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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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von 4614 Weißen, welche um Heirathsbewilligung einkamen, 1047 ihren
Namen nicht schreiben konnten. Es liegt im Interesse der Sklavenhalter,
diese Unwissenheit zu begünstigen. Das Freischulsystem der nördlichen Staa¬
ten existirt deshalb auch nickt im Süden, und je größer die Rohheit und Ar¬
muth, desto größer ist die Unterwürfigkeit und Unabhängigkeit der Weißen
von der besitzenden Aristokratie.

Es ist eine natürliche Consequenz dieses Verhältnisses, daß nur Sklaven¬
halter zu' allen öffentlichen Aemtern und in den Congreß gewählt werden,
wie dies sogar die Constitution einzelner Staaten ausdrücklich vorschreibt.
Die Sklavenhalter sind in diesem von Familie auf Familie sich vererdenden
Einfluß keine blos naturwüchsigen Politiker mehr. Sie haben politische Bil¬
dung, politischen Gemeingeist, eine ganz bestimmte politische Tradition, und
während der Norden bei seiner vielseitigeren Entwicklung verschiedene oft schwer
zu vereinigende Interessen verfolgt, hat der Süden nur ein einziges, alle an¬
deren überragendes Interesse, für welches er keinen Meinungs- und Partci-
imterschicd kennt. Der Senat zählt unter seinen 62 Senatoren 30 Mitglieder
aus Sklavenstaaten. Zu den Wahlcollegicn für die Präsidentenwahl schicken
die Sklavenstaaten 120 unter 290 Delcgaten. Es ist also begreiflich, daß
diese den Senat und durch ihn den Staatsmechanismus und die ganze Ge¬
setzgebung zumeist beherrschen. Im Verein mit dem Präsidenten, ihrer Crea-
tur. hatten die Sklavenhalter bisher alle Anstellungen in Händen, denn der
Präsident hat zu ernennen und der Senat zu bestätigen; und zwar alle öffent¬
lichen Beamten, vom Minister. Gesandten und Richter des höchsten Gerichts¬
hofes an bis herunter zu dem Landagenten und Postmeister.

Außer den durch directe Vortheile gewonnenen Bundesgenossen haben die
Sklavenhalter noch eine andere, wenn nicht bedeutendere, doch sicherlich eben¬
so wesentliche Hilfe in den großen Handelsstädten des Ostens, welche schon
durch ihre große Bevölkerung eine politische Macht bilden. Es ist hier die
Geldaristokratie, welche ihre Interessen mit denen des südlichen Feudaladels
für identisch hält. Gibt es doch materielle Bindemittel genug, welche dies
unbedingte Eingehen der höhern Bourgeoisie des Nordens in die Pläne und
Ziele des Südens mehr als hinreichend erklären. Die Baumwolle, als der
große Regulator des commerciellen Verhältnisses zwischen den Bereinigten
Staaten und England, ist einer der einflußreichsten Fnctorcn auf dem Geld¬
märkte des Ostens. Hier nimmt vor allem Newyork den ersten Rang ein.
Es steht noch in demselben Verhältnisse zum amerikanischen, wie London zum
europäischen Continente und beherrscht die Börsen des ganzen Landes. Ja
Newyork ist insofern für die Vereinigten Staaten noch bedeutender, als London
für Europa, als es den Haupteinfuhrhafen für diese bildet, wie es denn
allein V" aller Eingangszölle aufbringt. Banquiers, Makler. Schiffsrheder


von 4614 Weißen, welche um Heirathsbewilligung einkamen, 1047 ihren
Namen nicht schreiben konnten. Es liegt im Interesse der Sklavenhalter,
diese Unwissenheit zu begünstigen. Das Freischulsystem der nördlichen Staa¬
ten existirt deshalb auch nickt im Süden, und je größer die Rohheit und Ar¬
muth, desto größer ist die Unterwürfigkeit und Unabhängigkeit der Weißen
von der besitzenden Aristokratie.

Es ist eine natürliche Consequenz dieses Verhältnisses, daß nur Sklaven¬
halter zu' allen öffentlichen Aemtern und in den Congreß gewählt werden,
wie dies sogar die Constitution einzelner Staaten ausdrücklich vorschreibt.
Die Sklavenhalter sind in diesem von Familie auf Familie sich vererdenden
Einfluß keine blos naturwüchsigen Politiker mehr. Sie haben politische Bil¬
dung, politischen Gemeingeist, eine ganz bestimmte politische Tradition, und
während der Norden bei seiner vielseitigeren Entwicklung verschiedene oft schwer
zu vereinigende Interessen verfolgt, hat der Süden nur ein einziges, alle an¬
deren überragendes Interesse, für welches er keinen Meinungs- und Partci-
imterschicd kennt. Der Senat zählt unter seinen 62 Senatoren 30 Mitglieder
aus Sklavenstaaten. Zu den Wahlcollegicn für die Präsidentenwahl schicken
die Sklavenstaaten 120 unter 290 Delcgaten. Es ist also begreiflich, daß
diese den Senat und durch ihn den Staatsmechanismus und die ganze Ge¬
setzgebung zumeist beherrschen. Im Verein mit dem Präsidenten, ihrer Crea-
tur. hatten die Sklavenhalter bisher alle Anstellungen in Händen, denn der
Präsident hat zu ernennen und der Senat zu bestätigen; und zwar alle öffent¬
lichen Beamten, vom Minister. Gesandten und Richter des höchsten Gerichts¬
hofes an bis herunter zu dem Landagenten und Postmeister.

