommene Unglück der Skla¬
verei in eine freiwillig anerkannte, schwere Schuld verwandelte, dauerte bis
zum Kompromiß von 1850, wo die Sklaverei offen als nationale Angelegen¬
heit proclamirt und die Intervention zu ihren Gunsten durch das Sklaven-
jagdgcsctz als Princip aufgestellt wurde. Die Nebrascabill von 1854 endlich
kehrte zur Nichtintervcntionspolitik zurück, freilich mit dem großen Unterschiede,
daß fortan die Freiheit nur als local, die Sklaverei aber als national galt.

Nach ziemlich genauen Berechnungen gibt es in den Sklavenstnaten der
Union etwa 113000 Sklavenhalter; es kommen also ungefähr 7530 auf jeden
Sklavenstaat. Ihr gemeinschaftliches Interesse concentrirt sich in der Baum¬
wolle, welche den Nationalreichthum des Landes ausmacht und als Ueberscvuß-
product mit ihrem Werthe doppelt schwer wiegt. Es braucht wenig von
ihrem Gesammtertrage für den innern Bedarf abgezogen zu werden, wäh¬
rend im Norden der ganze einheimische Bedarf vom Roherträge seiner
Ernte abgeht. Vorzüglich aus diesem Grunde üben die Sklavenhalter des
Südens einen so absolut bestimmenden Einfluß auf das Schicksal der Union
aus; denn die in den Sklavenstaaten lebenden Weißen, welche keine Sklaven
besitzen, werfen kein Gewicht in die Wagschale, sie sind ganz abhängig
von den Sklavenhaltern, obgleich diese nur ein Neuntel der dortigen ganzen
weißen Bevölkerung ausmachen. Die Nichtsklavenhalter zeichnen durch Armuth
und Unwissenheit sich aus. In Nordcarolina konnte 1840 denn Census nur
ein Fünftel aller Weißen lesen und schreiben. Der Gouverneur Campbell er¬
wähnte in einem der Legislatur von Virginien eingereichten Berichte: daß


einzelne Staaten. In Boston entstand sogar Tumult und Aufruhr, als die
Bill eben passirt war. Aus den Neuenglandstaaten lief ein Protest von 3000
Geistlichen beim Kongresse gegen die Bill ein. unter denen die bedeutendsten
Kirchenlichter waren. In Newyork sogar traten die hohe Finanz- und Kauf¬
mannschaft zu verschiedenen Meetings zusammen und verdammten einstimmig
den durch die Nebrascabill beabsichtigten Vertragsbruch.

Der Kreislauf, den die Sklavenfrage seit der Selbständigkeit der Verei¬
nigten Staaten bis auf unsere Zeit durchlaufen hat, umfaßt vier principiell
von einander geschiedene Abschnitte. Der erste derselben datirt von 1787 und
geht bis 1820. In ihm galt im Interesse der Freiheit das Princip der Nicht-
intervention des Kongresses, weil ohne Widerspruch die Freiheit als national,
die Sklaverei aber nur als temporär und local. anerkannt wurde. Das
Missouricompromiß von 1820 entschied sich dagegen für die Intervention des
Congresses und eine bestimmte Grenzlinie des Sklavengebietes, nachdem der
Norden zu spät zur Erkenntniß gelangt war, daß die Sklavenhalter sich stark
genug fühlten, die ursprünglich sklavenseindlicke Politik der Bundesregierung
über Bord zu werfen. Dieses die Schwäche des Nordens nur ungeschickt ver¬
hüllende Balancirsystem, welches das ungern übernommene Unglück der Skla¬
verei in eine freiwillig anerkannte, schwere Schuld verwandelte, dauerte bis
zum Kompromiß von 1850, wo die Sklaverei offen als nationale Angelegen¬
heit proclamirt und die Intervention zu ihren Gunsten durch das Sklaven-
jagdgcsctz als Princip aufgestellt wurde. Die Nebrascabill von 1854 endlich
kehrte zur Nichtintervcntionspolitik zurück, freilich mit dem großen Unterschiede,
daß fortan die Freiheit nur als local, die Sklaverei aber als national galt.

