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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Umfang der aufzustellenden Kunstwerke, mußten für das Ganze den Charakter
der Einfachheit als nothwendig hinstellen und Niemand wird dem Architekten
die Anerkennung versagen dürfen, daß innerhalb dieser Grenzen sein Werk
allen Anforderungen an die Eigenschaften einer städtischen Kunsthnlle auf das
Schönste entspricht. Die Verhältnisse der Längs- zu den Seitenfronten, und
die etwas gedrückten Verhältnisse des Untergeschosses sind vielleicht allein von
weniger befriedigenden Eindruck. Die Räume des letztern umfassen eine --
freilich noch im Entstehen begriffene Sammlung von Gipsabgüssen moderner
Sculpturen, einen für das Gesammtvild der neuern Kunst höchst wichtigen
und in den großen Museen viel zu wenig berücksichtigten Bestandtheil; die
großräumigen Zimmer des Kunstvereins. zu dessen Versammlungen, dem Aus¬
legen von Zeitschriften und den Ausstellungen von Kupferstichen bestimmt, schlie¬
ßen sich diesen an; andere Räume des Parterres, welche vorläufig noch frei
sind, werden hoffentlich bald eine für den Gesammtinhalt des Museums sehr
wünschenswerthe Bereicherung in einer Sammlung mustergiltiger kleinerer
Kunstwerke und Geräthschaften aus den verschiedenen Blüteepochen aufnehmen,
deren Vorführung für das Gedeihen des modernen Kunstgewerbes grade von
Seiten einer städtischen Kunstsammlung von höchstem Interesse ist; auch die
Anlegung einer Sammlung historischer Abbildungen für die städtische Geschichte
und Topographie könnte in den untern Räumen eine zweckmäßige Aufstellung
finden, wenn das günstige Vermächtnis) eines Lipsiensiasammlers die Grün¬
dung derselben ermöglichte.

Steigen wir zu dem Haupttheile des Museums, der Gemäldegallerie
empor, so erfreut die höchst glücklich gedachte Treppenanlage das Auge durch
die maßvolle Schönheit ihrer Verhältnisse, welche zu gar ungünstigem Ver¬
gleiche mit der des Semper'schen Museums in Dresden auffordert; während
hier ein geschlossener Raum mit Oberlicht die in zwei Absätzen construirte
Treppe und eine von schwarzen Porphyrsäulen getragene Gallerie harmonisch
umschließt, geht dort die schräge Lurie des Treppengeländers unvermittelt an
den großen Fenstern der Wand vorüber, eine besonders von Außen unerträg¬
liche Schreibung der Linien bewirkend. -- An das Treppenhaus schließt sich
eine achteckige überkuppelte Eintrittshalle an, deren vorläufig einfache Orna-
mentation später den günstigsten Platz für beziehungsvollen Freskenschmuck
abgeben dürfte; durch eine in Holzsculptur reichen Renaissancestils gebildete
dreifache Bogenstellung. welche den aus dem Kuppelsaal führenden Verbin¬
dungsraum abschließt, treten wir in die Gemüldesäle, welche links vom Ein¬
trittssaal in drei größeren Oberlichträumen, rechts in neun kleineren Zimmern
mit Seitenlicht die Längssronten des Gebäudes bilden und an der gegenüber¬
stehenden Querseite durch einen Gang verbunden sind, dessen Bogenfenster
durch Treppenhaus und Kuppelsaal eine perspectivische Durchsicht des ganzen


Umfang der aufzustellenden Kunstwerke, mußten für das Ganze den Charakter
der Einfachheit als nothwendig hinstellen und Niemand wird dem Architekten
die Anerkennung versagen dürfen, daß innerhalb dieser Grenzen sein Werk
allen Anforderungen an die Eigenschaften einer städtischen Kunsthnlle auf das
Schönste entspricht. Die Verhältnisse der Längs- zu den Seitenfronten, und
die etwas gedrückten Verhältnisse des Untergeschosses sind vielleicht allein von
weniger befriedigenden Eindruck. Die Räume des letztern umfassen eine —
freilich noch im Entstehen begriffene Sammlung von Gipsabgüssen moderner
Sculpturen, einen für das Gesammtvild der neuern Kunst höchst wichtigen
und in den großen Museen viel zu wenig berücksichtigten Bestandtheil; die
großräumigen Zimmer des Kunstvereins. zu dessen Versammlungen, dem Aus¬
legen von Zeitschriften und den Ausstellungen von Kupferstichen bestimmt, schlie¬
ßen sich diesen an; andere Räume des Parterres, welche vorläufig noch frei
sind, werden hoffentlich bald eine für den Gesammtinhalt des Museums sehr
wünschenswerthe Bereicherung in einer Sammlung mustergiltiger kleinerer
Kunstwerke und Geräthschaften aus den verschiedenen Blüteepochen aufnehmen,
deren Vorführung für das Gedeihen des modernen Kunstgewerbes grade von
Seiten einer städtischen Kunstsammlung von höchstem Interesse ist; auch die
Anlegung einer Sammlung historischer Abbildungen für die städtische Geschichte
und Topographie könnte in den untern Räumen eine zweckmäßige Aufstellung
finden, wenn das günstige Vermächtnis) eines Lipsiensiasammlers die Grün¬
dung derselben ermöglichte.