Außer den durch directe Vortheile gewonnenen Bundesgenossen haben die
Sklavenhalter noch eine andere, wenn nicht bedeutendere, doch sicherlich eben¬
so wesentliche Hilfe in den großen Handelsstädten des Ostens, welche schon
durch ihre große Bevölkerung eine politische Macht bilden. Es ist hier die
Geldaristokratie, welche ihre Interessen mit denen des südlichen Feudaladels
für identisch hält. Gibt es doch materielle Bindemittel genug, welche dies
unbedingte Eingehen der höhern Bourgeoisie des Nordens in die Pläne und
Ziele des Südens mehr als hinreichend erklären. Die Baumwolle, als der
große Regulator des commerciellen Verhältnisses zwischen den Bereinigten
Staaten und England, ist einer der einflußreichsten Fnctorcn auf dem Geld¬
märkte des Ostens. Hier nimmt vor allem Newyork den ersten Rang ein.
Es steht noch in demselben Verhältnisse zum amerikanischen, wie London zum
europäischen Continente und beherrscht die Börsen des ganzen Landes. Ja
Newyork ist insofern für die Vereinigten Staaten noch bedeutender, als London
für Europa, als es den Haupteinfuhrhafen für diese bildet, wie es denn
allein V« aller Eingangszölle aufbringt. Banquiers, Makler. Schiffsrheder


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[0434] von 4614 Weißen, welche um Heirathsbewilligung einkamen, 1047 ihren Namen nicht schreiben konnten. Es liegt im Interesse der Sklavenhalter, diese Unwissenheit zu begünstigen. Das Freischulsystem der nördlichen Staa¬ ten existirt deshalb auch nickt im Süden, und je größer die Rohheit und Ar¬ muth, desto größer ist die Unterwürfigkeit und Unabhängigkeit der Weißen von der besitzenden Aristokratie. Es ist eine natürliche Consequenz dieses Verhältnisses, daß nur Sklaven¬ halter zu' allen öffentlichen Aemtern und in den Congreß gewählt werden, wie dies sogar die Constitution einzelner Staaten ausdrücklich vorschreibt. Die Sklavenhalter sind in diesem von Familie auf Familie sich vererdenden Einfluß keine blos naturwüchsigen Politiker mehr. Sie haben politische Bil¬ dung, politischen Gemeingeist, eine ganz bestimmte politische Tradition, und während der Norden bei seiner vielseitigeren Entwicklung verschiedene oft schwer zu vereinigende Interessen verfolgt, hat der Süden nur ein einziges, alle an¬ deren überragendes Interesse, für welches er keinen Meinungs- und Partci- imterschicd kennt. Der Senat zählt unter seinen 62 Senatoren 30 Mitglieder aus Sklavenstaaten. Zu den Wahlcollegicn für die Präsidentenwahl schicken die Sklavenstaaten 120 unter 290 Delcgaten. Es ist also begreiflich, daß diese den Senat und durch ihn den Staatsmechanismus und die ganze Ge¬ setzgebung zumeist beherrschen. Im Verein mit dem Präsidenten, ihrer Crea- tur. hatten die Sklavenhalter bisher alle Anstellungen in Händen, denn der Präsident hat zu ernennen und der Senat zu bestätigen; und zwar alle öffent¬ lichen Beamten, vom Minister. Gesandten und Richter des höchsten Gerichts¬ hofes an bis herunter zu dem Landagenten und Postmeister. Außer den durch directe Vortheile gewonnenen Bundesgenossen haben die Sklavenhalter noch eine andere, wenn nicht bedeutendere, doch sicherlich eben¬ so wesentliche Hilfe in den großen Handelsstädten des Ostens, welche schon durch ihre große Bevölkerung eine politische Macht bilden. Es ist hier die Geldaristokratie, welche ihre Interessen mit denen des südlichen Feudaladels für identisch hält. Gibt es doch materielle Bindemittel genug, welche dies unbedingte Eingehen der höhern Bourgeoisie des Nordens in die Pläne und Ziele des Südens mehr als hinreichend erklären. Die Baumwolle, als der große Regulator des commerciellen Verhältnisses zwischen den Bereinigten Staaten und England, ist einer der einflußreichsten Fnctorcn auf dem Geld¬ märkte des Ostens. Hier nimmt vor allem Newyork den ersten Rang ein. Es steht noch in demselben Verhältnisse zum amerikanischen, wie London zum europäischen Continente und beherrscht die Börsen des ganzen Landes. Ja Newyork ist insofern für die Vereinigten Staaten noch bedeutender, als London für Europa, als es den Haupteinfuhrhafen für diese bildet, wie es denn allein V« aller Eingangszölle aufbringt. Banquiers, Makler. Schiffsrheder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/434>, abgerufen am 25.07.2024.