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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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auf die übrigen Territorien auszudehnen, unter denen Nebrasca und Kansas
den Anfang machen sollten. Diese Behauptungen, ihre Vertheidigung und
Widerlegung nahm fast die ganze Congreßsitzung von Anfang des Jahres 1854
bis gegen Ende Mai in Anspruch.

Die Bill selbst wurde fast gleichzeitig in beide Häuser eingebracht. Wäh¬
rend dies am 30. Januar 1854 im Senate durch Douglas geschah, brachte
sie Nichardson von Illinois, der Präsident des Territoriaiausschusses, im Re-
präsentantenhause ein. Im Senate dauerte die Debatte den ganzen Februar
hindurch bis zum 4. März. Er nahm die Bill am Morgen dieses Tages um
fünf Uhr, nach einer stürmischen, durch die ganze Nacht hindurchgezogenen Sitzung
mit verschiedenen Amendements an. Am 8. März gelangte die vom Senate
angenommene Bill ins Haus. Beinahe einstimmig empfohlen vom Süden und
einem Theil der nördlichen Demokraten, unterlag sie gleichwol am 21. März
bei einer vorläufigen Abstimmung.

Durch einen so unerwarteten, im ganzen Norden mit Jubel begrüßten
Beschluß wurden die Aussichten für die Bill zwar trübe, aber nicht verzweifelt.
Sieben Wochen später, nachdem man sich eine Majorität durch Versprechungen,
Anstellungen und alle sonstige Mittel verschafft hatte, welche einer herrschenden
Partei für Durchführung ihrer Zwecke zu Gebote stehn, ward sie wieder auf
die Tagesordnung gebracht. Während für die Verwerfung der Bill am
21. März 110 gegen 95 Mitglieder gestimmt hatten, stimmten jetzt 109 gegen
88 für ihre Wiederaufnahme. Dieser Beschluß hieß so viel, wie An¬
nahme der Bill. Die Debatten, welche nachfolgten, wurden nur zum Scheine
von der herrschenden Partei noch gestattet. Die willkürlichen Handlungen,
welche sich diese in jedem Stadium der Discussion erlaubte, die wilden und
rohen Scenen, die in ihrem Verlaufe vorkamen, sind dem Leser jedenfalls noch
im Gedächtniß. Genug, am 22. Mai Abends elf Uhr wurde die Nebrascabill
zum dritten Mal verlesen, und mit 113 gegen 110 Stimmen angenommen.
Schon am 23. Mai ging die Bill an den Senat zurück, und dieser nahm sie
ohne Debatte um 25. Mai mit 35 gegen 13 Stimmen an, indem 14 Sena¬
toren aus freien Staaten sich dafür aussprachen. Diese Bill bestimmte: "Es
ist der wahre Inhalt und die Absicht dieses Actes, über die Sklaverei in irgend
einem Territorium oder Staate weder Gesetze zu geben, noch sie davon aus¬
zuschließen, sondern es vielmehr dem Volke daselbst zu überlassen, seine innern
Einrichtungen ganz nach seinem Willen zu treffen, und sie höchstens der Con-
stitution der Vereinigten Staaten zu unterwerfen, vorausgesetzt daß keine hierin
enthaltene Bestimmung so ausgelegt werden soll, daß sie irgend ein vor dem
6. März 1820 in Kraft gewesenes Gesetz wieder ins Leben ruft, welches die
Sklaverei beschützt, einführt, verbietet oder abschafft."

Bei dieser Genehmigung ging ein Schrei der sittlichen Entrüstung durch


auf die übrigen Territorien auszudehnen, unter denen Nebrasca und Kansas
den Anfang machen sollten. Diese Behauptungen, ihre Vertheidigung und
Widerlegung nahm fast die ganze Congreßsitzung von Anfang des Jahres 1854
bis gegen Ende Mai in Anspruch.

Die Bill selbst wurde fast gleichzeitig in beide Häuser eingebracht. Wäh¬
rend dies am 30. Januar 1854 im Senate durch Douglas geschah, brachte
sie Nichardson von Illinois, der Präsident des Territoriaiausschusses, im Re-
präsentantenhause ein. Im Senate dauerte die Debatte den ganzen Februar
hindurch bis zum 4. März. Er nahm die Bill am Morgen dieses Tages um
fünf Uhr, nach einer stürmischen, durch die ganze Nacht hindurchgezogenen Sitzung
mit verschiedenen Amendements an. Am 8. März gelangte die vom Senate
angenommene Bill ins Haus. Beinahe einstimmig empfohlen vom Süden und
einem Theil der nördlichen Demokraten, unterlag sie gleichwol am 21. März
bei einer vorläufigen Abstimmung.

Durch einen so unerwarteten, im ganzen Norden mit Jubel begrüßten
Beschluß wurden die Aussichten für die Bill zwar trübe, aber nicht verzweifelt.
Sieben Wochen später, nachdem man sich eine Majorität durch Versprechungen,
Anstellungen und alle sonstige Mittel verschafft hatte, welche einer herrschenden
Partei für Durchführung ihrer Zwecke zu Gebote stehn, ward sie wieder auf
die Tagesordnung gebracht. Während für die Verwerfung der Bill am
21. März 110 gegen 95 Mitglieder gestimmt hatten, stimmten jetzt 109 gegen
88 für ihre Wiederaufnahme. Dieser Beschluß hieß so viel, wie An¬
nahme der Bill. Die Debatten, welche nachfolgten, wurden nur zum Scheine
von der herrschenden Partei noch gestattet. Die willkürlichen Handlungen,
welche sich diese in jedem Stadium der Discussion erlaubte, die wilden und
rohen Scenen, die in ihrem Verlaufe vorkamen, sind dem Leser jedenfalls noch
im Gedächtniß. Genug, am 22. Mai Abends elf Uhr wurde die Nebrascabill
zum dritten Mal verlesen, und mit 113 gegen 110 Stimmen angenommen.
Schon am 23. Mai ging die Bill an den Senat zurück, und dieser nahm sie
ohne Debatte um 25. Mai mit 35 gegen 13 Stimmen an, indem 14 Sena¬
toren aus freien Staaten sich dafür aussprachen. Diese Bill bestimmte: „Es
ist der wahre Inhalt und die Absicht dieses Actes, über die Sklaverei in irgend
einem Territorium oder Staate weder Gesetze zu geben, noch sie davon aus¬
zuschließen, sondern es vielmehr dem Volke daselbst zu überlassen, seine innern
Einrichtungen ganz nach seinem Willen zu treffen, und sie höchstens der Con-
stitution der Vereinigten Staaten zu unterwerfen, vorausgesetzt daß keine hierin
enthaltene Bestimmung so ausgelegt werden soll, daß sie irgend ein vor dem
6. März 1820 in Kraft gewesenes Gesetz wieder ins Leben ruft, welches die
Sklaverei beschützt, einführt, verbietet oder abschafft."

Bei dieser Genehmigung ging ein Schrei der sittlichen Entrüstung durch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/432>, abgerufen am 25.07.2024.