Steigen wir zu dem Haupttheile des Museums, der Gemäldegallerie
empor, so erfreut die höchst glücklich gedachte Treppenanlage das Auge durch
die maßvolle Schönheit ihrer Verhältnisse, welche zu gar ungünstigem Ver¬
gleiche mit der des Semper'schen Museums in Dresden auffordert; während
hier ein geschlossener Raum mit Oberlicht die in zwei Absätzen construirte
Treppe und eine von schwarzen Porphyrsäulen getragene Gallerie harmonisch
umschließt, geht dort die schräge Lurie des Treppengeländers unvermittelt an
den großen Fenstern der Wand vorüber, eine besonders von Außen unerträg¬
liche Schreibung der Linien bewirkend. — An das Treppenhaus schließt sich
eine achteckige überkuppelte Eintrittshalle an, deren vorläufig einfache Orna-
mentation später den günstigsten Platz für beziehungsvollen Freskenschmuck
abgeben dürfte; durch eine in Holzsculptur reichen Renaissancestils gebildete
dreifache Bogenstellung. welche den aus dem Kuppelsaal führenden Verbin¬
dungsraum abschließt, treten wir in die Gemüldesäle, welche links vom Ein¬
trittssaal in drei größeren Oberlichträumen, rechts in neun kleineren Zimmern
mit Seitenlicht die Längssronten des Gebäudes bilden und an der gegenüber¬
stehenden Querseite durch einen Gang verbunden sind, dessen Bogenfenster
durch Treppenhaus und Kuppelsaal eine perspectivische Durchsicht des ganzen


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[0284] Umfang der aufzustellenden Kunstwerke, mußten für das Ganze den Charakter der Einfachheit als nothwendig hinstellen und Niemand wird dem Architekten die Anerkennung versagen dürfen, daß innerhalb dieser Grenzen sein Werk allen Anforderungen an die Eigenschaften einer städtischen Kunsthnlle auf das Schönste entspricht. Die Verhältnisse der Längs- zu den Seitenfronten, und die etwas gedrückten Verhältnisse des Untergeschosses sind vielleicht allein von weniger befriedigenden Eindruck. Die Räume des letztern umfassen eine — freilich noch im Entstehen begriffene Sammlung von Gipsabgüssen moderner Sculpturen, einen für das Gesammtvild der neuern Kunst höchst wichtigen und in den großen Museen viel zu wenig berücksichtigten Bestandtheil; die großräumigen Zimmer des Kunstvereins. zu dessen Versammlungen, dem Aus¬ legen von Zeitschriften und den Ausstellungen von Kupferstichen bestimmt, schlie¬ ßen sich diesen an; andere Räume des Parterres, welche vorläufig noch frei sind, werden hoffentlich bald eine für den Gesammtinhalt des Museums sehr wünschenswerthe Bereicherung in einer Sammlung mustergiltiger kleinerer Kunstwerke und Geräthschaften aus den verschiedenen Blüteepochen aufnehmen, deren Vorführung für das Gedeihen des modernen Kunstgewerbes grade von Seiten einer städtischen Kunstsammlung von höchstem Interesse ist; auch die Anlegung einer Sammlung historischer Abbildungen für die städtische Geschichte und Topographie könnte in den untern Räumen eine zweckmäßige Aufstellung finden, wenn das günstige Vermächtnis) eines Lipsiensiasammlers die Grün¬ dung derselben ermöglichte. Steigen wir zu dem Haupttheile des Museums, der Gemäldegallerie empor, so erfreut die höchst glücklich gedachte Treppenanlage das Auge durch die maßvolle Schönheit ihrer Verhältnisse, welche zu gar ungünstigem Ver¬ gleiche mit der des Semper'schen Museums in Dresden auffordert; während hier ein geschlossener Raum mit Oberlicht die in zwei Absätzen construirte Treppe und eine von schwarzen Porphyrsäulen getragene Gallerie harmonisch umschließt, geht dort die schräge Lurie des Treppengeländers unvermittelt an den großen Fenstern der Wand vorüber, eine besonders von Außen unerträg¬ liche Schreibung der Linien bewirkend. — An das Treppenhaus schließt sich eine achteckige überkuppelte Eintrittshalle an, deren vorläufig einfache Orna- mentation später den günstigsten Platz für beziehungsvollen Freskenschmuck abgeben dürfte; durch eine in Holzsculptur reichen Renaissancestils gebildete dreifache Bogenstellung. welche den aus dem Kuppelsaal führenden Verbin¬ dungsraum abschließt, treten wir in die Gemüldesäle, welche links vom Ein¬ trittssaal in drei größeren Oberlichträumen, rechts in neun kleineren Zimmern mit Seitenlicht die Längssronten des Gebäudes bilden und an der gegenüber¬ stehenden Querseite durch einen Gang verbunden sind, dessen Bogenfenster durch Treppenhaus und Kuppelsaal eine perspectivische Durchsicht des ganzen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/284>, abgerufen am 02.07.2024.