Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.In diesen Zahlen und Verhältnissen liegt der Schlüssel zur Politik der Der Ankauf Louisianas durch Thomas Jefferson legte den ersten Stein Diese schnelle Ausbreitung einer verhältnißmäßig kleinen Bevölkerung In diesen Zahlen und Verhältnissen liegt der Schlüssel zur Politik der Der Ankauf Louisianas durch Thomas Jefferson legte den ersten Stein Diese schnelle Ausbreitung einer verhältnißmäßig kleinen Bevölkerung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0403" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110209"/> <p xml:id="ID_1184"> In diesen Zahlen und Verhältnissen liegt der Schlüssel zur Politik der<lb/> Vereinigten Staaten seit dem Anfange des Jahrhunderts. Wenn die Union<lb/> in der ersten Hälfte jener Periode ihre neuen Staaten fast ausschließlich im<lb/> Süden bildete, so liegt die natürliche Ursache in diesem Entwicklungsproceß<lb/> der Baumwvllcultur. Der riesige Nutzen, den sie brachte, erweiterte ihr Feld<lb/> schnell über ihr ursprüngliches Gebiet von Südcarolina und Georgia hinaus,<lb/> Die Pflanzer brauchten immer mehr Land und drangen in kaum einem Men¬<lb/> schenalter bis an den Rio Grande vor, bis der Baumwolle ihre Herrschaft<lb/> über den ganzen Süden und Südwesten gesichert war. Die eigentliche Baum-<lb/> wollzonc umfaßt nämlich das südliche, vom 35. Breitengrade bis zum mexi-<lb/> canischen Golfe und vom atlantischen Ocean bis zum Rio Grande sich er¬<lb/> streckende Land, eine Flüche von mehr als 450,000 englischen Quadratmeilen,<lb/> von welcher aber mehr als zwei Drittel zur Cultur dieser Pflanze nicht ge¬<lb/> eignet ist. In der Aneignung dieses kolossalen Gebietes hatte die Politik<lb/> des Südens, aljo gleich von seiner ersten staatlichen Selbständigkeit an, eine<lb/> bedeutende Aufgabe und ein bestimmtes Ziel vor sich. Die allgemeine oft<lb/> instinktartige Erkenntniß und Ausbeutung dieses territorialen Vorzuges gab<lb/> aber dem Süden eine große Ueberlegenheit über den Norden, in welchem,<lb/> wegen der so mannigfach sich durchkreuzenden Interessen, so leicht keine Ein¬<lb/> heit des Wollens und Handelns möglich war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1185"> Der Ankauf Louisianas durch Thomas Jefferson legte den ersten Stein<lb/> zur Befestigung der Herrschaft des Südens, und bildete den Wendepunkt in<lb/> der politischen Entwicklung der Vereinigten Staaten. Es vergingen kaum<lb/> 16 Jahre, bis die Baumwolle bauenden Pflanzer von Südcarolina und Geor¬<lb/> gia. außer Louisiana auch schon Alabama, Mississippi, Missouri und Tennessee<lb/> in Besitz genommen hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1186" next="#ID_1187"> Diese schnelle Ausbreitung einer verhältnißmäßig kleinen Bevölkerung<lb/> über solche ungeheure Gebiete hat nichts Befremdendes; denn der Amerikaner<lb/> klebt nicht an der Scholle, sondern dringt, von unbezähmter Wanderlust er¬<lb/> griffen, immer weiter und weiter in den Westen vor. Um wie viel mehr<lb/> gibt er sich aber diesem Drange im Süden hin, wo die Cultur der<lb/> Baumwolle den nie ausruhenden Boden innerhalb zehn Jahren schon erschöpft;<lb/> wo bei der Größe der Pflanzungen, bei der Möglichkeit ihrer Ausdehnung<lb/> und der Art ihrer Bebauung weder an Düngung noch an Schonung des<lb/> Bodens gedacht wird. Der Pflanzer muß also weiter und immer weiter<lb/> dringen, bis er besseres und frisches Land findet. Vor einer so harten öko¬<lb/> nomischen Nothwendigkeit schweigen alle moralischen und gemüthlichen Be¬<lb/> denken. Der Indianer wird gegen „heilige" Verträge und Zusicherungen aus<lb/> dem Lande seiner Väter vertrieben, oder, wenn er sich nicht gutwillig fügt,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0403]
In diesen Zahlen und Verhältnissen liegt der Schlüssel zur Politik der
Vereinigten Staaten seit dem Anfange des Jahrhunderts. Wenn die Union
in der ersten Hälfte jener Periode ihre neuen Staaten fast ausschließlich im
Süden bildete, so liegt die natürliche Ursache in diesem Entwicklungsproceß
der Baumwvllcultur. Der riesige Nutzen, den sie brachte, erweiterte ihr Feld
schnell über ihr ursprüngliches Gebiet von Südcarolina und Georgia hinaus,
Die Pflanzer brauchten immer mehr Land und drangen in kaum einem Men¬
schenalter bis an den Rio Grande vor, bis der Baumwolle ihre Herrschaft
über den ganzen Süden und Südwesten gesichert war. Die eigentliche Baum-
wollzonc umfaßt nämlich das südliche, vom 35. Breitengrade bis zum mexi-
canischen Golfe und vom atlantischen Ocean bis zum Rio Grande sich er¬
streckende Land, eine Flüche von mehr als 450,000 englischen Quadratmeilen,
von welcher aber mehr als zwei Drittel zur Cultur dieser Pflanze nicht ge¬
eignet ist. In der Aneignung dieses kolossalen Gebietes hatte die Politik
des Südens, aljo gleich von seiner ersten staatlichen Selbständigkeit an, eine
bedeutende Aufgabe und ein bestimmtes Ziel vor sich. Die allgemeine oft
instinktartige Erkenntniß und Ausbeutung dieses territorialen Vorzuges gab
aber dem Süden eine große Ueberlegenheit über den Norden, in welchem,
wegen der so mannigfach sich durchkreuzenden Interessen, so leicht keine Ein¬
heit des Wollens und Handelns möglich war.
Der Ankauf Louisianas durch Thomas Jefferson legte den ersten Stein
zur Befestigung der Herrschaft des Südens, und bildete den Wendepunkt in
der politischen Entwicklung der Vereinigten Staaten. Es vergingen kaum
16 Jahre, bis die Baumwolle bauenden Pflanzer von Südcarolina und Geor¬
gia. außer Louisiana auch schon Alabama, Mississippi, Missouri und Tennessee
in Besitz genommen hatten.
Diese schnelle Ausbreitung einer verhältnißmäßig kleinen Bevölkerung
über solche ungeheure Gebiete hat nichts Befremdendes; denn der Amerikaner
klebt nicht an der Scholle, sondern dringt, von unbezähmter Wanderlust er¬
griffen, immer weiter und weiter in den Westen vor. Um wie viel mehr
gibt er sich aber diesem Drange im Süden hin, wo die Cultur der
Baumwolle den nie ausruhenden Boden innerhalb zehn Jahren schon erschöpft;
wo bei der Größe der Pflanzungen, bei der Möglichkeit ihrer Ausdehnung
und der Art ihrer Bebauung weder an Düngung noch an Schonung des
Bodens gedacht wird. Der Pflanzer muß also weiter und immer weiter
dringen, bis er besseres und frisches Land findet. Vor einer so harten öko¬
nomischen Nothwendigkeit schweigen alle moralischen und gemüthlichen Be¬
denken. Der Indianer wird gegen „heilige" Verträge und Zusicherungen aus
dem Lande seiner Väter vertrieben, oder, wenn er sich nicht gutwillig fügt,
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