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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band.

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Schon lange Jahre hatte sich unter den Mitgliedern des leipziger Kunst¬
vereins eine engere Bereinigung gestaltet, welche in ihrem Schoße die ernsteren
Kunstinteressen fördernd für Leipzig zum eigentlichen Mittelpunkt der Bestre¬
bungen wurde, denen erst später unter günstigen äußeren Einwirkungen Ge¬
legenheit zu weiterer Entfaltung geboten wurde. Die für Leipzig traditionell
bedeutsame Pflege von Kupferstichsammlungen, der im vorigen Jahrhundert
die berühmten Kunstliebhaber Winkler, Otto und Bause ihre Kräfte wid¬
meten und die seit mehr als sechzig Jahren in den bekannten Weigel'schen
Kunstauctionen ihre vorzügliche Nahrung fand, führte in den winterlichen
Abendversammlungen des Kunstvereins die Männer zusammen, deren Wirken
die erste Gründung einer ständigen Gallerie gediegener Oelgemälde zu ver¬
danken ist. Zunächst in den Räumen der Bürgerschule mit den im städtischen
Besitz befindlichen Cranach'schen Tafelbildern und einigen Doubletten der
Dresdner Gallerie vereinigt, wurde diese kleine Sammlung der Gegenstand
eines immer steigenden Interesses. Anlaufe, Geschenke und Vermächtnisse ver¬
mehrten die Anfangs geringen Bestandtheile und ein reger Besuch des Publi¬
kums bewies die Anziehung, welche auch diese wenig bedeutenden Kunstschätze
auf empfängliche Beschauer auszuüben vermochten. Schon damals bildeten
die Geschenke eines leipziger Bürgers, Heinrich Schickler. dessen Kunstliebe
in Verbindung mit sehr bedeutenden Mitteln in wahrhaft großartiger Weise
sich bei Anlegung einer Pnvatgallerie bethätigte, Glanzpunkte des Museums;
allein ein weit glänzenderes Geschenk war von diesem Mann seiner Vaterstadt
vorbehalten; das. was den gesammelten und den zu erwerbenden Schätzen
erst den rechten Werth und die rechte Wirksamkeit verleihen konnte, die blei¬
bende und kunstgewcihte Stätte ihrer Aufstellung, wurde von ihm dadurch be¬
gründet, daß er bei seinem Tode (im November 1853) der Stadt nicht nur
seine höchst bedeutende Pnvatgallerie, sondern auch sein Haus im Werthe von
45000 Thalern vererbte, mit der ausdrücklichen Bedingung, daß binnen fünf
Jahren ein zum Museum passendes Gebäude erbaut oder gekauft werde. --
Erst nachdem die Stadt sich für das erstere entschieden und die zur Vollen¬
dung der Bausumme von im Ganzen 160000 Thalern nöthigen Gelder be¬
willigt waren, durfte mit voller Zuversicht auf ein erfolgreiches und im rechte"
Sinn fruchtbares Wirken der öffentlichen Kunstschätze gerechnet werden, und
die Art und Weise, mit welcher nach den erwähnten kleinen Kämpfen das
Museum den Bewohnern Leipzig zu einem Gegenstande freudigen Stolzes ge¬
worden ist, die Fülle der Besucher, welche jetzt in den Feiertagsstunden die
schönen Räume durchwandern, sprechen genugsam dafür, was die Kunst da¬
durch gewonnen!

Der Bau ist nach dem Plane des Professors Ludwig Lange ausgeführt.
Die immerhin bescheidenen zu seiner Vollendung angewiesenen Mittel und der


Schon lange Jahre hatte sich unter den Mitgliedern des leipziger Kunst¬
vereins eine engere Bereinigung gestaltet, welche in ihrem Schoße die ernsteren
Kunstinteressen fördernd für Leipzig zum eigentlichen Mittelpunkt der Bestre¬
bungen wurde, denen erst später unter günstigen äußeren Einwirkungen Ge¬
legenheit zu weiterer Entfaltung geboten wurde. Die für Leipzig traditionell
bedeutsame Pflege von Kupferstichsammlungen, der im vorigen Jahrhundert
die berühmten Kunstliebhaber Winkler, Otto und Bause ihre Kräfte wid¬
meten und die seit mehr als sechzig Jahren in den bekannten Weigel'schen
Kunstauctionen ihre vorzügliche Nahrung fand, führte in den winterlichen
Abendversammlungen des Kunstvereins die Männer zusammen, deren Wirken
die erste Gründung einer ständigen Gallerie gediegener Oelgemälde zu ver¬
danken ist. Zunächst in den Räumen der Bürgerschule mit den im städtischen
Besitz befindlichen Cranach'schen Tafelbildern und einigen Doubletten der
Dresdner Gallerie vereinigt, wurde diese kleine Sammlung der Gegenstand
eines immer steigenden Interesses. Anlaufe, Geschenke und Vermächtnisse ver¬
mehrten die Anfangs geringen Bestandtheile und ein reger Besuch des Publi¬
kums bewies die Anziehung, welche auch diese wenig bedeutenden Kunstschätze
auf empfängliche Beschauer auszuüben vermochten. Schon damals bildeten
die Geschenke eines leipziger Bürgers, Heinrich Schickler. dessen Kunstliebe
in Verbindung mit sehr bedeutenden Mitteln in wahrhaft großartiger Weise
sich bei Anlegung einer Pnvatgallerie bethätigte, Glanzpunkte des Museums;
allein ein weit glänzenderes Geschenk war von diesem Mann seiner Vaterstadt
vorbehalten; das. was den gesammelten und den zu erwerbenden Schätzen
erst den rechten Werth und die rechte Wirksamkeit verleihen konnte, die blei¬
bende und kunstgewcihte Stätte ihrer Aufstellung, wurde von ihm dadurch be¬
gründet, daß er bei seinem Tode (im November 1853) der Stadt nicht nur
seine höchst bedeutende Pnvatgallerie, sondern auch sein Haus im Werthe von
45000 Thalern vererbte, mit der ausdrücklichen Bedingung, daß binnen fünf
Jahren ein zum Museum passendes Gebäude erbaut oder gekauft werde. —
Erst nachdem die Stadt sich für das erstere entschieden und die zur Vollen¬
dung der Bausumme von im Ganzen 160000 Thalern nöthigen Gelder be¬
willigt waren, durfte mit voller Zuversicht auf ein erfolgreiches und im rechte»
Sinn fruchtbares Wirken der öffentlichen Kunstschätze gerechnet werden, und
die Art und Weise, mit welcher nach den erwähnten kleinen Kämpfen das
Museum den Bewohnern Leipzig zu einem Gegenstande freudigen Stolzes ge¬
worden ist, die Fülle der Besucher, welche jetzt in den Feiertagsstunden die
schönen Räume durchwandern, sprechen genugsam dafür, was die Kunst da¬
durch gewonnen!

Der Bau ist nach dem Plane des Professors Ludwig Lange ausgeführt.
Die immerhin bescheidenen zu seiner Vollendung angewiesenen Mittel und der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_109805/283>, abgerufen am 04.07.2024.