Nach ziemlich genauen Berechnungen gibt es in den Sklavenstnaten der
Union etwa 113000 Sklavenhalter; es kommen also ungefähr 7530 auf jeden
Sklavenstaat. Ihr gemeinschaftliches Interesse concentrirt sich in der Baum¬
wolle, welche den Nationalreichthum des Landes ausmacht und als Ueberscvuß-
product mit ihrem Werthe doppelt schwer wiegt. Es braucht wenig von
ihrem Gesammtertrage für den innern Bedarf abgezogen zu werden, wäh¬
rend im Norden der ganze einheimische Bedarf vom Roherträge seiner
Ernte abgeht. Vorzüglich aus diesem Grunde üben die Sklavenhalter des
Südens einen so absolut bestimmenden Einfluß auf das Schicksal der Union
aus; denn die in den Sklavenstaaten lebenden Weißen, welche keine Sklaven
besitzen, werfen kein Gewicht in die Wagschale, sie sind ganz abhängig
von den Sklavenhaltern, obgleich diese nur ein Neuntel der dortigen ganzen
weißen Bevölkerung ausmachen. Die Nichtsklavenhalter zeichnen durch Armuth
und Unwissenheit sich aus. In Nordcarolina konnte 1840 denn Census nur
ein Fünftel aller Weißen lesen und schreiben. Der Gouverneur Campbell er¬
wähnte in einem der Legislatur von Virginien eingereichten Berichte: daß


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[0433] einzelne Staaten. In Boston entstand sogar Tumult und Aufruhr, als die Bill eben passirt war. Aus den Neuenglandstaaten lief ein Protest von 3000 Geistlichen beim Kongresse gegen die Bill ein. unter denen die bedeutendsten Kirchenlichter waren. In Newyork sogar traten die hohe Finanz- und Kauf¬ mannschaft zu verschiedenen Meetings zusammen und verdammten einstimmig den durch die Nebrascabill beabsichtigten Vertragsbruch. Der Kreislauf, den die Sklavenfrage seit der Selbständigkeit der Verei¬ nigten Staaten bis auf unsere Zeit durchlaufen hat, umfaßt vier principiell von einander geschiedene Abschnitte. Der erste derselben datirt von 1787 und geht bis 1820. In ihm galt im Interesse der Freiheit das Princip der Nicht- intervention des Kongresses, weil ohne Widerspruch die Freiheit als national, die Sklaverei aber nur als temporär und local. anerkannt wurde. Das Missouricompromiß von 1820 entschied sich dagegen für die Intervention des Congresses und eine bestimmte Grenzlinie des Sklavengebietes, nachdem der Norden zu spät zur Erkenntniß gelangt war, daß die Sklavenhalter sich stark genug fühlten, die ursprünglich sklavenseindlicke Politik der Bundesregierung über Bord zu werfen. Dieses die Schwäche des Nordens nur ungeschickt ver¬ hüllende Balancirsystem, welches das ungern übernommene Unglück der Skla¬ verei in eine freiwillig anerkannte, schwere Schuld verwandelte, dauerte bis zum Kompromiß von 1850, wo die Sklaverei offen als nationale Angelegen¬ heit proclamirt und die Intervention zu ihren Gunsten durch das Sklaven- jagdgcsctz als Princip aufgestellt wurde. Die Nebrascabill von 1854 endlich kehrte zur Nichtintervcntionspolitik zurück, freilich mit dem großen Unterschiede, daß fortan die Freiheit nur als local, die Sklaverei aber als national galt. Nach ziemlich genauen Berechnungen gibt es in den Sklavenstnaten der Union etwa 113000 Sklavenhalter; es kommen also ungefähr 7530 auf jeden Sklavenstaat. Ihr gemeinschaftliches Interesse concentrirt sich in der Baum¬ wolle, welche den Nationalreichthum des Landes ausmacht und als Ueberscvuß- product mit ihrem Werthe doppelt schwer wiegt. Es braucht wenig von ihrem Gesammtertrage für den innern Bedarf abgezogen zu werden, wäh¬ rend im Norden der ganze einheimische Bedarf vom Roherträge seiner Ernte abgeht. Vorzüglich aus diesem Grunde üben die Sklavenhalter des Südens einen so absolut bestimmenden Einfluß auf das Schicksal der Union aus; denn die in den Sklavenstaaten lebenden Weißen, welche keine Sklaven besitzen, werfen kein Gewicht in die Wagschale, sie sind ganz abhängig von den Sklavenhaltern, obgleich diese nur ein Neuntel der dortigen ganzen weißen Bevölkerung ausmachen. Die Nichtsklavenhalter zeichnen durch Armuth und Unwissenheit sich aus. In Nordcarolina konnte 1840 denn Census nur ein Fünftel aller Weißen lesen und schreiben. Der Gouverneur Campbell er¬ wähnte in einem der Legislatur von Virginien eingereichten Berichte: daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/433>, abgerufen am 25.07.2024.